Читать книгу Space Opera Großband September 2018: 1226 Seiten SF Sammelband - Harvey Patton - Страница 63
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ОглавлениеDie Andorra hatte in einer Entfernung von 299,2 Millionen Kilometern vom »Rand« des Systems ihre Geschwindigkeit verringert und war seitdem regelrecht durch den Weltraum »geschlichen«, sozusagen im Schneckentempo, wie sich manch einer in der Zentrale äußerte – allerdings leise genug, um sich nicht dem Unmut eines Offiziers auszusetzen. Jetzt nahm sie unter den Schaltungen des Navigators wieder Fahrt auf.
»Irgendwelche Ortungen hier draußen, Mister Abian?«, hob Cabezas die Stimme gegen die Geschäftigkeit der Zentrale.
»Negativ, Sir«, antwortete der Ortungsoffizier. »Wir sind allein auf weiter Flur.«
»Hmm. Auch kein Funk, gleich welcher Art?«
»Nein, Sir«, gab Kano Archambault, der Funkobermaat, von seiner Konsole aus zu verstehen.
Cabezas überlegte einige Augenblicke, dann sagte er: »Mister Sivertsen!«
»Kommandant?«, meldete sich der Funktechniker Ron Sivertsen von seinem Arbeitsplatz neben dem des Dritten Offiziers.
»Ist die Routinemeldung nach Andaban zum Flottenhauptquartier hinausgegangen?«
»Jawohl, Sir«, bestätigte Sivertsen militärisch korrekt.
»Gut.«
Neu-Alamo und die Terranische Flottenadmiralität unter Marschall Bulton würden jetzt Bescheid wissen, wo die Andorra sich aufhielt. Sollte die nächste Meldung ausbleiben, würde man Nachforschungen anstellen. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass man auf Hilfe hoffen konnte, wenn man in einer prekären Lage gefangen saß.
»Sind wir angekommen, Skipper?«, drang eine vertraute Stimme an Cabezas’ Ohren. Major Chase McNeal hatte die Zentrale betreten und sich zu Cabezas gesellt.
»Es hat den Anschein, Chase«, erwiderte der Oberst mit einem halben Lächeln.
Beide Männer kannten sich seit Jahren. Nach seiner glücklichen Rettung aus den Fängen des einsamen Rechners durch den vernunftbegabten Roboter Gilead – welche Ironie des Schicksals – und der Rückkehr zur Erde (dort schrieb man mittlerweile den Oktober 2058), war Cabezas Ende 2058 erneut in den Dienst der Terranischen Flotte gegangen und tat für eine gewisse Zeit Dienst als Kommandant eines Giant-Beuteschiffs. Der 50-Meter-Kugelraumer, im Flottenregister als Sternschnuppe der Panther-Klasse geführt, trug den Namen Spectral.
Der sechsundvierzigjährige Schotte Chase McNeal, dessen hagere Gestalt zusammen mit der stets etwas traurigen Miene Anspielungen auf Servantes’ »Don Quichotte« erlaubte, war Cabezas’ damaliger Erster Offizier und Navigator. Allerdings nur für die Dauer von knapp eineinhalb Jahren, denn im Sommer 2059 war der Kugelraumer über Eldorado von Kelradan-Rebellen abgeschossen und zerstört worden. Die Überlebenden, darunter McNeal und Cabezas, waren vom 14. Zug der Schwarzen Garde unter dem Kommando von Kurt Farmoon aus der Gewalt der Rebellen befreit und sicher nach Hause gebracht worden.
Neue, verantwortungsvolle Positionen erhielten Roy Cabezas und Chase McNeal Anfang Mai 2062. Nachdem ersterer in einer Sprungbeförderung zum Oberst gemacht worden war und das Kommando über das Flottenschulschiff Andorra erhalten hatte, musste er zu seinem nicht unerheblichen Erstaunen feststellen, dass seine ehemalige Nummer Eins Major der Rauminfanterie geworden war und – o Wunder! – an Bord seines Schiffes das Kommando über die Ausbildung von 250 Rekruten innehatte.
»Hat es nur den Anschein«, fragte McNeal ruhig, »oder ist es sicher?«
Cabezas zuckte mit den Schultern.
»Warten wir’s ab«, meinte er und brachte ein Grinsen zustande. »Was ist schon sicher in einem Universum, in dem die Entropie mit jeder Sekunde Umwälzungen von nicht vorstellbarem Ausmaß hervorbringt.«
»Holla, Skipper«, sagte McNeal. »Wohl zu lange Kierkegaard geschmökert, oder?«
»Mijamoto.«
»Wie ?« McNeal blickte irritiert.
»Mijamotos Buch der Leere.«
»Aha. Muss ich das kennen?«
»Es enthält einige sehr interessante Passagen über die Kunst des Kampfes gegen einen übermächtigen Gegner.«
»Ach so«, sagte McNeal. »Ein Almanach über die Kriegskunst ...« Wieder beruhigt verfolgte er in der Bildkugel die Annäherung der Andorra an das System. Im flachen Winkel von dreißig Grad zur Hauptebene der Planetenbahnen drang der Circulum-Raumer aus blauviolett schimmerndem Polysterium von »oben« in Richtung auf die ferne Sonne in das System ein.
»Mister Abian!« Cabezas’ Stimme klang in gewohnter Weise beherrscht und ruhig, obwohl er innerlich angespannt war. Sicher, er hatte schon viele Annäherungen an fremde Systeme erlebt, aber jedes Mal war es wieder aufregend und neu.
Der Ortungsoffizier wandte sich ihm zu. »Sir?«
»Ist im System die Verwendung von Energie feststellbar?«
»Energie in unserem Sinne? Nein!«, erwiderte Abian nicht weniger ruhig als sein Kommandant. »Es gibt weder Hyperfunk noch Raumfahrt.«
»Überhaupt kein Verkehr zwischen den Planeten?«
»Ich will mich da nicht festlegen«, gestand der Dritte Offizier. »Schließlich muss es irgendeine Art von Raumfahrt geben. Es war ihnen immerhin möglich, einen Satelliten ins All zu schicken und auf eine lange Reise zu bringen. Aber Raumschiffsverkehr vergleichbar dem unseren des einundzwanzigsten Jahrhunderts existiert keiner.«
Cabezas runzelte die Stirn. »Bin mal neugierig, welche Überraschungen wir erleben werden«, sagte er halblaut.
Alle Schirme waren in Betrieb. Die Andorra richtete die Instrumente auf das System. Der sonnenfernste Planet trug einen Eispanzer aus Methangas. Die weiter innen liegenden Planeten sechs bis drei waren ebenfalls nicht dafür geschaffen, höher entwickeltes Leben zu tragen. Der sich der Sonne am nächsten befindliche Planet befand sich augenblicklich jenseits des Zentralfeuers und wurde von ihm verdeckt.
Lediglich Nummer zwei bewegte sich auf einer Bahn innerhalb der Ökosphäre.
»Da haben Sie Ihren Planeten, Skipper«, sagte Oliver Ormon und wies mit einer Kopfbewegung auf die Bildkugel. Die Holosphäre generierte ein separates Fenster und hob es etwas hervor, so dass der Eindruck entstand, es schwebte vor der Bildkugel in der Zentrale.
Eine Datensequenz begann zu laufen. Die Informationen der Abtastung besagten, dass es sich bei dem Planeten um eine Sauerstoffwelt mit einen Durchmesser von 11 000 Kilometer handelte.
»Damit ist er etwas kleiner als die Erde«, gab Kharim Abian mit düsterer Miene zu verstehen.
»Können Sie mir sonst noch mit Einzelheiten dienen, Nummer Drei? Wie steht’s mit der Schwerkraft?«
Abian überprüfte ein paar Anzeigegeräte. »Null-Komma-neunundachtzig. Auch seine Masse ist geringer.«
»Das wird unsere Schritte leicht und beschwingt machen«, versprach Chase McNeal.
Sie näherten sich dem Planeten. Von Sekunde zu Sekunde zeichneten sich mehr Einzelheiten ab. Die Oberfläche schob sich in das Blickfeld. Nicht mehr lange, und die Andorra würde in eine Umlaufbahn einschwenken. Fünfzehn Minuten später, nach leichten Korrekturmanövern, schwebte das Flottenschulschiff über der Oberfläche von Nummer zwei.
Die Gefahr einer Entdeckung konnte als vernachlässigbar angesehen werden. Der hocheffiziente Tarnmodus verbarg den Circulum-Raumer vor jeder elektronischen oder sonstigen Ortung, nur direkten Sichtkontakt konnte er nicht verhindern. Aber dazu müsste sich jemand in einer Entfernung aufhalten, die es ihm erlaubte, das Schiff auch wirklich zu sehen.
Knapp außerhalb der Atmosphäre machte sich die Andorra an die Umrundung des Planeten. Es stellte sich heraus, dass die Welt über sechs Kontinente verfügte, locker verteilt über das Planetenrund und eingebettet in einen großen Ozean und mehrere kleinere Meere. Die Verteilung Land zu Wasser betrug etwa eins zu zwei. Es herrschte eine üppige Flora; über die Fauna waren keine Einzelheiten zu erfahren. Eis bedeckte die Pole.
Über die Südhalbkugel erstreckte sich eine unregelmäßig geformte Landmasse von der Größe Eurasiens, auf der den Auswertungen der Biotaster zufolge intelligentes Leben existierte.
»Also doch!«, ließ sich McNeal vernehmen. Es klang fast erleichtert. »Es gibt Leben auf dieser Welt.«
»Kein Flug der wirklichen Überraschungen«, murmelte der Kommandant, »haben wir doch insgeheim damit gerechnet.« Dann, lauter: »Mister Abian. Ist die Verwendung von Energie feststellbar?«
»Das ist zutreffend, einmal auf atomarer Basis ...«
Der Plutoniumgenerator des vagabundierenden Satelliten, dachte Cabezas und nickte unbewusst.
»Aber auch durch Verbrennen von fossilen Rohstoffen in großen Kraftwerken. Ein paar Satelliten gibt es auch, keine Raumstation allerdings. Der Eintritt von Kohlendioxid in die Atmosphäre ist enorm und lässt darauf schließen, dass es sich vermutlich um eine Zivilisation handelt, die etwa den Stand der Erde der Jahrtausendwende erreicht haben dürfte.«
»Nicht nur, was die Energieverschwendung betrifft«, sagte Oliver Ormon plötzlich mit harter Stimme. »Seht doch nur!«
Unter der Andorra drehte sich der Planet weiter. Und mehr und mehr waren Spuren eines eindeutig weltweit geführten Krieges zu entdecken. Eines konventionell ausgetragenen Krieges, denn die Taster konnten keine verstrahlten Gebiete entdecken, weder in der Atmosphäre noch am Boden.
»Geben Sie Alarm, Nummer Eins!«
Das Alarmsignal summte durch das Schiff und hielt jedes Besatzungsmitglied zur erhöhten Wachsamkeit an. Die Kadetten, die sich im Rahmen ihrer Ausbildung gerade in der Zentrale aufhielten, zogen sich von den Kontrollen und Pulten zurück und überließen das Feld der regulären Belegung.
Währenddessen flog die Andorra über die Tageshemisphäre des Planeten hinweg; unter ihr erstreckte sich eine Stadt von wahrhaft zyklopischen Ausmaßen. Die Sonne stand im Zenit und strahlte von einem tief dunkelblauen Himmel. Die Stadt machte einem weit verzweigten Industrieareal Platz. Dann war nur noch Landschaft zu sehen, Berge, Täler, Seen und Flüsse.
Eine weitere Stadt mit noch mehr Industrie; Kraftwerke, deren Schlote bräunliche Fahnen in den Himmel husteten. Und auch hier Anzeichen von Verwüstung, Spuren von Explosionen, von Bränden.
»Dort unten scheinen sich einige Parteien nicht gerade in Freundschaft zugetan zu sein«, sagte Ron Nozomi.
»Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass sie drauf und dran sind, sich wieder in die Steinzeit zurückzubomben«, brachte es Oliver Ormon auf den Punkt. Er blickte auf Cabezas, dessen Miene von Minute zu Minute finsterer wurde.
»Was machen wir, Skipper? Zurückziehen und die Streithähne sich selbst überlassen?«
»Darauf läuft es wohl hinaus«, meinte Major McNeal.
»Auf keinen Fall werden wir uns einmischen«, stellte der Kommandant klar. »Aber dennoch verschwinden wir nicht klammheimlich. Nein, wir gehen der Sache nach, ohne in Erscheinung zu treten.«
»Wie soll das gehen?«, ertönte die Bassstimme von Harry Bingham, dem Exobiologen.
»Indem wir einige getarnte Aufklärungssonden ausschleusen, die uns einen genaueren Überblick über die Situation auf dieser Welt verschaffen«, bestimmte Cabezas. Die übliche Routine in solchen Fällen; für Vorhaben dieser Art standen immer ein paar Erkundungsdrohnen abrufbereit.
Während die Einsatzvorbereitungen anliefen, meldete sich Hauptmann Kowalski bei Cabezas. »Ich würde gern die Erkundigungen mit den Spaceflash fliegen, Sir«, bat er.
Cabezas lehnte ab. »Sehen Sie, Hauptmann«, begründete er seine Weigerung, »solange wir nicht definitiv wissen, mit wem wir es hier wirklich zu tun haben, werde ich niemanden einem ungewissen Schicksal aussetzen. Vergessen Sie nicht, dass die Planetenbewohner augenscheinlich recht kriegerisch zu sein scheinen. Das Ausmaß der Verwüstungen, die wir entdeckt haben, lässt mir in diesem Fall keine andere Wahl. Bedenken Sie, dass wir ein Schulschiff sind. Die Sicherheit von Schiff und Besatzung lässt mir da wenig Spielraum.«
»Verstehe«, knurrte Kowalski.
Cabezas wandte sich an seinen Ortungsoffizier. »Wie weit ist Ihre Abteilung, Mister Abian?«
»Drohnen sind startklar, Kapitän.«
»Dann raus mit ihnen«, nickte der Kommandant.
Drei Aufklärungsdrohnen, jede nicht größer als ein Raumtorpedo der Standardklasse, ausgestattet mit miniaturisierten Transitionstriebwerken, vollgepackt mit Aufklärungs- sowie Übertragungselektronik auf Überlicht-Richtfunkbasis und mit einem leistungsfähigen Tarnschutz versehen, verließen ihre Startköcher und näherten sich der Planetenoberfläche. In einer relativ niedrigen Höhe begannen sie ihre Suchkreise zu ziehen, während sie bereits dabei waren, fleißig Daten, Informationen und visuelle Eindrücke zu sammeln.
»Mister Sivertsen!«
»Sir?«
»Irgendwelche Funksignale, die sich eventuell auf unsere Drohnen beziehen?«
Sivertsen warf einen Blick auf eine seiner Kontrollskalen, während seine Finger über die Bedienfelder der Funkpeilung glitten. »Es gibt zwar regen Lang- und Kurzwellenfunk, Sir, aber ob der sich auf unsere Drohnen bezieht, vermag ich beim besten Willen nicht herauszufinden.«
»Natürlich nicht«, murmelte Cabezas. »Wie denn auch. Noch können wir ihre Kommunikation nicht entschlüsseln.«
»Ich denke nicht, dass unsere Anwesenheit, beziehungsweise die unserer Aufklärungsdrohnen bemerkt worden ist«, sagte Oliver Ormon.
Cabezas warf ihm einen Blick zu. »Das kann uns nur recht sein, Nummer Eins. Ich möchte auf keinen Fall in irgendwelche kriegerischen Handlungen verwickelt werden.«
Die ersten Bilder der Drohnen kamen. Die Planetenbewohner waren humanoid, also menschenähnlich. Eine Nahaufnahme, ausgelöst von einem Funkbefehl Archambault’, der von seinem Pult aus in die Steuerung der Sonden eingreifen konnte, zeigte, dass ihre Gesichter eine rote Haut mit einem gelben Fleckenmuster aufwiesen. Ob sich diese Zeichnung auch auf die Körper erstreckte, ließ sich nicht feststellen, da sie durchweg von wallender Kleidung verhüllt wurden. Aber ein Merkmal, das auch auf der Metallplatte des Satelliten eingraviert war, ließ sich hier in aller Deutlichkeit verifizieren: Die kahlen Schädel trugen alle einen Längswulst, der von der Stirn bis in den Nacken reichte.
Auf dem Weg um den Planeten zeigten die Aufnahmen der Drohnen sogar Bewohner, die zwei Wülste ihr eigen nannten, die allerdings mehr in Ohrnähe saßen.
»Es wäre aus anthropologischer Hinsicht interessant zu erfahren, wie sie sich als Spezies bezeichnen«, sagte Skyler in seiner gedehnten Sprechweise. »In vielen Fällen haben meine Kollegen und ich, die wir bei der Terranischen Flotte arbeiten, die Erfahrung gemacht, dass ein körperliches Merkmal wesentlichen Einfluss auf den Stammesnamen eines Volkes ausübt ...«
»Für mich sind es Overlaps.«
Cabezas sah mit strenger Miene auf. »Wer hat das gesagt?«
»Ich, Sir.«
Derek Andresen machte ein nur mäßig schuldbewusstes Gesicht, als der Kommandant den angehenden Wissenschaftsoffizier mit gerunzelter Stirn fixierte.
»Overlap. So, so. Und wie kommen Sie darauf?«
»Ein naheliegender Gedanke, Sir. Die Wülster macht sich nicht so gut. Aber der englische Ausdruck dafür gibt doch was her. Finden Sie nicht?«
»Finde ich das?«
Andresen räusperte sich verlegen; war er zu weit gegangen? Doch dann sagte der Kommandant zu seiner Erleichterung: »Overlaps ... ja, hat was für sich. Vermerken wir es also im Schiffslog als Namensgebung für die Bewohner dieses Planeten. Sorgen Sie dafür, Oliver.«
*
»KOMMANDANT AN KOND – da ist etwas.« Doran Kond starrte sein Armbandfunkgerät an. Er wunderte sich, weil das Mutterschiff ihn über eine UKW-Frequenz statt mit Richtfunk anfunkte. »Hören Sie mich, Kond?«, wiederholte die Stimme aus dem Armbandgerät.
»Ich höre Sie, Raf Doboya.« Er stand auf und blickte über die Baumwipfel. »Was soll das heißen: Da ist etwas?« Der Wind blies durch die Wipfel, sie wogten hin und her. Wie ein grünes Meer sahen sie aus. »Haben Sie was auf der Ortung?«
»In der Ortung nicht, aber ein paar Bilder, die mir Zahnschmerzen machen.«
»Bilder?«
»Nun, wie Sie wissen, haben wir die wenigen Satelliten und Observatorien der Großen angezapft, die sie in der Umlaufbahn kreisen lassen. Eines dieser primitiven Fernrohre hat einen Schatten eingefangen, der mir nicht gefällt.«
»Was für einen Schatten?«
»Schwer zu sagen.« Raf Doboya wand sich auszusprechen, was er dachte, so jedenfalls wollte es Doran Kond scheinen. »Das Observatorium konnte ihn nur für den Bruchteil einer Sekunde einfangen. Ein ziemlich undeutliches Bild, wie Sie sich denken können. Vielleicht ein Wetterballon, der sich selbständig gemacht hat, vielleicht ein kleiner Meteorit – vielleicht aber auch mehr. Wie auch immer – richten Sie Ihre geniale Aufmerksamkeit bitte in den Himmel und tun Sie Ihre Arbeit, wenn etwas Größeres über diesem Planeten erscheinen sollte. Verstanden, Kond?«
»Verstanden, Doboya.« Kond unterbrach die Verbindung. Er hasste die stillose Art des Kommandanten. Raf Doboyas Umgangsformen stießen häufiger mal an die Grenzen zur Beleidigung. Kond stieg hinunter in das Modul.
Vor den Armaturen seines Gerätes ließ er sich in seinen Sessel sinken. Bei Gelegenheit würde er Doboya auf seine Weise Respekt beibringen. Ein Doran Kond war schließlich nicht irgend jemand.
Er betrachtete den Ortungsschirm.
Nichts.
Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Atmosphäre über seinem Standort. Minutenlang verharrte er so und spürte nach mentalen Mustern.
Nichts.
Vermutlich hatte der Kommandant die Eiterbakterien in seinen Pickeln husten gehört, ganz bestimmt sogar.
Diese kleine Welt war in keinen Sternkarten verzeichnet, in keinen jedenfalls, die Doran Kond bekannt waren.
Auch lag sie fernab von allen Routen, die jene raumfahrenden Völker benutzten, vor denen man sich als Freiheitskämpfer in acht zu nehmen hatte.
Er setzte sich wieder mit dem Mutterschiff in Verbindung. Der Kommandant selbst war am Funk. »Und?«
»Da ist nichts, Raf Doboya.«
»Ein Glück!« Kond konnte hören, wie Doboya aufatmete. »Halten Sie Ihre Spezialantennen auf Empfang, verstanden, Kond?«
Doran Kond stutzte für einen Moment.
Ärger erhitzte ihn. »Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, Doboya, dann tun Sie es bitte unter Einhaltung der üblichen Umgangsformen.«
»Nicht so empfindlich, Kond!«, krähte es aus dem Funk. »Also, ich verlasse mich auf Sie!«
Die Verbindung brach ab.
Doran Kond erhob sich vom Steuerplatz seines Gerätes. Er stieß einen Fluch aus. Unfreundliche Gedanken zogen ihm durch den Schädel, während er wieder zu seinem Sonnenplatz auf dem Dach des Wohnmoduls hinaufstieg. Er stellte sich Doboya mit mörderischen Zahnschmerzen in seinem Kommandosessel kauernd vor. Oder wie wäre es mit einer heftigen Darmreizung? Diese und andere Phantasien kühlten seinen Ärger ein wenig ab.
Eine Zeitlang lag er in seinem Liegestuhl und blickte in den wolkenlosen Himmel. Im Grunde sprach es ja für den Kommandanten, dass er Gespenster sah und die Bakterien seiner Pickel husten hörte. Deswegen war er schließlich der Kommandant. Er musste ja mehr als nur vorsichtig sein, denn die Arbeit hier war wirklich wichtig. Unter dem Strich würde sie dem Feind immensen Schaden zufügen. Nicht auszudenken, wenn seine Aufklärer oder Agenten Wind von dem Einsatz hier auf dieser schönen, kleinen Welt bekämen! Der Feind würde kurzen Prozess machen, ganz klar ...
Plötzlich schnellte Doran Kond aus dem Liegestuhl. Mit geschlossenen Augen, angespannter Miene und in den Nacken gelegtem Kopf verharrte er.
Da war etwas!
Da war tatsächlich etwas gewesen!
Er sprang auf, lief die kleine Wendeltreppe in das Modul hinunter, warf sich in seinen Steuersessel, überflog den Ortungsschirm – nichts!
Das beruhigte ihn nicht, im Gegenteil: Es steigerte seine Erregung und sein Misstrauen nur noch mehr – nichts, das konnte auch jemand sein, der es verstand, sich als nichts zu tarnen! Wieder schloss er die Augen, wieder konzentrierte er die Wunderwaffe unter seiner Schädeldecke auf unbekannte mentale Muster.
Und plötzlich tastete er sie, überdeutlich sogar. Es waren viele. Sehr viele, zu viele!
»Her mit euch!«, rief er. Er tippte seinen Code in eine kleine Tastatur neben der Panzerglaswölbung über dem grellroten Auslöser. Die Glaswölbung sprang auf. »Kommt her!«
Er berührte ein Tastenfeld neben dem Auslöser: Leben kam in die Hydraulik des Gerätesockels, das Dach des Moduls öffnete sich, der Sockel hob das Gerät nach oben, das Abstrahlrohr begann zu kreisen.
Her mit euch! Doran Kond spähte in die Atmosphäre. Kommt schon! Sein Liegestuhl polterte ins Geröll neben dem Modul, das sich öffnende Dach hatte ihn über den Rand gekippt.
Her mit euch und zuhören, denn jetzt erzähle ich euch was ...! Doran Kond legte seine Hand auf den Auslöser, »erzählte« etwas – und wartete. Der Gerätesockel trug ihn samt seinem Steuersessel durch das offene Dach. Lange musste er nicht mehr warten.
*
OVERLAP!
Kein schlechter Name für die Wulstträger. Dieser Meinung war auch Hauptmann Kowalski, der sich, nicht unmittelbar in die Schiffsführung involviert, die Zeit nahm, das Geschehen in der Zentrale zu beobachten.
Ich kann mich ja irren, dachte er plötzlich, aber irgend etwas stimmt hier nicht. Er suchte zu ergründen, was ihn zu diesen Gedanken bewogen haben könnte, kam aber zu keinem befriedigenden Ergebnis. Seine Blicke glitten durch die Zentrale, versuchten eine Änderung im bisherigen Ablauf festzustellen. Alles war in Ordnung, alles ging seinen geordneten Gang – bis auf den Umstand vielleicht, dass die meisten in der Zentrale nicht so richtig bei der Sache zu sein schienen und höchst unkonzentriert arbeiteten. Ob er seine Beobachtung jemandem von der Schiffsführung mitteilen sollte? Er schwankte noch zwischen tun und lassen, als etwas geschah, das ihn seine Sorgen vergessen ließ. Allerdings sollte er im Nachhinein zu der Erkenntnis gelangen, dass die Ereignisse in einem ursächlichen Zusammenhang standen. Nur wusste er es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die Andorra hatte sich jetzt der anderen Hälfte des Planeten zugewandt und war nach Norden geflogen. Jenseits des Äquators erstreckte sich über die Nordhalbkugel ein Kontinent in Form eines auf den Kopf gestellten Y von etwa der doppelten Größe der gesamten südlichen Landmasse. Die Drohnen zeigten ein Gebiet auf dem größten Kontinent dieser Welt, in dem keine Kämpfe stattfanden.
Warum das so war, war Anlass für eine Reihe von Spekulationen innerhalb der Führungsmannschaft. Kowalski hörte zu, beteiligte sich jedoch nicht, sondern verfolgte den Weg der Sonden, deren Aufnahmen von der Bildkugel wiedergegeben wurden.
Kano Archambault sagte plötzlich: »Achtung. Wir haben neue Bilder!« Seine Finger tanzten über die Tastenfelder.
Eine der Sonden verharrte über einer ganz bestimmten Stelle und konzentrierte ihre optischen Systeme auf einen Punkt der Oberfläche, den sie in Vergrößerung an die Zentrale der Andorra übermittelte.
»Himmel!«, sagte Archambault erschrocken. »Dort unten geht ja einiges ab!« Die Bildsequenz der Drohne zeigte eine schwärende Wunde in der Kruste des Planeten.
»Was ist das?«, fragte Bingham erstaunt.
»Ein riesiger Tagebau«, antwortete Robert Plotnikoff. Der Chefgeologe hielt sich wie Bingham und einige andere Wissenschaftler auch in der Zentrale auf, seit die Andorra begonnen hatte, den Planeten zu observieren.
»Und was fördert man da?«
»Vermutlich Erz«, mutmaßte Plotnikoff. »Die Overlaps«, wie selbstverständlich verwendete er die von Andresen geprägte Namensgebung, »werden bei ihrer Industrialisierung Unmengen von Rohstoffen benötigen. Der Planet muss reich an Erzen sein, wenn diese schon im offenen Tagebau gefördert werden können.«
Kowalski fiel auf, dass sich der Kommandant nicht an der Diskussion beteiligte, sondern mit gerunzelter Stirn die Bilderfolge der übermittelnden Drohne betrachtete. Etwas schien ihn zu beschäftigen.
Plötzlich sagte Cabezas mit lauter Stimme: »Fähnrich Archambault. Zeigen Sie mir den Bildausschnitt drei rechts unten. Sofort!«
Archambault reagierte nicht wie gewohnt augenblicklich, was Kowalski als einziger zu bemerken schien. Und auch Cabezas enthielt sich einer Rüge über die offensichtliche Unkonzentriertheit des Funkobermaats. Eine dämpfende Decke schien über allem zu liegen, was in der Zentrale geschah.
Das Fördergebiet hatte die Form eines schiefen Rechtecks. Am rechten unteren Eckpunkt existierte ein heller Reflex. »Mister Abian, das möchte ich mir näher ansehen!«
»Gleich, Kommandant.«
Die Bildkugel schuf eine Ausschnittvergrößerung der von der Optik der Sonde überstrichenen Geländeregion. Und aus dem Reflex wurde ein hantelförmiger Gegenstand – er entpuppte sich als ein Duosphärenraumer.
»Ein Schiff der Kelradan!«, keuchte Archambault, und seine Stimme überschlug sich fast.
»Stellen Sie die Maße fest, Leutnant Giardelli!«, befahl Cabezas.
Derek Giardelli drückte ein paar Tasten auf seinem Pult. »Bei dem Kelradan-Raumer handelt es sich um einen aus der älteren Baureihe. Eigentlich mehr eine Korvette mit zwei Sechzig-Meter-Kugeln, Sir.«
»Wieso haben wir seine Energiesignatur nicht schon längst geortet?«
»Weil er energetisch abgeschaltet sein muss, und zudem unter einem Dämpfungsfeld Toter Mann spielt«, erklärte der Dritte Offizier.
»Merkwürdig«, wunderte sich Cabezas. »Und es wird immer sonderbarer. Warum versteckt sich ein Kelradan-Raumer unter einem Dämpfungsfeld?«
»Er will nicht entdeckt werden.«
»Das ist mir auch klar«, schnappte der Kommandant und seine Stirn runzelte sich. »Doch warum?«
»Darauf werden wir von hier aus wohl keine Antwort bekommen«, stellte Abian lapidar fest.
»Roter Alarm, Sir?« Oliver Ormons Hand schwebte bereits über dem entsprechenden Schalter.
Der Kommandant verneinte. »Wir sind aufgrund unserer überaus wirksamen Tarnung ebenfalls tot, Nummer Eins. Sonst befänden wir uns vermutlich bereits mitten in einer Kampfhandlung mit dem Kelradan.«
»Das bezweifle ich«, glaubte Jay Girdel seinen Kapitän aufheitern zu müssen. »Wir sind ihm im Verhältnis drei zu eins an Größe überlegen. Ganz zu schweigen von unseren Waffen. Er wird es sicher nicht wagen, sich mit uns anzulegen.«
»Ich habe schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen«, erwiderte Cabezas ziemlich unverblümt.
Und McNeal knurrte bissig: »Gerade die kleinen Wadenbeißer legen sich gerne mit den größten Doggen an.«
»Mir gefällt das nicht«, ließ sich Ron Nozomi hören. Seine Stimme klang angestrengt, verärgert und auch eine Spur besorgt. »Es gefällt mir überhaupt nicht«, wiederholte er. »Was haben die Kelradan in diesem Teil der Galaxis zu suchen?«
»Vor Allem, was wollen sie auf diesem Planeten?«, fragte der Major der Rauminfanterie mit verkniffenem Gesicht. »Ihr Imperium befindet sich doch auf der anderen Seite der Milchstraße.«
»Ja, Cromar ist ziemlich weit weg«, nickte Oliver Ormon.
Cabezas schwieg einige Augenblicke und betrachtete mit gefurchter Stirn das Bild des Kelradan-Raumers, der noch immer in der Bildkugel zu sehen war. Schließlich befahl er: »Mister Abian, holen Sie die Drohnen zurück an Bord.«
»Verstanden.«
»Mister Girdel. Bringen Sie uns vorsichtshalber zur anderen Seite des Planeten. Ich muss die Situation überdenken und mir ...«
Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Irgendwo aus dem Abbaugebiet südlich des Sphärenraumschiffs löste sich ein blass flimmernder Strahl und traf die Andorra trotz ihres Intervalls; es war, als hätte sie die Faust eines übermächtigen Wesens getroffen. Sie kam ins Trudeln.
*
EIN CIRCULUM-RAUMER!
Er traute seinen Augen kaum.
Rebellenjäger?
Interstellare Händler?
Eine Einheit der Terranischen Flotte?
Gleichgültig – sie waren erledigt. Wer auch immer sie gewesen sein mochten, jetzt waren sie erledigt.
Gut so.
Doran Kond beobachtete das kleine Hologramm seiner gut getarnten Gefechtsstation. In ihr sah er den Fremdraumer durch die Atmosphäre trudeln. Als das Schiff hinter dem Horizont verschwand, wandte er sich vom Hologramm ab und beobachtete den Ortungsschirm. Ungefähr zweitausend Kilometer entfernt stürzte der Circulum-Raumer ab.
Doran Konds sehnige Finger flogen über das kleine Tastenfeld. Die Panzerglaskuppel senkte sich über den Auslöser. Das war es dann. Er funkte das Mutterschiff an, um Meldung zu machen. »Ein Circulum-Raumer, ich habe ihn ausgeschaltet. Haben Sie ihn in der Ortung gehabt, Kommandant?«
»Natürlich, und nicht nur in der Ortung!« Raf Doboya wirkte sehr erregt. »Es war mehr als nur ein Circulum-Raumer, es war ein Orbis-Raumer der Venus-Klasse!«
»Terraner also?«
»Eine Einheit der Terranischen Flotte, richtig! Vielleicht ein Zufall, vielleicht auch nicht!«
»Sie sollten ihn suchen, Kommandant!«
»Das entscheide ich selbst, Kond!«, sagte Doboya unfreundlich. »Er ist irgendwo zweitausend Kilometer weiter östlich abgestürzt, in den Wäldern, im Meer – was weiß denn ich! Allerdings ist er energetisch tot, wir orten hier absolut nichts mehr. Sobald ich Kapazitäten freihabe, lasse ich ihn suchen.«
»Sie orten ihn nicht?« Doran Kond staunte. »Er muss doch explodiert sein!«
»Scheinbar nicht.«
»Sie müssen nach ihm suchen!«
»Was soll ich nach Toten suchen? Nein, Kond, später. Wir sehen lieber zu, dass wir hier fertig werden und verschwinden dann so schnell wie möglich. Und Sie halten die Augen offen, verstanden? Wo ein Terraner auftaucht, ist der nächste in der Regel nicht weit!« Der Kommandant unterbrach die Verbindung.
Doran Kond zischte einen Fluch. Dann tippte er wieder seinen Code ins Tastenfeld. Zum zweiten Mal an diesem Tag hob sich die Panzerglaskuppel vom Auslöser.
*
DAS UNERWARTETE WAR mit einem Mal Wirklichkeit geworden. Aber die Besatzung schien das ganze Desaster nicht wirklich zu realisieren, bis auf Hauptmann Ralph Kowalski, der seine Befürchtungen unerwartet bewahrheitet sah.
Irgendwie hatte dieser Energiestrahl nicht nur das Schiff gelähmt, sondern auch dessen Besatzung; die Männer wirkten untätig, träge, energielos. Selbst Roy Cabezas tat nichts, um das Verhängnis aufzuhalten, obwohl er sehen musste, wie die Andorra ihre Position am Rande der Atmosphäre verließ und in einer gefährlichen Parabel der Oberfläche zustürzte.
Kowalski warf einen Blick über die Konsolen und Arbeitspulte. Sie waren alle besetzt, dennoch machte keiner der Männer Anstalten, etwas gegen den drohenden Absturz zu unternehmen. Seine Mundwinkel zuckten. War er denn der einzige, der noch bei klarem Verstand war?
Etwas musste geschehen!
»Ich werde jedenfalls nicht tatenlos zusehen, wie wir vor die Hunde gehen«, knurrte er grimmig und beschloss, das Schicksal von Schiff und Mannschaft in die eigenen Hände zu nehmen, solange er dazu in der Lage war. Er stürzte ans Steuerpult, schubste Girdel rüde aus dem Sitz und legte die Hände auf die Kontrollen. Seine Augen flogen über die Instrumente und Anzeigen, und er versuchte, das gute Dutzend sich beständig verändernder Zahlen auszuwerten.
Aufgrund der extremen Automatisierung waren für den Vollbetrieb eines Orbis-Raumers der Venus-Klasse nur zwei Mann nötig. Im Notfall konnte ein derartiges Schiff auch von einer einzigen Person gesteuert werden.
»Gib mir den Fallwinkel«, sagte er laut und bestimmt an die Adresse des Hyperrechners.
Für einen Augenblick hielt er den Atem an, um dann erleichtert auszuatmen. Der Hyperrechner hatte keinen Schaden genommen; er präsentierte ihm in der Bildkugel und auf den korrespondierenden holographischen Feldern der Steuerkonsole eine vollständige telemetrische Darstellung des Absturzwinkels mit dem voraussichtlichen Aufschlagpunkt auf der Oberfläche. Dieser war mehr als 2000 Kilometer von dem Tagebaugebiet entfernt.
»Soweit werde ich es nicht kommen lassen«, brummte Kowalski und führte einige leichte Kurskorrekturen durch. In der Bildkugel zogen im Augenblick zerrissene Wolkenformationen vorbei, dann war die Sicht auf den Nordkontinent wieder frei.
Der steile Fall der Andorra hatte sich abgeflacht.
»Errechne den Landepunkt«, befahl er dem Hyperrechner, während um ihn herum die Männer wie in Trance sinnlose Tätigkeiten ausführten.
»Landepunkt errechnet.«
Hoffentlich gelang es ihm, das Schiff halbwegs vernünftig zu Boden zu bringen, ehe ihn auch das Schicksal der anderen ereilte; noch war er nicht von dem beeinträchtigt, was der Besatzung widerfahren war, aber wie lange würde er verschont bleiben? Schon jetzt spürte er, wie sich sein Verstand schwer tat, das Richtige zu tun, um nicht die Kontrolle über seinen eigenen Willen zu verlieren.
Die Minuten schleppten sich dahin.
Die Andorra senkte sich tiefer, aber dank Kowalskis Eingreifen jetzt in einem wesentlich flacheren Winkel. Der ferne Horizont hatte seine Krümmung verloren. Die holographischen Bildgeber zeigten, dass sich unter dem Schiff riesige Waldgebiete ausbreiteten. Er kontrollierte zum wiederholten Mal die Instrumente. Zwei Minuten, schätzte er – höchstens fünf –, und sie waren unten.
Es wurde höchste Zeit – mehr und mehr merkte er, wie sich sein Verstand verschleierte.
Jetzt waren in der Bildkugel die ersten groben Einzelheiten am Boden unter der Andorra auszumachen, verwaschene Schatten, die sich als dunkelgrüne Baumwipfel entpuppten.
»Hoffentlich donnert sie nicht in irgendeine Schlucht«, betete Kowalski laut. Er ließ die Anzeigen nicht aus den Augen. Das Schiff flog hoch genug, um vor Bodenunebenheiten sicher zu sein, aber bei dieser Geschwindigkeit konnte sich das schnell ändern.
Wieder studierte er die Anzeigen und Konturaufnahmen, die die Bodentaster des Circulum-Raumers in die Zentrale schickten. Die Informationen verschwammen vor seinen Augen.
»Himmel!«, stöhnte er. »Ich darf jetzt nicht schlappmachen.«
Er machte nicht schlapp. Er wusste nicht, woher er die Willenskraft nahm, bei Verstand zu bleiben, aber es gelang ihm.
Die Bodentaster zeigten einige hundert Meter voraus einen einigermaßen ebenen Grund. »Ha, ein Landeplatz. Völlig flach.« Niemand reagierte auf seine Worte. Er hätte ebenso gut allein in achttausend Meter Höhe auf dem K 1 sein können.
Er reduzierte die Geschwindigkeit, schien eins geworden zu sein mit der Steuerkonsole. Nur jetzt nichts mehr falsch machen ...
Kowalski machte alles richtig. Bis auf die Kleinigkeit vielleicht, dass er mit etwas zu viel Fahrt aufsetzte und mit dem Circulum-Raumer am jenseitigen Rand der Lichtung einige der riesigen Bäume umknickte. Was eine völlig neue Erfahrung war – für die Andorra.
Ralle Kowalski sah sich um. »Wir sind gelandet«, verkündete er laut. Niemand klatschte Beifall. »Tut euch nur keinen Zwang an«, führte er sein Selbstgespräch fort, während er merkte, dass sich sein Verstand immer mehr umnebelte. Seine Blicke glitten suchend über die Steuerkonsole, endlich sah er die Eingabetastatur des Bordrechners. Nur mit ungeheurer Willenskraft gelang es ihm, ein spezielles Programm am Hyperrechner auszuführen.
Dann hieb er mit der flachen Hand auf einen farblich besonders hervorgehobenen Knopf; das typische Jaulen des Evakuierungssignals brandete durch das ganze Schiff. Wann immer das in einem Schiff der Terranischen Flotte ertönte, bedeutet es nichts anderes als: »Rennt um eurer Leben!«
Aus allen vier Hauptschleusen stürzten die Männer ins Freie und sammelten sich in sicherer Entfernung vom Schiff. Kaum hatte der letzte das Schiff verlassen, schlossen sich die Schleusen von allein und riegelten die Andorra hermetisch gegen die Außenwelt ab.