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Sir Homer Edwards saß im Pilotensitz seiner Jacht, sog an einer würzigen Zigarre und dachte an nichts Böses. Zuweilen lächelte er still vor sich hin, wenn er an den überraschenden Gewinn dieses Abends dachte.

Er war ein Mann von fünfundvierzig Jahren, hatte ein rundliches Gesicht mit hellen intelligenten Augen und schütterem, leicht angegrauten Haar darüber. Nur mittelgroß und schon leicht korpulent, bot er den Anblick eines gutsituierten Geschäftsmannes, ein Eindruck, der durch die luxuriöse Ausstattung seines Fahrzeuges noch unterstrichen wurde.

Noch zwei Minuten bis zum Start.

Edwards streckte eben die Hand aus, um die bereits vorprogrammierte Startautomatik

einzuschalten, als von außen an die Hülle der Jacht geklopft wurde. Es war ein energisches Klopfen, und so gab Sir Homer seiner Hand eine andere Richtung und schaltete statt der Automatik die Außenbord-Sprechanlage ein.

„Ja, was gibt es denn?“

„Psychologischer Verhördienst! Öffnen Sie die Luftschleuse, damit ein Mann an Bord kommen und Ihr Fahrzeug durchsuchen kann. Ein gefährlicher Sträfling ist entflohen, und es besteht der Verdacht, dass er mit einem Raumschiff von Terra entkommen will.“

„In Ordnung!“, entgegnete Sir Homer, schaltete die Sprechanlage aus und drückte auf den Öffnungskontakt der Luftschleuse. Es gab kein Auflehnen gegen die Maßnahmen des PVD, das wusste jeder der sechs Milliarden Erdbewohner. Der PVD handelte im Namen des Großmeisters und war damit automatisch unfehlbar.

Kit Bronson atmete tief auf und warf noch einen wachsamen Blick dm die Runde. Der Raumhafen lag ruhig da, und das Dunkel über dem gewaltigen Areal wurde nur durch die Lichter vom etwa drei Meilen entfernten Kontrollturm her unterbrochen, in dessen Nähe das avisierte Handelsschiff vor Kurzem gelandet war.

Ein leises Scharren ertönte, dann öffnete sich dicht oberhalb der Landestützen das helle Rechteck einer Schleuse, und die Gangway senkte sich auf den Boden herab.

Kit atmete auf – doch im nächsten Moment drang von weither das unverkennbare Geräusch von Alarmsirenen an seine Ohren. Es kam aus der Richtung der Stadt, doch er zweifelte nicht daran, dass innerhalb kürzester Zeit auch auf dem Hafen Alarm gegeben werden würde. Rasch eilte er die Treppe empor, trat in die Schleuse und drückte sofort den darin angebrachten rot markierten Knopf, Die Gangway schob sich nach oben zusammen, doch der Flüchtling wartete nicht erst ab, bis sich das Außenschott geschlossen hatte, sondern schob sich hastig durch die Innentür.

Vor ihm lag ein kurzer Gang, der vor einem weiteren Schott endete. Es glitt automatisch zur Seite als die Fotozellen die Annäherung eines Menschen meldeten. Kit trat hindurch und hielt dem Mann in der Zentrale seinen Schocker entgegen.

„Sie sind allein im Schiff?“, forschte er und ließ seine Augen umherwandern. Sir Homer nickte eifrig.

„Jawohl, Sir, ganz allein. Ich wollte in einer Minute starten und halte mich seit einer halben Stunde im der Jacht auf. Seitdem habe ich keinen Menschen mehr gesehen.“

Die gefürchtete schwarzblaue Uniform beeindruckte ihn sichtlich, und Kits grimmiger Gesichtsausdruck mochte noch einiges dazu beitragen. Der angebliche PVD-Wächter war zufrieden.

„Sie unterstehen ab sofort meinem Befehl. Starten Sie umgehend!“

„Ich – Ich verstehe nicht, Sir“, stotterte Homer Edwards verstört.

Kit Bronson lächelte bösartig.

„Das ist auch gar nicht notwendig, Mister. Los, drücken Sie schon auf den Knopf! Ich kann es auch selbst tun, aber in diesem Fall ...“

Ein bezeichnender Wink mit dem Schocker ergänzte seine Worte, und ergeben tat Sir Homer, wie ihm geheißen wurde. Zwei Minuten lang standen sich die beiden Kontrahenten stumm gegenüber, dann begann das Triebwerk zu dröhnen, und die ERSKINE hob sich vom Boden des Raumhafens ab, um mit rasch wachsender Beschleunigung in den Nachthimmel zu schießen.

Im gleichen Moment sprach der Empfänger des Bordfunkgerätes an.

„Achtung, Raumjacht ERSKINE: Hier spricht der Psychologische Verhördienst! Sie haben Startverbot, bis wir Ihr Fahrzeug durchsucht haben. Ein entflohener Sträfling ist ...“

Mit einem raschen Griff schaltete Kit Bronson das Gerät aus, doch Homer Edwards hatte bereits begriffen.

„Die Leute waren um genau zwei Minuten zu langsam, nicht wahr? Nun, dafür haben sie jetzt auch das Nachsehen!“

Sie wurden verfolgt.

Zwar führte der Kurs der ERSKINE senkrecht aus dem Sonnensystem hinaus, doch offenbar waren bereits Polizeifahrzeuge im Raum gewesen. Sie besaßen dadurch natürlich den Vorteil ihrer bereits vorhandenen Geschwindigkeit, während die Jacht diese erst gewinnen musste. Günstig für die ERSKINE war aber, dass die anderen, um ihr folgen zu können, erst Anpassungsmanöver fliegen mussten, wodurch wiederum Zeit verlorenging.

Trotzdem machte Homer Edwards ein besorgtes Gesicht.

„Das wird ein sehr knappes Rennen“, äußerte er missmutig. „Ich hole aus der Jacht heraus, was ich kann. Aber wenn sie herankommen, ehe wir die Sprunggeschwindigkeit erreicht haben, sehe ich schwarz.“

Kit Bronson saß hinter ihm, den Schocker griffbereit auf den Knien.

„Meinen Sie, dass sie feuern werden?“, fragte er. „Schließlich wissen sie doch, dass Sie mit an Bord sind.“

Der Ältere zog eine Grimasse.

„Sie werden schießen, verlassen Sie sich darauf!“, prophezeite er. „Zwar ist die Psychopolizei nicht so schlimm wie der PVD, aber sie untersteht diesem und muss seine Befehle ausführen. Da Sie aber jetzt als ein besonders gefährliches Individuum gelten, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie diese Befehle aussehen werden.“

Er behielt Recht.

Vier Polizeikreuzer waren es, die der Jacht folgten, doch zwei von ihnen gaben das Rennen nach zwei Stunden auf. Die beiden anderen dagegen holten nach und nach auf und schoben sich immer näher an die ERSKINE heran. Als sie noch knapp hunderttausend Kilometer entfernt waren, sprach das Funkgerät an.

„Darf ich einschalten?“, erkundigte sich Sir Homer, der großen Respekt vor Kits Waffe zu haben schien. Der Flüchtling nickte.

„Selbstverständlich, dadurch erhalten wir Informationen. Es interessiert mich natürlich, was sie mit uns vorhaben.“

Wenig später knallte eine harte Stimme aus dem Lautsprecher.

„Polizeikreuzer AB 3 an Raumjacht ERSKINE: Wir fordern Sie auf, unverzüglich Ihre Fahrt zu verringern und sich zu ergeben. Falls Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, werden wir rücksichtslos das Feuer eröffnen! Melden Sie sich. Ende.“

Edwards drehte sich halb zu Kit herum. „Na, habe ich es nicht gesagt? Wie stellen Sie sich dazu?“

Kit Bronson lächelte grimmig.

„Mein Leben ist so oder so nicht viel wert, also ziehe ich es vor, den Weg zu wählen, der mir wenigstens eine kleine Chance bietet. Sagen Sie das den Herren von der Psychopolizei.“

Der Besitzer der ERSKINE kam diesem Befehl nach. Er erhielt darauf keine Antwort, und die Jagd nahm ihren Fortgang. Die Jacht war ein schnelles Schiff, doch die Motoren der Polizeikreuzer erwiesen sich als stärker. – Schließlich betrug der Abstand zu den Verfolgern nur noch zwanzigtausend Kilometer, und Sir Homer begann zu schwitzen.

„Wir schaffen es nicht mehr“, knurrte er heiser. „In fünfzehn Minuten haben sie uns. Wir brauchen aber noch zwanzig Minuten bis zum Erreichen der Sprunggeschwindigkeit.“

Kit schüttelte den Kopf.

„Sie haben uns sogar schon in zehn Minuten, denn auf zehntausend Kilometer Distanz können sie das Feuer eröffnen. Ich gebe aber trotzdem nicht auf. Wir machen eine Nottransition!“

„Sie müssen verrückt sein!“, protestierte Homer Edwards.

„Ich denke nicht daran, dieses Risiko einzugehen.“

Kit Bronson stand auf.

„Machen Sie Platz!“, kommandierte er jetzt barsch. „Ich übernehme jetzt das Steuer.“ Er hob die Schockwaffe. „Los, Beeilung bitte!“

Der andere sah Kits zu allem entschlossenes Gesicht und gab nach. Er räumte den Pilotensitz, und Kit schob sich an ihm vorbei nach vorn. Plötzlich aber stellte Edwards ihm ein Bein, Kit stolperte und fiel über den zweiten Sitz. Blitzschnell war der andere über ihm und versuchte, ihm den Schocker zu entreißen.

Der Flüchtling kämpfte um sein Leben. Edwards entwickelte erstaunliche Kräfte, doch Kit Bronson war jünger und beweglicher. Es gelang ihm, sich halb aufzurichten und die Mündung der Waffe in Richtung seines Gegners zu bringen. Ein Druck auf den Abzug, und Edwards sank in sich zusammen.

Kit hatte bei dem Sturz eine Beule am Kopf davongetragen, doch jetzt war nicht die Zeit, sich darum zu kümmern. Er hatte ohnehin schon kostbare Sekunden verloren. Rasch schwang er sich in den Pilotensitz und legte den Schocker achtlos beiseite. Von Edwards drohte ihm vorerst keine Gefahr, er würde für ungefähr zwei Stunden bewusstlos bleiben.

Ein rascher Blick auf den Bildschirm der Radaranlage belehrte ihn darüber, dass die Verfolger noch weiter aufgeholt hatten. Kit biss die Zähne zusammen, und dann flogen seine Finger über die Bedienungshebel der Sprungautomatik. Es galt jetzt, dem Transitionstriebwerk alle nur verfügbar Energie zuzuführen, um den an sich geringen Fehlbetrag an Geschwindigkeit auszugleichen.

Nach etwa zwei Minuten hatte er es geschafft, doch im gleichen Moment eröffnete der erste Polizeikreuzer das Feuer. Zwei bläulich gleißende Energiefinger schossen durch den Raum und griffen nach der ERSKINE. Einer von ihnen verfehlte die Jacht um wenige hundert Meter – der zweite aber traf!

Ein hässliches Kreischen schwang durch die Wandungen der Jacht, und die Außenbordkamera

zeigte Kit, dass die ERSKINE durch diesen Treffer eine der vier Heckflossen verloren hatte. Das war sehr ungünstig, denn dadurch hatte sie an Masse verloren, und deren Verhältnis zur Sprungenergie hatte sich verändert. Eine völlig neue Datenberechnung wäre notwendig gewesen, doch diese hätte Minuten erfordert ...

Einen Tod kann man nur sterben!, dachte Kit Bronson und hieb entschlossen auf den Hauptschalter des Transitionstriebwerks.

Nun feuerten beide Polizeifahrzeuge; doch die Stelle, an der sich eben noch die Jacht befunden hatte, war leer. Die ERSKINE war im Hyperraum verschwunden.


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