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Und nun zur Familie meines Vaters:

1640 wird das erste Mal in der Urkunde der ehrsamen Schäßburger Gerberzunft einer aus der Familie als Zunftmeister erwähnt.

1851 kommt mein Urgroßvater zur Welt und heiratet als Gerbermeister 1874 in Schäßburg meine Urgroßmutter Regine.

1881 übersiedelt er mit Kind und Kegel nach Mediasch.

Er schickt sein Personal bestehend aus einem Gerbergehilfen, einem Tagelöhner und dem Lehrburschen Fritz, der sein Stiefbruder ist, mittels eines Pferdewagens nach Mediasch. In den Wagen setzt er obendrein auch noch seine drei Kinder. Er selbst begibt sich, als Mann der Neuzeit, mitsamt seiner Frau und dem jüngsten Kind Sepp, mit dem Verkehrsmittel der Neuzeit, der Eisenbahn, an den Ort seiner neuen Tätigkeit und seiner großen Hoffnung. Zu diesem einschneidenden Schritt sieht er sich aus ganz bestimmten Gründen veranlasst. In Schäßburg nämlich kam zu dieser Zeit ein Überangebot ausgezeichneten Leders auf den Markt.

Infolgedessen mussten insbesondere die jungen Meister auf die Jahrmärkte der Umgebung reisen, um ihre Ware an den Mann zu bringen.

So hatte mein Urgroßvater geschäftliche Beziehungen mit der Nachbarstadt angeknüpft, die bald sein wichtigstes Absatzgebiet wurde. Um den Transport der Ware, die viel Geld und Zeit kostete, zu sparen, entschloss er sich zur Übersiedlung.

Ein zweiter Umstand dürfte ihm den Entschluss erleichtert haben, denn in den Jahren um 1880 war für das siebenbürgische Gewerbe die Zeit der Umstellung auf die industrielle Arbeitsmethode gekommen. Es ist immer leichter, große Wandlungen auf fremdem Boden zu vollziehen, als auf dem herkommenden vom Brauch gesättigten, der Heimat. (Zitiert aus der Niederschrift zum 60. Geburtstag meines Urgroßvaters von seinen dankbaren Angestellten)

Mein Großvater dagegen schreibt in seinem Tagebuch:

»Ich fange diese Aufzeichnung am 12. August 1900 an.

Als erster Sohn, überhaupt als ältester unter meinen Geschwistern, war ich von Anfang an bestimmt, das Gewerbe meines Vaters zu erlernen. Als ich die dritte Gymnasialklasse absolviert hatte, trat ich im Juli 1889 bei meinem lieben Vater in die Lehre, und hatte viel Freude an unserem Gewerbe der Rotgerberei.

1891 sprach mich mein lieber Vater zum Gesellen frei und so erhielt ich zwei Florenen Wochenlohn, die ich mir durch Fleiß und Pünktlichkeit stets zu verdienen trachtete.

1892 reiste ich dann als 16-Jähriger, nach einem bewegten Abschied von meiner Familie und Freunden, nach Freiburg, zum Besuch der Gerberschule, wo ich als Zweitbester die Schule absolvierte. Später sollte ich zur Einsicht kommen, dass es besser gewesen wäre, wenn ich die Schule später besucht hätte. Erstens war ich noch zu jung und zweitens existierten noch keine theoretisch und praktisch vollständig ausgebildeten Fachkräfte für unseren Unterricht.

Nach der Schule sollte ich zwei Jahre lang meine Kenntnisse in verschiedenen großen Fabriken vervollständigen, was mir nicht möglich war, denn nach einem Jahr wurde ich nach Hause gerufen, da mein lieber Vater, infolge Überanstrengung und starker Nervosität, an Schlaflosigkeit litt.

Ich übernahm, mit dem Bruder meines Vaters, Fritz-Onkel, die Führung der Fabrik, die von Herrn Schuller sehr unordentlich hinterlassen worden war. Doch trotz Fleiß und Pünktlichkeit konnten wir unser Ziel, der Besserung, nicht erreichen und so waren wir oft niedergeschlagen.

Mit 21 Jahren musste ich zu den Soldaten einrücken. Da mein lieber Vater jedoch sehr leidend und nervös war, gelang es uns mit großer Mühe, mich freizumachen.

Die Jahre verstrichen und Fritz musste wegen einer Ungehörigkeit seiner Frau die Fabrik verlassen.

1897 lernte ich ein liebes Mädchen näher kennen, dessen Lebensart und Persönlichkeit auf mich einen tiefen Eindruck machten. Sie ist mir von Gott zur Frau bestimmt gewesen.

Ich bin über zwei Jahre unentwegt zu ihr ins ›Kränzchen‹ gegangen und meine Zuneigung ist stets eine innigere und tiefere geworden, so dass ich ihr am Marientag 1899, nach vorheriger reiflicher Überlegung und Billigung meiner lieben Eltern sagte, wie lieb ich sie hätte und fragte, ob sie die meine werden wolle. Meine innige und aufrichtige Liebe wurde ebenso innig und aufrichtig erwidert und so besiegelten wir unseren Herzensbund durch einen Kuss. Es folgten schöne Zeiten, in denen wir uns zugetan waren und auch unsere Lebensanschauungen stimmten fast immer überein. Zu Pfingsten freite ich offiziell und am 5. Juni war unsere Verlobung. 1900 war unsere Hochzeit, die wir draußen im Bustertal feierten und deren Verlauf für alle Teilnehmer eine sehr gemütliche war. Anschließend richteten wir uns im Gartenhaus ein trautes und gemütliches Heim ein und verlebten frohe Flitterwochen, die in unserem Herzen bis heute noch nicht aufgehört haben.

Nun will ich kurz mein jetziges Erwerbsverhältnis beschreiben. Als ich heiratete, versprach mir der liebe Vater vorläufig einen Jahreslohn von 1000 Florinen sowie freie Wohnung, und sobald es sich tun ließe, sollte ich auch einen Anteil am Geschäft erhalten.

Die lieben Eltern hatten das Projekt im Auge, dass mein Schwager Karl das Geschäft übernähme und ihnen eine Pacht zahlen sollte.

Jini, Karls Frau jedoch, war zur Erholung inzwischen hier und so gestaltete sich das Verhältnis zwischen ihr und den lieben Eltern, in den wenigen Tagen ihres Hierseins, zu einem überaus gespannten, so dass wir alle einsahen, daraus würde nichts Gutes entspringen und gaben das Projekt auf.

7. April 1901

Wir haben in dieser Zeit Schweres überstanden. Am 11. Januar gebar Mitzi, nach ungeheuren Schmerzen und unter Beihilfe von drei Ärzten, in der Narkose, einen sonst gesunden Knaben, der nach der Geburt starb. Er wurde sofort in das Grab seines seligen Großvaters Schuster gelegt.

Die Erde werde ihm leicht!

30. April 1902

Unser innigster Wunsch hat sich erfüllt, denn am 7. Januar wurde uns ein gesundes Mädchen geboren. Wir danken Gott aus tiefster Seele und bitten ihn inbrünstig, er möge es uns gesund erhalten.

Da der Gesundheitszustand der lieben Eltern sich nicht gebessert hatte, entschlossen sie sich, mir und Mitzi, die Fabrik und das Geschäft in Pacht zu übertragen.

Wir inventarisierten Mitte September 1902. Die Pacht beträgt 6% vom ganzen Besitz und soll vierteljährlich, im Nachhinein, gezahlt werden. Um die Übernahme möglich zu machen, kam meine liebe Schwiegermutter zu uns, um den Haushalt zu führen. Mitzi führt nun das Geschäft und ich die Gerberei und Korrespondenz.

25. März 1905

Es ist schon lange her, dass ich keine Aufzeichnungen machte. Trotzdem ich es mir monatlich vorgenommen hatte. Es hat uns in der vergangenen Zeit einen so tiefen Schmerz zugefügt, dass ich bis heute noch nicht in Stimmung war, die Aufzeichnung aufzunehmen.

Am 25. März 1904, nachts gegen 12 Uhr, hat Gott unsere so unendlich geliebte Medy zu sich genommen. Sie erlag, mit ihrem zarten Körper, als wir schon glaubten sie sei uns gerettet, den tückischen Folgen des Scharlachs.

Endlich verharschte auch diese Wunde und Gott sandte uns Linderung und Trost, indem er uns ein kleines Mädchen schenkte.« (Aus dem Tagebuch meines Großvaters)

Das erste lebende Kind aus dieser Familie wurde meine T-Tante und sollte später einen Lehrer aus der deutschen Schule heiraten, in dessen Klasse ihr kleiner Bruder ging. Daher musste mein Väterchen als »Postillon d’Amour« die Liebesbriefe zwischen seinem Lehrer und seiner Schwester tätigen.

Es kam zur Hochzeit, und auf Anraten meiner Großeltern kündigte der Schwiegersohn seine Stellung und lebte fortan von der Apanage, die mein Großvater seiner ersten Tochter überließ. Danach widmete sich O-onkel der Schriftstellerei und der Erziehung seiner fünf Kinder. Seine Erziehung muss auch fabelhaft gewesen sein, denn einer davon wurde Atomphysiker in Frankreich, der nächste Ingenieur, der in Südamerika Staudämme baute, und der dritte ein Holzfachmann, der die Waldbestände Rumäniens dezimierte.

1905 erblickte meine zweite Tante väterlicherseits das Licht der Welt. Sie wurde eine kapriziöse, hübsche Person, die sich mit 17 Jahren in den stadtbekannten Playboy verliebte. Dieser musste, vor der Verlobung, meinem Großvater in die Hand versprechen, seinen Lebenswandel zu ändern. Drei Tage nach der Verlobung fing er jedoch mit seinem Lotterleben wieder an, indem er mit seinem Pferd durchs Fenster der Gaststätte »Zur Traube« ritt, damit das arme Pferd auch Bier zu trinken bekam. Die Verlobung wurde daraufhin gelöst.

Im Urlaub, auf Abbazia, beim Tarockspiel, stellten mein Großvater und sein Freund aus Wien fest, dass sie beide Kinder im heiratsfähigen Alter besäßen. Man machte diese miteinander bekannt, sie fanden Gefallen aneinander, heirateten und so zog diese meine Tante nach Wien. Dort lebten sie in Hietzing, wo sie die Schwiegermutter auf eine großstädtische Dame trimmte, wovon sie einige ihrer Spleens für immer behalten sollte. Das Paar lebte fröhlich mit Bugatti, Motorrad, Ferien am Wörthersee, eigenem Haus und Personal zusammen und zeugte zwei Kinder. Die Ehe ging nicht gut, und als meine Tante im Urlaub an der Adria einen Advokaten und kroatischen Abgeordneten kennenlernte, trennte sich das Paar.

Ihre nächste Adresse sollte ein Hotel in Belgrad werden. Danach ließ sie sich mit ihrem Advokaten in Crikvenica nieder. Beide bauten ein Haus, füllten es wieder mit Personal, zeugten das dritte Kind und holten die zwei größeren Kinder aus Wien zu sich.

Als im Zweiten Weltkrieg die Faschisten ihre guten Freunde an Straßenlaternen erhängten, siedelte die Familie nach Zagreb um. Dort hatten die Ustatta und die Deutschen das Sagen. Bei einem Empfang teilte ihr ein deutscher Bonze mit, dass sie mit der Heirat eines Slawen Rassenschande begangen habe, und als nach Kriegsende das Leben unter den Partisanen schwierig wurde, ihr Mann in den Kriegswirren verschollen blieb, und sie als Bauarbeiterin für die Autobahn Zagreb–Beograd eingeteilt wurde, entschloss sie sich, mit ihren drei Kindern zu ihrer Familie nach Siebenbürgen zu fliehen. Dort war die Sippe bereits im Aufbruch, um Rumänien zu verlassen. Da verbrachte sie viel Zeit in Bukarest, wo sie die Botschafter zu charmieren versuchte, bis sie die notwendigen Papiere besaß und der Gesamtsippe ins Exil folgte.

1908 kam das dritte überlebende Kind meiner Großeltern zur Welt. Es wurde der ältere Bruder meines Tatas, mit dem er sein Leben lang am engsten verbunden sein sollte. Ein verschlossener, schwerblütiger Mensch, der sich neben meinem leichtlebigen Väterchen immer schwertun sollte. 1911 kam dann mein Tata zur Welt und nach ihm, viele Jahre später, das Nesthäkchen, ein nicht geplanter Nachkömmling, der wie ein Einzelkind verwöhnt und etwas lebensfremd aufwachsen sollte.

Tata

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