Читать книгу La Oculta - Héctor Abad - Страница 16
Antonio
ОглавлениеDie neuen Besitzer dieser Bergregion im Südwesten Antioquias wussten nicht recht, was sie damit anfangen sollten. Ihre Suche nach Bodenschätzen oder Salinen blieb erfolglos, weder Gold noch Silber noch Salz noch Kohle schien in nennenswerten Mengen vorhanden zu sein. Auch wertvollere Indioschätze waren nirgendwo zu finden, alles, was in den von ihnen aufgespürten Gräbern zu entdecken war, waren Schalen und Töpfe aus gebranntem Lehm, aber keinerlei Gegenstände aus Metall, bis auf die eine oder andere kleine verrostete Götterfigur. Vereinzelte Grabräuber, die schon früher hier unterwegs gewesen waren, hatten offenbar noch hier und da ein Stück Tumbago gefunden, dieses aber zweifellos umgehend eingeschmolzen, um an den eher geringen Goldanteil dieser Kupferlegierung zu gelangen. Die Keramikgegenstände und Götterfiguren aus Ton wiederum hatten nichts von der geheimnisvollen Schönheit vergleichbarer Objekte anderer einheimischer Kulturen, davon abgesehen, dass zu jener Zeit kaum jemand den Wert dieser Dinge zu schätzen wusste, im Gegenteil, niemand fand etwas dabei, die Grabstätten der Urbevölkerung rücksichtslos auszuplündern. Ja, oft genug wurde alles, was es dort gab, bewusst zerstört, als handelte es sich um Hinterlassenschaften des Teufels, deren Fluch gerade diejenigen, die sich an ihnen vergingen, keinesfalls auf sich ziehen wollten. Besonders gefürchtet waren die Götterfiguren, deren eigentliche Aufgabe es war, über die ewige Ruhe der neben ihren bescheidenen Schätzen Bestatteten zu wachen. Manchmal stieß man auch auf geheimnisvolle Inschriften an Felswänden, die Zeugnis von einer Intelligenz ablegten, die von den Weißen ausgelöscht worden war, bevor Sonne, Regen und Wind sich daranmachten, auch diese letzten Spuren zu tilgen.
Auch das Holz dieser Berge war vorläufig wertlos, gab es doch keinerlei Wege, um gefällte Bäume abzutransportieren, und Wege anzulegen war in dem abschüssigen und dicht bewachsenen Gelände äußerst schwierig. Dazu kam, dass es regelmäßig heftige Regengüsse gab, die die wilden Flüsse voller Felsen anschwellen ließen und erst recht unschiffbar machten. Von alldem abgesehen waren die neuen Herren dieser Bergwälder jedoch vor allem Kaufleute und besaßen wenig bis keine Erfahrung in Land- oder Forstwirtschaft, was nicht besser dadurch wurde, dass in dieser menschenleeren Einsamkeit nirgendwo Knechte oder Baumfäller aufzutreiben waren, die sie hätten in Dienst nehmen können.
Die Leute aus Medellín, die sich zuvor über die Kriegsanleihen und wertlosen Papiere der Herren Echeverri und Santamaría lustig gemacht hatten, amüsierten sich nun nicht weniger über die zu nichts zu gebrauchenden Ländereien der beiden. Ohne Leute, die bereit waren, ordentlich zuzupacken, war es unmöglich, hier irgendetwas anzufangen, und in Medellín – dessen Bewohner sich damals bereits für richtige Großstädter hielten, auch wenn ihre Stadt ein elendes Kaff war – jemanden zu finden, der bereit war, in einem unwirtlichen Urwald sein Glück zu versuchen, war nicht einfach. Statt zu Hacke und Machete, Schaufel und Spaten zu greifen, zogen die Bürger der selbsternannten Metropole es vor, dazusitzen und zuzusehen, wie die Zeit verstreicht.
Als die beiden alten Kaufleute starben, ohne auch nur den geringsten Nutzen aus dem empfangenen Land gezogen zu haben, hatten ihre Nachfolger jedoch bereits einen Plan erdacht, der allerdings in mancher Hinsicht an einen Traum erinnerte. Schon oft hatten sie zu Pferde oder auf dem Rücken eines Maultiers Teile ihrer Besitztümer erkundet. An mehreren Stellen hatten sie Pferdekoppeln und dazu eine Art Weg den Berg hinauf angelegt. Der grenzenlosen Schönheit dieses Landstrichs waren sie sich sehr wohl bewusst, wie sie auch imstande waren, die Möglichkeiten zu erkennen, die in ihm steckten. Wenn das leere Land bevölkert werden sollte, galt es zuallererst, junge Siedler anzulocken. Die Bevölkerung von Antioquia vermehrte sich tüchtig, nicht selten anzutreffen waren Familien mit zwölf, fünfzehn, achtzehn Kindern, die wenig mehr als Bohnen, Reis, Maisfladen, Zuckerwasser, Eier und ab und zu ein Stück Speck zu essen hatten. Als diese jungen Leute geboren wurden, war Kolumbien jedoch bereits eine Republik, weshalb sie weder Untertanen noch Knechte sein wollten. Wenn sie ihr Leben in einer der kleinen Städte aufgaben, dann weil sie es zu einem eigenen Stück Land bringen wollten. Die Sklaven waren noch nicht freigelassen worden, aber ihre Kinder würde man nicht mehr versklaven dürfen. Zudem war bereits die Rede davon, dass man die Sklaverei vielleicht schon bald ganz aufheben werde.