Читать книгу La Oculta - Héctor Abad - Страница 18

Antonio

Оглавление

Einem Ingenieur mit Namen Pedro Pablo Echeverri, genannt der Hinkefuß und ein Sohn von Gabriel Echeverri, der damals dabei war, im Südosten mehrere Dörfer zu gründen, gelang es schließlich, den Urgroßvater meines Großvaters zu überreden, sich am anderen Ufer des Río Cauca niederzulassen. Dieser Vorfahre von uns hieß Isaías Ángel, war 1840 in El Retiro geboren und stand im Verdacht, seine Religion je nach Bedarf zu wechseln, also bald dem Judaismus und bald dem Christentum zu huldigen.

Als Hinkefuß Echeverri auf der Suche nach Leuten, die bereit waren, sich in den menschenleeren Ländereien seiner Familie anzusiedeln, durch El Retiro kam, war Isaías gerade einmal einundzwanzig Jahre alt und frisch verheiratet mit Raquel Abadi, Tochter des örtlichen Schusters. Als Raquel nach der Geburt von Elías Ángel Abad als dessen Mutter ins älteste Geburten- und Taufregister von Jericó eingetragen wurde, verlor ihr Nachname, vermutlich durch ein Versehen des Schreibers – vielleicht war es auch geheime Absicht des Priesters –, das I am Ende. Als sie Elías zur Welt brachte, war sie siebzehn Jahre alt.

Echeverris Angebot war unerhört, im Grunde genommen jedoch ganz einfach: Die beiden Gründerfamilien überließen den Neuansiedlern einen Teil ihres riesigen Landbesitzes als Eigentum, und im Gegenzug mussten diese sich dort niederlassen und an mehreren Tagen im Monat dabei helfen, den Wald zu roden und Wege anzulegen. An den teils recht steilen Hängen gab es reichlich gutes Wasser und fruchtbare Erde vulkanischen Ursprungs, so dass, wer auch immer sich hier die Mühe machte, das Unterholz zu lichten und die Äcker von Steinen zu befreien, mit guten Ernten und einem reichen Viehbestand rechnen konnte.


Hinkefuß Echeverri hielt in den Dörfern Antioquias vor allem nach tatkräftigen jungen Familien ohne viel Besitz Ausschau, die im Leben weiterkommen wollten und sich deshalb an einem Unternehmen wie diesem beteiligen würden, das weniger begeisterungsfähigen Menschen als kollektiver Wahn, wenn nicht als groß angelegter Betrug erschien. »So viel Gutes auf einmal wird einem auf Erden kaum je zuteil«, lautete einer der Kommentare der Leute, die der Sache nicht trauten. Hinkefuß Echeverri war ein großer, magerer und ein wenig ungelenker Mann und dazu nicht besonders ansehnlich. Außerdem schielte er leicht und hatte ungleich lange Beine, das Ergebnis einer schlecht verheilten Bruchverletzung, die er sich einst beim Sturz von einem Pferd zugezogen hatte. Wie zum Ausgleich war er jedoch ein begnadeter Redner.

»Sie sicherlich nicht, Isaías, aber wer sagt denn, dass die Kinder Ihrer Kinder, oder die Kinder der Kinder Ihrer Kinder dank dieser Anstrengung nicht eines Tages die Universität werden besuchen können?«, verkündete Hinkefuß dem jungen Isaías Ángel, der ein Mann mit klaren Gesichtszügen, breiter Stirn und freundlichem Lächeln war.

»Wenn jede Familie«, fuhr Echeverri fort, »und das ist keineswegs eine völlig verstiegene Vorstellung, solange alle sich ordentlich von den Bohnen, Eiern, der Milch und dem Mais ernähren, den ihr Stück Land hervorbringt, wenn jede Familie also im Durchschnitt zehn Kinder hat, wird diese Gegend in zwanzig Jahren ausreichend bevölkert sein, um ein kleines Paradies auf Erden zu errichten. Und wenn ich ans Ende unseres Jahrhunderts denke, sehe ich bereits einen Geografen vor mir, der über die Siedler im Südwesten schreibt, dass sie das Schauspiel einer freien Gesellschaft zufriedener und glücklicher Landbesitzer bieten.«


Isaías Ángel wusste, dass Raquel – die von ihrem Onkel als Mitgift eine ansehnliche Summe Geld erhalten hatte – mehr vorschwebte, als für andere Menschen Töpfe zu scheuern, den Hof zu fegen und Wäsche zu waschen, und auch er war begeistert von der Aussicht, sein eigener Herr zu sein. Deshalb hörte er Echeverri mit leuchtenden Augen zu und konnte es kaum erwarten, zu Raquel zu eilen und ihr zu sagen, sie solle von ihren Eltern Abschied nehmen, sich von ihnen segnen lassen und mit ihm so viel zusammenpacken, wie drei ausgewachsene Pferde tragen können.

La Oculta

Подняться наверх