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Eva

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Meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, so dass ich mich einigermaßen zurechtfand. Ich war bereits auf dem steilen Fahrweg hinauf zur Finca Casablanca. Der Weg bestand genau genommen aus zwei Zementstreifen, zwischen denen Gras und Kräuter wuchsen. Manchmal ging ich auf dem Zement, der rau an den Fußsohlen, aber frei von Dornen war, dann wieder kehrte ich in die bewachsene Mitte zurück. Sobald ich mich kräftig genug fühlte, rannte ich eine Weile. Dann verlangsamte ich das Tempo, um Luft zu holen, und immer wieder blickte ich hinter mich.

Als ich in die Schotterpiste einbog, die zur Finca meiner Vettern führt, fingen die Hunde an zu bellen und kamen angelaufen. Als sie mich erkannten, hörten sie auf zu bellen, wedelten mit den Schwänzen, schnupperten an meinen Händen und leckten an meinen feuchten Beinen. Mit Hunden habe ich mich schon immer gut verstanden. Irgendwann erreichte ich das Haus von Rubiel, dem Verwalter, und hämmerte an die Tür.

»Machen Sie auf, Rubiel, schnell, machen Sie auf! Ich bin’s, Eva, von La Oculta. Aufmachen, Rubiel, machen Sie auf! Man will mich umbringen, Rubiel, machen Sie die Tür auf!«

Rubiels Frau Sor machte schließlich auf. Sie sah mich erschrocken an. Wach war sie schon seit einer Weile – sie hatten die Schüsse gehört. Ich ging schnell hinein und schloss sofort die Tür hinter mir, als wollte ich ein Ungeheuer abschütteln, das mich verfolgte, ein Gespenst. Drinnen ließ ich mich, unfähig zu sprechen, auf dem Boden nieder. Sor brachte mir ein Handtuch, damit ich mich abtrocknen konnte, und trockene Kleidung von Martis, einer meiner Kusinen. Dann machte sie mir eine Tasse Zuckerwasser warm und gab mir auch noch ein Paar Strumpfhosen für meine schmerzenden, blutverkrusteten Beine. Als ich endlich sprechen konnte, erzählte ich überstürzt, was passiert war, woraufhin Rubiel leise sagte, ich solle besser wieder gehen. Die Leute könnten jeden Moment auftauchen und nach mir fragen, und sie würden uns alle umbringen, wenn sie merkten, dass sie mich versteckten. Ich nickte und zog mir ein Paar Turnschuhe von meiner Kusine an, die Sor ebenfalls gebracht hatte. Dann bat ich Rubiel, mir ein Pferd zu leihen. Ich würde es irgendwo in einem Dorf zurücklassen, in Jericó, Támesis oder Palermo.


Rubiel griff nach einer Taschenlampe, und wir gingen zum Stall, wo wir zusammen eine schwarze Stute sattelten. Sie hieß Noche. Rubiel sagte flüsternd, wenn die Typen kämen, würde er ihnen natürlich nicht sagen, dass ich hier gewesen war. Während wir in nahezu völliger Dunkelheit und so leise wie möglich die letzten Handgriffe ausführten, glaubten wir mehrmals, in der Ferne Motorengeräusche zu hören.

»Keine Sorge, ich lass Noche bei jemandem, dem Sie vertrauen können, Rubiel«, sagte ich, als ich schließlich aufs Pferd stieg. »Auf Wiedersehen, und vielen Dank!«

»Nehmen Sie die Taschenlampe mit, Doña Eva«, erwiderte Rubiel, »aber machen Sie sie nur an, wenn es unbedingt nötig ist.« Ich steckte die Lampe ein und trabte zum Fahrweg hinunter.

La Oculta

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