Читать книгу das Fahrrad der ewigen Stille - hedda fischer - Страница 25
Оглавление17 – Benjamin
Er hat sich mit einem Mädchen verabredet ! Das erste Mal !
Sie arbeitete in dem Friseursalon seiner Tante. Er war dort gewesen, weil Tante Laura ihm gesagt hatte, dass gegenüber in dem Eisenwarenladen immer Leute gesucht würden und da könnte er doch mal nachfragen. Wahrscheinlich passte es ihnen doch nicht, dass er keiner geregelten Arbeit nachging, nicht so spießermäßig jeden Morgen aus dem Haus trabte, sondern gemütlich im Bett liegen blieb und sich noch einmal umdrehte, wenn sich die anderen schon vor Tau und Tag auf den Weg machten.
Daher war er mitgegangen, hatte sich den Salon angesehen und war danach zu Sommermeyer hinüber gegangen. An der Tür hing ein Zettel, dass sie eine Hilfskraft für das Lager suchten. Arbeit dieser Art kannte er ja schon. Er wurde zum Chef, einem Herrn Grützke, geführt, der in einem kleinen vollgestopften Büro hockte. Rundum Regale voller Ordner, Kataloge auf den Stühlen, Angebots- und Preislisten stapelweise auf dem Schreibtisch. Es sah chaotisch aus, aber vielleicht fand er sich nur so zurecht.
»Setzen Sie sich«, sagte der.
Benjamin sah sich nach einem freien Platz um, es gab keinen, da nahm er den kleinsten Stapel Kataloge von einem Stuhl, wusste nicht, wohin damit, setzte sich und behielt das etwas staubige Zeug auf den Knien.
»Ich komme wegen des Aushangs«, sagte er, »der Lagerarbeit.«
»Schon mal gemacht ?«, wurde gefragt.
»Ja«, sagte er, stolz, schon etwas vorweisen zu können. »Bei Krüger am Hafen.«
Der Chef stellte keine weiteren Fragen. Also mussten sie dringend jemanden benötigen.
»Gut«, sagte der und wühlte auf dem Schreibtisch herum, »wann können Sie anfangen ?«
»Übermorgen«, sagte er schnell, weil er noch einen freien Tag haben wollte.
»In Ordnung«, sagte Grützke.
Inzwischen hatte der einen leeren Block gefunden und notierte sich seine Angaben, Name und Adresse und so.
Dann ging er wieder in den Friseursalon. Seine Tante beriet eine Kundin, und eins der Mädchen bot ihm Kaffee an. Er trank das reichlich bittere Gebräu und fragte, wann ihre Arbeitszeit beendet wäre. Er wusste gar nicht, wo er den Mut dazu hernahm.
»Um fünf«, sagte sie leise.
Er wandte sich Tante Laura zu, berichtete kurz und verzog sich. Ganz cool. Ohne dem Mädchen noch einmal zuzunicken.
Nachmittags fuhr er wieder zur Leonorenstraße, kam aber von der anderen Seite, damit er nicht an dem Salon vorbeifahren musste und Tante Laura ihn eventuell gesehen hätte. Vom Grazer Damm hatte er es nicht weit, zehn Minuten mit dem Fahrrad. Er schloss sein Rad in einer Seitenstraße an und stellte sich vor die Apotheke. Besah sich das Schaufenster. Außer Aspirin-Reklame, Wärmepflastern und gesunden Körperölen gab es nicht viel zu sehen. Alte Leute gingen hinein und kamen wieder heraus. Er sah die Apotheker sprechen, konnte sie aber nicht hören. Sah aus wie bei Fischen im Aquarium. Mund auf. Mund zu. Er grinste.
Auf einmal stieß ihn jemand an. Das Mädchen.
»Hallo«, sagte sie. »Ich heiße Marion.«
»Benjamin«, sagte er. Und wenn sie jetzt gelacht hätte, wäre er sofort gegangen.
Doch sie lächelte.
»Wollen wir in ein Café gehen ?«
Er nickte, fand keine Worte. Sie schlängelten sich zwischen den Autos hindurch auf die andere Straßenseite. Schweigend. Das Café lag nur etwa zwanzig Meter von der Kreuzung entfernt, hieß „Teekanne“ oder so ähnlich, und drinnen saßen nur alte Leute, so ab vierzig aufwärts. Aber Marion sagte, ein anderes gäbe es momentan in dieser Gegend gar nicht. Es bliebe nur eine der Bäckereien, aber die waren um diese Zeit voller Leute, eng und laut und unangenehm.
Er holte zwei Tassen Kaffee von der Theke, wobei er sich ungeschickt anstellte und Kaffee auf die Untertassen schwappen ließ.
Wie auch immer, sie saßen und redeten. Was sie so machte, was er so machte … Er rührte in dem Getränk, das er ohnehin nicht mochte, aber er wusste nicht, wie er das erklären sollte, weil er ja nun mal zwei Tassen gekauft hatte. Vermutlich hätte sie ihn dann gefragt, warum er nicht etwas anderes genommen hätte, und er hätte nicht gewusst, was er dann sagen sollte. Sollte er sagen, dass er aufgeregt gewesen war ? Dabei hatte er versucht, sich cool zu geben. Da konnte er doch nicht sagen, dass er aufgeregt gewesen war.
Er betrachtete sie unauffällig. Sie hatte blonde, halblange Haare und braune Augen, war ein wenig pummelig ( was ihm gut gefiel ) und redete ganz offen. Lachte. Sie verabredeten sich zu einem Kinobesuch. Er sagte großzügig, sie solle den Film aussuchen. Er hätte ohnehin nicht gewusst, welchen.