Читать книгу Tödlicher Nebenjob - Heidi Oehlmann - Страница 13
Sonntag, 02.10.16, 07:49 Uhr
ОглавлениеAmelie wachte mit heftigen Kopfschmerzen auf. Der Abend hatte seine Spuren hinterlassen.
Nach dem Essen verschwanden Armins Geschäftspartner, aber er wollte sie noch nicht gehen lassen. Wieder musste sie mit ihm um die Häuser ziehen. Auch dieses Mal trank er mehr, als er vertragen konnte. Er war zwar nicht ganz so betrunken, wie beim ersten Mal. Für Amelie war es dennoch zu viel.
In der Bar, in der sie zuletzt eingekehrt waren, versuchte Armin, ihr näherzukommen. Erst dachte sie, sie würde es sich einbilden, aber als seine Hand mehrmals auf ihren Knien landete, war sie sich sicher.
Es kostete sie eine Menge Kraft, ihn auf Abstand zu halten. Gleichzeitig sprach er von weiteren Treffen. Amelie traute sich nicht, ihm zu sagen, dass sie nie wieder für ihn arbeiten wollte. Ihre Angst, er könnte ausrasten, war zu groß. Also machte sie gute Miene zum bösen Spiel und stimmte ihm zu. Dadurch fühlte er sich bestätigt und baggerte sie immer weiter an.
Für Amelie war der Abend unerträglich. Sie war heilfroh, als sie mitten in der Nacht nach Hause kam und sich den Ekel abduschen konnte. Es dauert lange, bis sie sich beruhigt hatte und in den Schlaf fiel.
Langsam erhob sie sich aus ihrem Bett und lief in die Küche. Sie brauchte unbedingt eine Kopfschmerztablette, um in den Tag zu starten. Bei dem Gedanken, sich an diesem Abend wieder mit einem Mann zu treffen, wurde ihr schlecht. Sie konnte nur hoffen, der neue Kunde war anders als Armin und würde sich nicht so volllaufen lassen.
Das Läuten des Telefons sorgte für ein stärkeres Pochen in Amelies Kopf. Sie fragte sich, wer sie um diese Uhrzeit schon anrief. Gleichzeitig gab sie sich selbst die Antwort. Es konnte nur Rike sein, die wegen Joshua zeitig aufstand.
Amelie rannte in ihr Wohnzimmer und griff nach dem Hörer. »Ja.«
»Hi, ich bin es, Rike. Ich wollte nur mal horchen, wie dein Abend gelaufen ist.«
»Boah, frag lieber nicht. Es war der absolute Albtraum.«
»Was ist passiert?«
»Erst musste ich Ehefrau spielen und mich dann von dem Typen begrapschen lassen. Der hat sich wieder die Kante gegeben.«
»Echt? Wenn es so schlimm war, solltest du vielleicht Stella davon berichten. Dann wird er nicht mehr an dich oder an eins der anderen Mädchen vermittelt.«
»Meinst du?«
»Klar?«
»Ich werde darüber nachdenken.«
»Mach das!«
»Und wie war es bei dir?«
»Wie immer. Ich war wieder mit einem Stammkunden unterwegs.«
»Aha. Das hört sich nicht so schlimm an.«
»War es auch nicht. Ich muss zugeben, es macht sogar Spaß mit ihm.«
»Hast du … Ich meine, warst du mit ihm im Bett?«
»Kann sein, kann nicht sein«, antwortete Rike und lachte.
»Also ja«, sagte Amelie nachdenklich. »Hast du dich etwa verliebt?«
»Kein Kommentar.«
»Hm, das klingt nach einem Ja.«
»Mensch Amelie, sag das bloß nicht zu laut! Ich habe das nicht geplant.«
»Das ist doch nicht schlimm. Wenigstens hast du mal Glück.«
Insgeheim beneidete sie ihre Freundin. Bei Rike lief alles so gut. Klar, sie hatte ein Kind von einem Mann, den sie nicht kannte. Ihre Furcht davor, Joshua eines Tages erzählen zu müssen, dass er bei einem One-Night-Stand entstanden war, wuchs mit jedem Jahr. In der Hinsicht wollte Amelie nicht mit ihr tauschen. Überhaupt konnte sie sich nicht vorstellen, Mutter zu sein. Dafür hatte Rike keine finanziellen Sorgen, sie musste für keinen ihrer Ex-Partner irgendwelche Schulden begleichen. Ihre Escortkunden schienen unproblematisch zu sein und nun hatte sie sich auch noch verliebt.
Amelie wollte sich auch mal wieder so richtig verlieben. Sie wollte weiche Knie und Schmetterlinge im Bauch spüren. Viele Möglichkeiten, um Männer kennenzulernen, blieben ihr nicht. Im Supermarkt traf sie täglich auf das andere Geschlecht, aber unter den Kunden schaute sie sich nie nach dem Mann fürs Leben um. Sander hätte dies auch nicht gebilligt. Er würde ihr die nächste Abmahnung verpassen. In ihrer Freizeit traf sie kaum auf Männer, wenn man von dem Postboten und den Ärzten, die sie von Zeit zu Zeit aufsuchte, absah.
»Glück kommt und geht. Das solltest du doch wissen!«
»Ja«, seufzte Amelie und dachte an die Beziehung mit Erik zurück.
Erst fing alles so romantisch an. Er wollte ihr die Welt zu Füßen legen und erfüllte ihr nahezu jeden Wunsch. Irgendwann hörte es einfach auf und sie erkannte, was für ein Mensch er war.
»Du wirst dich bestimmt auch wieder verlieben«, versuchte Rike zu trösten.
Amelie vernahm ihre Stimme in weiter Ferne. Sie stellte sich vor, an diesem Abend dem Mann fürs Leben zu begegnen. In ihrer Fantasie malte sie sich jede Einzelheit aus und vergaß dabei das Telefonat mit ihrer Freundin.
»Amelie? Bist du noch da? Hallo?«
»Ähm, ja, ich bin noch da.«
»Was war denn los?«
»Nichts!«, flunkerte Amelie. »Sei mir nicht böse, aber ich würde jetzt gerne duschen gehen. Wir können ja später noch mal telefonieren.«
»Kein Problem. Ich will auch gleich mit Joshua raus gehen. Dann bis später!«
»Ja«, antwortete Amelie und legte auf. Ihre Gedanken kehrten zurück zu ihrem Wunschdate. Dabei vergaß sie, dass sie eigentlich ins Badezimmer gehen wollte.