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Donnerstag, 08.09.16, 17:41 Uhr

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»Das können Sie nicht machen! Sie haben kein Recht in meinen Sachen zu wühlen!«, versuchte Amelie den Gerichtsvollzieher von der Arbeit abzuhalten. Ihre Bemühungen blieben vergebens. Herr Maier waltete seines Amtes und schaute in jeden Schrank. Selbst vor der Unterwäscheschublade machte er keinen Halt. Ihr war es sichtlich peinlich, als er in ihren BHs wühlte.

»Warum tun Sie das? Ich habe doch gesagt, dass ich nichts Wertvolles besitze. Wenn Sie Geld wollen, müssen Sie sich an Erik, dieses Schwein, wenden!«

Maier ignorierte sie. Er ging an ihr vorbei und verließ das Schlafzimmer, um sich als Nächstes die Küche anzusehen.

Amelie folgte ihm. Sie ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. »Hören Sie jetzt auf! Erik hat das Geld, nicht ich!«

»Amelie, lass gut sein!«, mischte sich Rike ein, die das Treiben verfolgte. »Es bringt nichts!«

»Ich weiß!«, seufzte Amelie. »Wie konnte ich nur so dumm sein und für Eriks blöden Traum bürgen? Es war doch klar, dass seine Spinnerei, einen eigenen Laden aufzumachen, in die Hose geht!«

»Hinterher ist man immer schlauer«, versuchte Rike Trost zu spenden.

Amelie antwortete nicht. Sie schaute Maier auf die Finger und hoffte, der Spuk würde schnell zu Ende gehen.

Nachdem der Gerichtsvollzieher den letzten Schrank durchgesehen hatte, drehte er sich zu ihr und sagte: »Sie scheinen wirklich keine Wertgegenstände zu besitzen.«

»Das habe ich doch gesagt.«

»Ja, das haben Sie. Trotzdem muss ich das kontrollieren! Sie könnten mir ja sonst was erzählen«, rechtfertigte sich Maier. »Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie hören auf, sich gegen eine Ratenzahlung zu sträuben oder Sie geben die Eidesstattliche Versicherung ab. Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Ich kann Ihnen nur raten, die erste Variante zu wählen.«

»Aha. Warum soll ich Geld zurückzahlen, was ich niemals hatte? Würden Sie das tun? Erik, mein Exfreund, hat die Kohle verjubelt, nicht ich! Warum sollte ich jetzt die Fünfunddreißigtausend Euro für ihn abzahlen?«

»Frau Sturm, das habe ich Ihnen doch schon erklärt. Sie haben für Erik Meisner gebürgt. Da Herr Meisner nicht auffindbar ist, müssen Sie den Kredit zurückzahlen.«

»Woher soll ich das Geld denn nehmen? Was glauben Sie, was ich als Verkäuferin verdiene? Nach Abzug aller meiner Kosten bleibt mir kaum noch etwas übrig.«

»Das mag ja sein. Wenn Sie aber keinen guten Willen zeigen und sich nicht auf die Ratenzahlung einlassen, bleibt Ihnen nur die Eidesstattliche Versicherung.«

»Von welcher Ratenhöhe reden wir hier?«

»Bei einer Größenordnung von fünfunddreißigtausend Euro Schulden sollten Sie mindestens zweihundert Euro im Monat zahlen, besser wäre mehr.«

»Was? Zweihundert Euro? Woher soll ich die jeden Monat nehmen?«

»Suchen Sie sich doch einen Nebenjob!«

»Ich soll für Eriks Schulden arbeiten gehen? Das kann nicht Ihr Ernst sein«, antwortete Amelie schnippisch und verzog den Mund. Sie war kurz davor zu explodieren.

»Na schön, wenn Sie nicht wollen, muss ich Ihnen die Eidesstattliche Versicherung abnehmen. Von ihrem Einkommen ist in der Tat nichts mehr zum Pfänden übrig.«

»Überleg` es dir gut!«, mischte Rike sich ein. »Ich würde mich an deiner Stelle auf die zweihundert Euro einlassen. Wir schaffen das! Ich helfe dir!«

»Ach ja, und wie?«

»Ich habe eine Idee!«

»Und was?«

»Das sage ich dir später«, antwortete Rike und zwinkerte ihrer Kollegin zu.

Amelie wusste nicht, was sie von den Andeutungen ihrer Freundin halten sollte. Dennoch stimmte sie zu. »Also gut. Dann mache ich eben das mit der Ratenzahlung.«

»Das ist eine gute Entscheidung, Frau Sturm.«

»Das wird sich zeigen«, antwortete sie und zog einen Flunsch.

»Wie viel wollen Sie zahlen?«

»Wollen? Nichts? Da ich zahlen muss, nehme ich die zweihundert Euro.«

»Sie müssen nur noch hier unterschreiben!«, forderte Maier sie auf und hielt ihr ein Papier entgegen. Ihm war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.

Amelie las, was auf dem Schriftstück stand und schaute Rike fragend an. Sie nickte ihr zu und Amelie unterschrieb die Ratenzahlungsvereinbarung. Maier nahm ihr die Vereinbarung ab und überreichte ihr anschließend die Durchschrift. »Hier steht drauf, wohin Sie das Geld überweisen müssen!«

»Aha.«

»Wir können das Geld auch von Ihrem Konto einziehen, wenn Ihnen das lieber ist?«

»Nein, nein. Das geht so.«

»Gut, ich verlasse mich auf Sie, Frau Sturm«, antwortete Maier und reichte ihr die Hand. »Lassen Sie nur! Ich finde schon alleine raus«, sagte er, als Amelie ihn zur Wohnungstür führen wollte. Er ging an den Frauen vorbei, den Flur entlang und verließ die Wohnung.

Amelie hielt so lange die Luft an, bis sie die Tür ins Schloss fallen hörte. »Puh, endlich ist er weg! Zweihundert Euro ist eine Menge Geld. Jetzt erzähl mir mal, wie ich die jeden Monat auftreiben soll!«

Rike grinste. »Durch einen Nebenjob.«

»Na toll, die Idee hatte der Gerichtsvollzieher auch schon. Ich habe doch gesagt, dass ich nicht zusätzlich arbeiten gehen will, um Eriks Schulden abzuzahlen. Ich muss diesen Mistkerl finden, damit er die Kohle selbst zurückzahlen kann.«

»Amelie, du sollst ja nicht nur für die Schulden arbeiten gehen. Mit dem Geld kannst du dir eine Menge leisten und musst nicht mehr in dieser Absteige wohnen!«

»Was?«, rief Amelie und sah ihre Arbeitskollegin fragend an. Die beiden Frauen kannten sich erst seit einem halben Jahr. Amelie war nach der Trennung von Erik auf Arbeitssuche gewesen und bewarb sich in dem Supermarkt, in dem Rike schon seit fünf Jahren arbeitete. Als sie die Zusage bekam, war sie erleichtert. Sie hatte keine abgeschlossene Lehre und war froh, ihr eigenes Geld verdienen zu können.

Zu Rike hatte sie von Anfang an ein gutes Verhältnis. Es war so, als würden sich die Frauen seit Jahren kennen. Die anderen Kollegen waren auch nett, aber keiner war Amelie so vertraut wie Rike.

»Niemand weiß davon, aber ich arbeite auch noch nebenbei!«

»Wirklich? Wann denn?«

»An den Wochenenden. Was glaubst du, wie ich sonst als Alleinerziehende über die Runden komme?«

»Und was machst du?«

»Ich arbeite für einen Escortservice.«

»Du machst was? Steigst du etwa mit wildfremden Männern ins Bett?«

»Klar, wenn sie mir gefallen.«

»Das ist nicht dein Ernst!« Amelie konnte nicht fassen, was Rike ihr da erzählte. Sie traute ihrer Freundin einiges zu, aber dass sie sich mit wildfremden Männern traf und mit einigen davon schlief, damit hätte sie nie gerechnet.

»Warum nicht?«, fragte Rike und lächelte.

»Nein! Du denkst jetzt nicht, dass ich mit fremden Männern durch die Betten hüpfe, oder?«, antwortete Amelie irritiert. Bei dem Gedanken wurde sie kreidebleich.

»Was spricht dagegen? Du bist Single und kannst tun und lassen, was du willst. Dich zwingt niemand mit jemandem zu schlafen, den du nicht magst. Du gehst einfach mit den Männern aus, leistest ihnen Gesellschaft und wirst dafür bezahlt. Das ist alles. Leichter kannst du dein Geld nicht verdienen!«

»Die erwarten doch sicher mehr für ihr Geld!«

»Nein! Du hast nur Sex, wenn du es auch willst. Wenn nicht, dann lässt du es sein.«

»Und nur fürs Ausgehen soll ich so gut bezahlt werden? Wo ist der Haken?«

»Es gibt keinen. Der Verdienst ist eben spitzenmäßig.«

»Echt? Das kann ich gar nicht glauben!«

»Es ist aber so. Ich arbeite schon seit drei Jahren für die Agentur und bessere mir so die Haushaltskasse auf.«

»Wenn es wirklich so toll ist, wie du sagst, warum arbeitest du dann noch im Supermarkt?«

»Weil es einfacher ist zu sagen, man arbeitet als Verkäuferin. Oder würdest du jedem erzählen wollen, dass du als Escortlady dein Geld verdienst? Außerdem kann man den Job nicht ewig machen. Irgendwann ist man zu alt dafür. Also braucht man noch ein solides Standbein.«

»Aha. Was machst du mit Joshua, wenn du arbeiten bist?«

»Er ist bei meiner Mutter.«

»Weiß sie davon?«

»Nicht direkt. Sie denkt, ich gehe kellnern.«

»Oh je, wenn das rauskommt …«

»Also, was ist? Soll ich dich mit zur Agentur nehmen, oder nicht? Es ist deine Chance, dich finanziell zu verbessern.«

»Nein, das ist nichts für mich! Ich muss mir wohl einen anderen Job suchen, um die Schulden abzahlen zu können«, seufzte Amelie.

»Du kannst ja noch eine Nacht darüber schlafen. Wir können auch morgen nach der Arbeit zur Agentur fahren. Dann kannst du dir alles anschauen und ich stelle dir Stella, die Agenturchefin, vor. Das wird deine Entscheidung sicher erleichtern. Jetzt muss ich aber los, Joshua wartet. Denk dran, zu niemandem ein Wort! Das ist unser kleines Geheimnis«, sagte Rike grinsend. Sie stupste ihre Freundin an und verließ die Wohnung.

Amelie blieb alleine zurück. Sie stand wie angewurzelt in ihrer Küche und war unsicher, ob dies wirklich geschah oder sie sich das Gespräch mit Rike nur eingebildet hatte.

Tödlicher Nebenjob

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