Читать книгу Mondo Veneziano - Heidrun Reinhard - Страница 23

Die deutschen Kaufleute

Оглавление

Unter den vielen Fremden in Venedig, darunter Griechen, Armenier, Juden, Dalmatiner, Albaner, stellten die Deutschen seit Langem die größte Gruppe. Neben Immigranten wie den deutschen pistori (Bäckern) und calegheri (Schuhmachern), die schon im 14. Jahrhundert eigene Versammlungshäuser – scuole – besaßen, den angesehenen Goldschmieden vom Rialto und den schlecht bezahlten Webern waren andere nur periodisch in der Stadt präsent: Pilger, die sich auf venezianischen Schiffen ins Heilige Land einschifften, vor allem aber Kaufleute, die ihre Geschäfte am Rialto abwickelten, der größten Warenbörse Europas.

Die deutschen Händler kauften Luxuswaren aus dem Orient und aus venezianischen Manufakturen: Purpurtuch, geschnittene Seidensamte, Muranoglas, aber auch Musikinstrumente, Bücher. Der Hauptumsatz wurde mit orientalischen Gewürzen gemacht, mit Pfeffer, Ingwer, Safran, Nelken, Kardamom und tausend anderen. Sie kamen über Karawanenstraßen von fernen Anbaugebieten auf den Molukken im Stillen Ozean oder von der südindischen Malabarküste an die Häfen der Levante und wurden in Alexandria mit Gold aufgewogen. Es gab venezianische Kaufleute, die von Tunis durch die Sahara bis nach Timbuktu reisten, um sich das erforderliche Edelmetall im Tausch für falsche Perlen und minderwertige Textilwaren zu beschaffen. Gewürze waren sündhaft teuer, ein Statussymbol der Reichen und in üppigen Mengen verbraucht. Noch 1578 kosteten nach dem Bericht des Ritters Hans von Schweinichen auf einem fürstlichen Hochzeitsfest die verwendeten Gewürze weit mehr als fünfzig Ochsen. Am teuersten war schwarzer Pfeffer, piper nigrum. Daneben gab es viele Varietäten wie den aromatischen pepe longo oder den bitterscharfen cumbebe. Kostbare Pfeffersäcke wurden zusammen mit den Familienjuwelen vererbt und waren Bestandteil der Mitgift, ebenso sacchetti veneziani, Gewürzmischungen wie z.B. von Zimt, Nelken, Ingwer, Muskatnuss und Guineapfeffer. Um 1500 brachten die venezianischen Galeeren jährlich 5000 Tonnen Gewürze aus dem Orient, die Hälfte davon Pfeffer und Ingwer. Im Gegenzug verkauften die Deutschen in Venedig Rohmetalle aus deutschen und böhmischen Bergwerken wie Eisen, Silber, Gold, Kupfer und Blei. 1509 bezahlten die Fugger in Venedig einen Diamanten im Wert von 20.000 Dukaten mit Kupferbarren. Auch Leder und Pelze verkauften sich gut, ebenso Produkte aus den Webereien, grobwollige Massenware aus Köln und England, hochwertiger Wäschedamast und Leinen aus Flandern.


Die noch hölzerne Rialtobrücke und ihre Umgebung dokumentiert dieses Gemälde aus dem Zyklus der Kreuzeswunder von Vittore Carpaccio 1494. Der Fondaco ist neben dem rechten Bildrand zu ergänzen.

Der Profit aus dem Handel war die Lebensgrundlage der Markusrepublik. Die Geschäfte der ausländischen Kaufleute wurden streng überwacht. 1228 ist erstmals ein „Fonticus Theutonicorum“ zur obligatorischen Unterbringung der deutschen Händler und ihrer Waren bezeugt. Vorbild war der arabische fundug, ein Herbergstyp mit doppelstöckigen Bogengängen um einen Innenhof mit Zisterne, Warenlager und Ställen, wie sie die Venezianer aus ihren Handelsplätzen an der Levanteküste kannten und an den auch die Bezeichnung Fondaco erinnert. Das Kaufmannshaus war in venezianischem Staatsbesitz und wurde von einer Aufsichtsbehörde verwaltet. Die Deutschen waren nur Mieter. Ihre Waren wurden durch einen Wiegemeister und zwei Buchhalter kontrolliert und in einer eigenen Zollstelle doppelt, beim Ein- und Ausgang, besteuert. Auch durften die deutschen Kaufleute ihre Geschäfte nicht direkt betreiben, sondern nur über sensali, staatlich bestallte Mittelsmänner. Der Verkauf durfte den Einkauf nicht übersteigen, denn Münzgeld sollte wegen des Edelmetallwerts nicht ausgeführt werden. Gestattet war praktisch nur ein Tauschhandel unter Staatsaufsicht. Ein Vorteil der rigiden Kontrolle für die deutschen Kaufleute war der Schutz vor Betrug. Für Venedig war der Fondaco eine Goldgrube: 1473 wurde der Umsatz der Deutschen auf eine Million Dukaten geschätzt. Auf hundert Dukaten beliefen sich die täglichen Einnahmen, was dem Jahreseinkommen eines besser gestellten Venezianers entsprach.

Die Kaufleute aus dem Kaiserreich, zu denen auch Flamen, Ungarn und Böhmen gehörten, lebten im Fondaco in einer Art komfortabler Quarantäne. In der Nacht herrschte Ausgangssperre. Bei der Ankunft mussten sie Waffen und Geld abgeben. Ein in Stein gemeißeltes Dekret nannte die Strafen für ungebührliches Benehmen: Lärmen und Raufen, das Messer zu ziehen, obszöne und beleidigende Worte zu äußern, jede Art von Glücksspiel. Der Fondaco hatte eine eigene Küche mit einem deutschen Koch. Im ersten Stock lag ein großer Speisesaal, wo zu Dürers Zeiten die Mahlzeiten gemeinsam an zwei großen Tafeln eingenommen wurden, eine unter Vorsitz der Nürnberger, eine unter dem der Augsburger, Vertreter der bedeutendsten deutschen Handelsstädte. Es gab eine strenge Tischordnung, nach welcher die Händler ihrer Herkunft nach, von Basel bis Lübeck, von Köln bis Wien, an den jeweiligen Tischen platziert wurden, eine nicht immer friedliche Versammlung. Konkurrenzneid führte zu tätlichen Auseinandersetzungen, besonders nach ausgiebiger Zecherei in der hauseigenen Schänke. Über die Alkoholmengen, die bei den Deutschen flossen, staunten die Venezianer. Der Schriftsteller Pietro Aretino, der am Rialto wohnte, amüsierte sich königlich über eine Gruppe betrunkener Deutscher, die unter seinem Fenster in der Winterkälte mit ihrem Boot kenterten. Der Fondaco war eine reine Männergesellschaft. Es gab regelmäßig Tanzabende, bei denen mit käuflichen Damen vom Rialto nicht nur die gewagtesten neuen Schritte geübt wurden. Den Karneval feierten auch die Deutschen mit Maskenbällen. Ein beliebtes Vergnügen war die Sauhatz im Cortile, im Innenhof des Fondaco, wo mit verbundenen Augen Jagd auf ein geöltes Schwein gemacht wurde.

Große Handelsfirmen wie die der Fugger, Welser, Tucher oder Imhoff unterhielten regelrechte Filialen in Venedig. Der 1450 geborene Franz Hirsvogel, mit dem sich Dürer anfreundete, repräsentierte im Fondaco sein Nürnberger Familienunternehmen fast dreißig Jahre lang, von 1480 bis zu seinem Tod. Er wurde schon mit elf für eine fünfjährige Lehrzeit nach Italien geschickt, um den Kaufmannsberuf und Italienisch zu lernen. Das älteste erhaltene deutsch/italienische Wörterbuch ist von 1429 und stammt von einem Jorg aus Nürnberg, der in Venedig lehrte. Der Rialto war für Kaufmannssöhne aus Deutschland eine Art Business School, wo auch ein Jakob Fugger, der spätere Finanzier des Kaisers, die doppelte Buchführung lernte. Zwei Mitglieder der Familie Fugger sind in Venedig gestorben und begraben. An einen Christoph Fugger erinnert noch eine Gedenkschrift in der ehemaligen Kapelle der Deutschen in der dem Fondaco benachbarten Pfarrkirche S. Bartolomeo.

Kam ein Kaufmann zu einem längeren Aufenthalt mit Familie nach Venedig, wurde ihm eine Wohnung in der Umgebung des Fondaco zugewiesen. Einige, wie die Widmanns aus Kärnten, die sich später in das venezianische Patriziat einkauften, blieben für immer. Deutsche waren auch unter den ersten Buchdruckern und Verlegern Venedigs. Die berühmteste Edition eines Deutschen und ein Meisterwerk der damaligen Drucktechnik erschien 1500 und stammt von dem Nürnberger Anton Kolb, ein Holzschnitt im Riesenformat von 282x138 cm. Es ist die detailgenaue Stadtansicht Venedigs von Jacopo de’ Barbari aus der Vogelperspektive, noch heute eine Quelle von unschätzbarem Wert für das Aussehen Venedigs vor 500 Jahren. Es gibt Hinweise, dass Dürer, der mit Anton Kolb gut bekannt war, an der Ausarbeitung beteiligt war.

Mondo Veneziano

Подняться наверх