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Dürer und der neue Fondaco

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Der Fondaco, den der junge Albrecht Dürer und Felix Fabri kannten und der auf Anton Kolbs Vedute noch eingezeichnet ist, ging 1505 bei einem Großbrand vollständig in Flammen auf. An derselben Stelle ließ der venezianische Senat in drei Jahren für 30.000 Dukaten einen modernen Neubau errichten, auf den wir noch heute von der Rialtobrücke aus blicken. Der neue Fondaco, das größte Profangebäude Venedigs nach dem Dogenpalast, überragt an Höhe und Breite die ganze Nachbarschaft, erscheint aber in seinem heutigen Zustand für einen Renaissance-Bau in Venedig bemerkenswert nüchtern. Das liegt nicht nur an der unglücklichen Radikalsanierung des 20. Jahrhunderts. Der Senat hatte dekretiert, dass kein unangemessener Aufwand getrieben werden sollte, also: kein teurer Marmor, keine Bauplastik, sondern verputzte Ziegelmauern. Ein Schmuckstück wurde das Gebäude trotzdem, denn keine Geringeren als der Maler Giorgione und sein noch nicht 20-jähriger Lehrling Tizian erhielten den Auftrag, die Fassaden mit Bildern in leuchtenden Farben zu überziehen, mit Puttenfriesen, überlebensgroßen Reitern zwischen prächtigen Säulenkulissen und schönen Frauen, die Weisheit und Gerechtigkeit der Republik verkörperten. Die Fresken sind, bis auf wenige Fragmente im Museum der Ca’ d’Oro, längst verschwunden, so wie alle anderen Fassadenmalereien in Venedig. Von der farbigen Vielfalt des Stadtbilds haben wir keine Vorstellung mehr. Ganz Venedig war damals bunt. Die meisten Häuser besaßen ziegelroten Putz, manchmal mit Rauten gemustert nach dem Vorbild des Dogenpalasts oder mit Blattfriesen und Figuren bemalt. Die prächtigsten Fassaden waren mit farbigem Marmor verkleidet. Sogar die Kamine mit ihren trichterförmigen Aufsätzen, die vor Funkenflug schützen sollten, waren mehrfarbig dekoriert.

Um den für venezianische Verhältnisse riesigen Innenhof des neuen Handelshauses mit seinen offenen Arkaden über vier Stockwerke gruppierten sich etwa 200 Räume, davon 80 Gästezimmer – viele ganzjährig von deutschen Firmen angemietet: Warenlager, Büros, Personal- und Speisekammern, die Osteria, ein Archiv, später auch ein protestantischer Andachtsraum. Im ersten Stock lag neben dem Speisesaal ein prächtiger Versammlungsraum, in dem 1587 ein in Venedig einzigartiger, in Antwerpen gefertigter Ofen aus Eisen und vergoldetem Messing gegen die feuchtkalten Lagunenwinter eingebaut wurde. Die Läden an der Außenseite waren an Venezianer vermietet. Über 100 Menschen lebten ständig im Fondaco, 200 arbeiteten dort. Die deutschen Ballenbinder, welche die Waren verpackten, hatten sogar eine eigene Zunft. Oft war die Herberge so überfüllt, dass auch die Korridore als Schlafplätze dienten oder Reisende in lizenzierte Gasthöfe ausweichen mussten.

Als Albrecht Dürer im Herbst 1505 ein zweites Mal nach Venedig reiste, wurde er im Gasthaus des Peter Pander einquartiert, das für vornehme Gäste reserviert war. Er war jetzt mit 34 Jahren ein international bekannter Künstler und einer der Ersten, der die Möglichkeiten des neuen Mediums Buchdruck für die Verbreitung seiner Kunst nutzte. Dürer verlegte seine Druckgraphik selbst und verkaufte sie durch eigene Agenten auch in Italien. Der Erfolg seiner Kupferstiche mit ihrer virtuosen Wiedergabe von Texturen wie Haaren, Stoffen, Maserungen, führte bald zu schamlosen Plagiaten. Einer der Gründe für Albrecht Dürers zweite Italienreise war die Durchsetzung seiner Urheberrechte und die Verfolgung von Raubdrucken, wie sie auf dem Markusplatz angeboten wurden. Er klagte erfolgreich beim venezianischen Senat gegen Marcantonio Raimondi, dem untersagt wurde, Dürers Markenzeichen – die Signatur aus den Initialen seines Namens – auf seinen Kopien zu imitieren.

Eine Hoffnung, die sich für Dürer nicht erfüllte, war ein künstlerischer Auftrag für den Neubau des Fondaco. Dafür aber bestellte die deutsche Kaufmannschaft bei ihm für 110 Rheinische Gulden ein großes Andachtsbild für ihren Altar in der Pfarrkirche San Bartolomeo. Auf dem „Rosenkranzfest“ (heute in der Nationalgalerie in Prag) knien Kaiser und Papst der Gottesmutter zu Füßen, umstanden von deutschen Kaufleuten und dem ebenfalls deutschen Baumeister Hieronymus, der am Bau des Fondaco beteiligt war. Mit diesem Gemälde suchte der Künstler das Beste aus deutscher und venezianischer Bildwelt zu verschmelzen. Albrecht Dürer, der sich im Hintergrund mit seiner charakteristischen Lockenpracht und dem in Venedig exotisch wirkenden Bart selbst einfügte, wollte beweisen, dass er mit seiner Kunst auf der Höhe der Zeit war, denn, wie er in einem Brief über die Kollegen in Venedig geklagt hatte, „noch schelten sie es und sagen, es sei nicht antigisch art, dorum sey es nit gut“. Jetzt hatte er auch jenen das Maul gestopft, die glaubten, er sei zwar ein guter Graphiker, aber kein rechter Maler, denn „nun sagt jeder, er habe keine schöneren Farben gesehen“. Alle lobten das Werk: Der von ihm bewunderte Altmeister Giovanni Bellini pries ihn vor hohen Herren. Sogar der Doge Leonardo Loredan, dessen berühmtes, von Bellini gemaltes Porträt in der Londoner National Gallery aufbewahrt ist, und der Patriarch von Venedig kamen zur Besichtigung.

Viel Mühe und Zeit kostete es Dürer, die Einkaufsliste für seinen Freund abzuhaken, den Nürnberger Patrizier und Humanisten Willibald Pirckheimer, der ihm die Reisekosten vorgestreckt hatte. Er sollte ihm in Nürnberg verbotene Perlen, außerdem Smaragde, Orientteppiche, Riechöle, Kranichfedern als Hutschmuck – Narrenfedern, wie er spottete –, Bücher und anderes besorgen, auch gefälschte Juwelen. Besonders der Kauf von Edelsteinen erwies sich als schwierig. Dürer war kein Experte. Er hatte Ärger mit Betrügern: „Sie bescheißen Viech und Leut“. Er schreibt: „… dass ich nix Guts oder sein Geld werts bekummen, es ist alles von den Deutschen aufgeschnappt“. Man kaufe besser und günstiger auf der Messe in Frankfurt als in Venedig.

Dürer fühlte sich von wohlwollenden Freunden umgeben, deutschen – vor allem Nürnberger Kaufleuten – und „welschen“, doch man warnte ihn auch vor Giftanschlägen neidischer Malerkollegen. Er kaufte sich schöne Kleider, ging auf Gesellschaften, hörte Musik. Über die venezianischen Geiger schrieb er: „Dy machns so lieblich, daz sy selbs weinen“.

Der Rat der Stadt bot Dürer am Ende ein verlockendes Jahresgehalt von 200 Dukaten, was ihm den Abschied noch schwerer machte. Kein Wunder, dass er kurz vor der endgültigen Rückkehr nach Nürnberg dem Freund Pirckheimer seine Befürchtungen mitteilte: „Wie wird mich nach der Sunnen frieren, hij pin ich ein her (Herr), doheim ein Schmarotzer“.

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