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4 Palazzo Pisani-Moretta –
Das Erbe der Nobildonna

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Hinter der schönen spätgotischen Fassade verbirgt sich das am besten erhaltene Rokoko-Interieur Venedigs.

Maurizio Sammartini war fast noch ein Kind, als er 1959 in Begleitung seiner Großtante erstmals den seit langer Zeit unbewohnten Palast seiner Vorfahren betrat. Als die Läden der hohen Fensterflügel zum Canal Grande geöffnet wurden, fühlte er sich wie in ein Spukschloss versetzt. Vor ihm tauchte aus dem Raumdunkel ein riesiger, unter einem dichten Schleier von Staub und Schmutz versunkener Prunksaal auf. Aus verblassten Freskenhimmeln schwebten neun gewaltige, von Staubfäden umgarnte Kronleuchter herab. Mumifizierte Spinnen in schwarzen Netzen hingen an rußigen Gesimsen. Die Seidentapeten waren zerschlissen, die barocken Wandspiegel erblindet. In einer Vitrine lag verdorrt ein Blumenstrauß. Niemand hatte hier auch nur einen Stuhl verrückt, seit der Palast 1874 nach dem Tod von Vettor Daniele Pisani-Moretta verlassen und verriegelt worden war.

Die hochbetagte Großtante, Contessa Giulia Giusti del Giardino, war dessen Enkelin und die Erbin des Palasts, den sie wenige Jahre später Maurizio Sammartini und seinen Geschwistern vermachte, zusammen mit einem beträchtlichen Barvermögen. Die Berufsfrage hatte sich damit für Maurizio erledigt. Seine Lebensaufgabe sollte die Wiedererweckung des Familienpalasts werden. Zehn Jahre lang wurde saniert, restauriert, installiert, ergänzt, bis 1974 der Palast nach einem hundertjährigen Dornröschenschlaf im alten Glanz neu erstanden war. Zum Glück war das Haus ohne Pfahlgründung auf festem Inselboden gebaut, sonst hätte das 500-jährige Bauwerk die lange Vernachlässigung nicht so gut überstanden. Allerdings führte die gefährliche Neigung eines Nachbarhauses, das auf die Außenmauer drückte, beinahe zu einer Katastrophe. Venedig ist voll von Horrorgeschichten über böse Überraschungen und gerade noch verhinderte Einstürze bei Sanierungsarbeiten. Zuerst ließ Maurizio die Statik sichern, dann die Installationen für Strom, Wasser und Heizung einbauen. Danach konnte mit der Restaurierung des Rokoko-Interieurs begonnen werden, an dem einst die besten venezianischen Künstler ihrer Zeit mitgewirkt hatten.

Allein zwei Monate dauerte es, den Original-Fußboden unter zwei Zentimeter dicken Verkrustungen freizulegen. Wie bei einer archäologischen Grabung war aus der Zusammensetzung der einzelnen Schmutzschichten abzulesen, dass die 1881 eingeführten Wasserbusse zuerst mit Kohle, dann mit Gasolin und schließlich mit Dieselöl betrieben wurden. Darunter kamen Terrazzoböden in vielen Farben und Mustern zum Vorschein. Der typisch venezianische Terrazzo ist ein Belag aus Kalk, Steinsplittern, pulverisiertem Marmor und Ziegelstaub, der in einem langwierigen Verfahren hergestellt und am Ende marmorglatt poliert wird. Er reißt auch bei Bodenschwankungen von bis zu zehn Zentimetern nicht, wie sie auf Venedigs Lagunengrund üblich sind.

Die Spezialfirma Crovato, welche die Böden reparierte und wieder auf Hochglanz brachte, trug noch denselben Namen wie die terazzeri, die sie mehr als 200 Jahre zuvor gelegt hatten. Traditionsreich war auch der Familienbetrieb, dem die Erneuerung der verblichenen und zerschlissenen Stuhlbezüge, Wandbespannungen und Vorhänge anvertraut wurde: Hunderte von Metern kostbarer Samte und Seidendamaste entstanden nach dem Vorbild der Originale auf den historischen Handwebstühlen der Firma Bevilacqua, die noch heute in Betrieb sind.

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