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„Also sind Sie auch der Meinung, dass die Insel ein Geheimnis birgt“, wandte sich Reb an Sir W.I.T., der sich zu ihnen auf die Decke gesetzt hatte.

„Es sind die Kleinigkeiten, die mich stutzig machen“, erklärte dieser. „Die Bevölkerung begegnet den Fremden betont freundlich, gleichzeitig aber auch sehr reserviert. Das steht in krassem Gegensatz zu dem, was ich in der Literatur gelesen habe. Dort werden die Kreter als offen gegenüber allem Neuen und interessiert an Gesprächen mit ihren Gästen charakterisiert.“

„Die Einheimischen sind skeptisch“, gab Mortues zu bedenken, „weil sie nicht wissen, was die Großstädter mit ihrer Insel anstellen werden.“

„Stimmt“, pflichtete Reb ihm bei. „Immerhin haben die Touristen durch ihren Massenansturm die Insel schon einmal fast zum Kippen gebracht. Nur der Tatsache, dass in der Großstadt die Natur in Vergessenheit geraten ist, haben sie es zu verdanken, dass die Zerstörung zum Stillstand kam.“

„Sie unterbrechen ihre Gespräche, sobald man in ihre Nähe kommt“, stellte Soul fest.

„Das ist auch mein Eindruck“, ergänzte Sir W.I.T. „Einmal zum Beispiel habe ich beobachtet, wie ein Grieche mit der Hand in eine bestimmte Richtung deutete. Ich hätte mir nichts dabei gedacht, hätten er und sein Gesprächspartner, als sie mich entdeckten, nicht angesehen, als wären sie bei einem Verbot ertappt worden.“

„In welche Richtung deutete der Grieche?“, wollte Soul wissen.

„Dort gibt es nichts, außer Landschaft“, erklärte Sir W.I.T.

„Auch Landschaften können Geheimnisse bergen“, entgegnete Soul, stand auf und holte eine alte Landkarte aus dem Jeep.

„Wo hast du die denn her?“, wunderte sich Reb.

„Aus einem Trödlerladen in Iraklion. Der Händler hielt sie für wertlos.“

Soul breitete die Karte auf der Decke aus. Der historische Druck, der noch mit veralteten Farben auf organisches Papier gedruckt worden war, roch ein wenig nach Schuhwichse, ließ aber ein erstaunlich präzises Straßenbild erkennen. Minutenlang durchforsteten die fünf den Plan in der Hoffnung, irgendetwas Ungewöhnliches zu entdecken.

„Wie ich es gesagt habe“, erklärte Sir W.I.T., „nichts als bergige, unbedeutende Landschaft.“

Sie kamen zu keinem Ergebnis. Nachdem Sir W.I.T. sich verabschiedet hatte, packten auch die jungen Leute ihr Picknick ein. Während Botoja und die beiden Männer das schmutzige Geschirr im Weidenkorb verstauten, saß Soul immer noch vor der Karte und studierte die dort aufgedruckten Zeichen.

„Dadurch dass du so lange auf den Plan starrst, ändert sich darauf auch nichts“, brummte Botoja ungeduldig.

„Braucht es auch nicht“, flötete Soul. „Ich habe längst etwas gefunden.“

Die anderen schauten sie verdutzt an.

„Schaut mal, wenn ihr mit dem Finger die Richtung verfolgt, in die Sir W.I.T. gezeigt hat, wo kommt ihr dann hin?“

„Na, nun sag schon, wo?“, murrte Mortues.

„Zu dieser Schlucht! Sie ist tief und zerklüftet, dort traut sich kein Städter hinein.“

Nachdenklich stiegen die Freunde in den Jeep und begaben sich auf den Heimweg. Sie waren schon eine Weile gefahren, da drosselte Mortues plötzlich den Motor und fuhr an den Rand.

„Wisst ihr was“, überlegte er laut, „heute werden wir eh nichts mehr auf die Beine stellen, da können wir doch ebenso gut zu dieser Schlucht fahren.“

Ohne die Antwort der anderen abzuwarten, wendete er den Jeep und fuhr zurück. Soul breitete die Landkarte auf ihrem Schoß aus und verfolgte die Fahrt auf dem Papier.

Zunächst lief alles glatt. Die Straße war gut ausgebaut, und sie kamen zügig voran. Die Karte war äußerst exakt und zeigte ihnen jeden Weg, jede Abzweigung und jede Kreuzung genau an. Doch nach ungefähr drei Kilometern fing der Wagen plötzlich an zu stottern.

„Ohooooo, du wirst uns doch jetzt nicht im Stich lassen“, flötete Mortues.

„Bist du sicher, dass du alles richtig gemacht hast?“, fragte Reb.

„Absolut, aber das Gefährt scheint keine Lust mehr zu haben.“

Wieder stotterte der Motor.

„Kommt, lasst uns nach Hause fahren“, bat Botoja.

Sie begann die Hitze in ihrem Körper zu spüren. Die anderen murrten zwar ein wenig, stimmten aber zu. Die Vorstellung, stundenlang im offenen Fahrzeug auf Hilfe warten zu müssen, ließ sie schnell einig werden. Enttäuscht kehrten sie um. Doch kaum waren sie auf dem Heimweg, da lief der Wagen wie geschmiert. Auch als Mortues die Geschwindigkeit erhöhte, gehorchte der Jeep ihm aufs Wort.

„Wie seltsam“, wunderte er sich.

Sie waren schon eine Weile gefahren, als Mortues plötzlich den Fuß vom Gaspedal nahm und den Wagen ausrollen ließ. Das Fahrzeug kam am Rande der Straße zum Stehen. Fragend blickte er in die Runde.

„Sollten wir nicht vielleicht doch …?“

„Mit diesem unsicheren Gefährt?“, protestierte Botoja. „Das meinst du doch nicht wirklich, oder?“

„Na ja, Zuverlässigkeit ist etwas anderes“, bestätigte Reb ihre Zweifel.

Auch Soul, die sonst meist die Erste war, wenn es darum ging, Neuland zu erkunden, zögerte. Nachdenklich lauschte sie dem gleichmäßigen Brummen des Motors.

Doch Mortues war nicht gewillt, seine, wie er fand, recht brauchbare Idee so schnell fallen zu lassen.

„Also jetzt wollen wir doch mal sehen“, entrüstete er sich, wendete den Wagen ein weiteres Mal, trat aufs Gaspedal und brauste in Richtung Schlucht davon.

Eine Zeit lang ging alles gut. Die jungen Leute betrachteten skeptisch die Landschaft. Struppiges Buschwerk machte sich neben der Fahrbahn breit, üppige Olivenbäume, grobe Wiesen, die man sicher auch mit festem Schuhwerk nur ungern hätte betreten wollen, ab und zu eine Bambusreihe, nichts Ungewöhnliches. Sie waren vielleicht einen Kilometer weiter gefahren als beim ersten Mal, da stotterte der Motor aufs Neue. Der Jeep wurde langsamer, zuckelte nur noch und blieb schließlich ganz stehen.

„Na, Prost Mahlzeit“, kommentierte Botoja den erneuten Stopp.

Mortues versuchte, das Fahrzeug wieder in Gang zu bringen. Der Motor heulte auf, ging aber sofort wieder aus. Nach mehreren Startversuchen röhrte die Maschine nur noch und verstummte schließlich ganz. Die Freunde überlegten, wen sie zu Hilfe rufen könnten. Reb wollte schon in sein Technikband sprechen, da legte Soul ihre Hand auf seinen Arm und drückte ihn entschlossen hinunter.

„Ach, würde dieses verdammte Ding doch endlich anspringen“, sagte sie laut und deutlich. „Mortues, versprich mir, wenn wir diesen blöden Kasten wieder in Gang kriegen, fahren wir auf der Stelle nach Hause.“

Natürlich pflichtete der Freund ihr bei. Wer wollte schon in einem unzuverlässigen Jeep durch die Wildnis brettern. Erneut drehte er den Zündschlüssel, aber der Motor gab keinen Ton von sich.

Für einen Moment saßen die jungen Leute ratlos im Wagen. Die Sonne hatte an Kraft gewonnen und ließ die Hitze unerträglich werden. Die Blätter der umstehenden Bäume flimmerten in dem gleißenden Licht, ihr Rascheln erinnerte an das Flüstern menschlicher Stimmen. Ganz in der Nähe war das Zirpen der Zikaden zu hören, die mit ihrem Gesang die Weibchen anlockten. Soul hatte einmal gelesen, dass die Insekten diesen eindringlichen Ton mithilfe einer trommelfellartig ausgespannten Hautplatte an der Unterseite ihres Hinterleibes erzeugten. Durch Muskelkraft würden diese kleinen Schallmembranen in schnelle Schwingungen versetzt. In dem Artikel1 verglich der Autor dieses Phänomen mit einer Blechdose, deren Deckel eingedrückt wurde und mit einem lauten Klick-Ton zurückschnellte.

Mortues unterbrach ihre Gedanken.

„So, mein guter Junge“, betörte er den Wagen, „nun bring uns bitte schnell nach Hause.“

Beherzt ergriff er den Autoschlüssel und drehte ihn entschlossen nach rechts. Der Jeep röhrte, ratterte, knatterte … und sprang an.

Sie wendeten den Wagen und fuhren zurück. Wieder lief der Motor wie geschmiert. Schweigend saßen die Freunde im Auto. Während der Fahrtwind ihre erhitzten Gemüter kühlte, dachte Soul nach über einen Jeep, der seinen eigenen Willen zu haben schien und sich ihren Anweisungen konsequent widersetzte.

1 Schäfer, Horst: Die Natur Griechenlands – Die auffälligsten Insekten und Reptilien, Verlag der Griechenland Zeitung, Athen 2017

Tambara und das Geheimnis von Kreta

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