Читать книгу Nur ein toter Lehrer ist ein ... - Heike Susanne Rogg - Страница 11
ОглавлениеMeuterei
Nachdem sie am nächsten Morgen den Frühstücksraum betraten, bestürmte man sie von allen Seiten mit Fragen. Susanne informierte ihre Kollegen nur so weit, dass Heidi überlebt hatte, aber sehr schwer verletzt sei.
Diesmal stöhnte keiner der Lehrer über den langen Ausfall. Jeder schien froh zu sein, dass sie überleben würde.
Dr. Küchenmeister betrat den Raum. »So, Herrschaften, um halb zehn starten wir zur Insel Mainau.«
Stille
Dann brach ein Tumult los.
»Sie glauben doch nicht, dass wir heute auf die Mainau fahren!«
»Interessiert es Sie eigentlich gar nicht, wie es Frau Wagenknecht geht?«
»Das Einzige, wo ich heute noch hinfahre, ist nach Hause.«
Und so weiter und so weiter ...
Da war sie endlich – die Meuterei. Endlich wachte das Kollegium auf. Diese letzte Herzlosigkeit hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.
Hannes, der befürchtete, dass dieser Aufstand möglicherweise so schnell wieder verpuffte, wie er entstanden war, stand auf und verkündete: »Meine Frau und ich fahren in einer Stunde nach Blieskastel zurück. Wer dann mit möchte, ist bitte pünktlich am Bus. Mahlzeit!«
Er blieb gleich stehen und auch Susanne erhob sich.
»Das geht doch nicht!«, protestierte Küchenmeister lautstark.
»Und ob das geht!«, unterstützte jetzt Susanne ihren Mann. »Wer nur noch ein Fünkchen Gefühl im Leib hat, fährt mit uns. Die anderen können mit dem Zug nachkommen. Zum Bahnhof in Titisee sind es drei Kilometer. Die kann man bequem zu Fuß gehen.«
»Das werden Sie bereuen!« Der Rektor wollte sich das Heft nicht einfach aus der Hand nehmen lassen. »Das gibt eine Dienstaufsichtsbeschwerde!«
»Ach«, Susanne hatte endgültig genug, »soll ich eine über Sie schreiben?«
»Das können Sie ruhig machen!«, brüllte Küchenmeister hochrot im Gesicht, »aber die geht auf dem Dienstweg sowieso über meinen Schreibtisch!«
»Ja ja«, lächelte Susanne sarkastisch, »und der Dienstweg ist bekanntermaßen der direkte Weg vom Holzweg in die Sackgasse.«
Damit verließ sie endgültig den Raum.
Eine Stunde später standen alle Teilnehmer am Bus. Auch Dr. Küchenmeister stieg ein. Mit der Bahn zu fahren, war wohl doch nicht seine Sache. Allerdings sah er aus, als hätte er die anderen am liebsten zurückgelassen. Er verzog sich sofort in die letzte Sitzreihe.
Susanne hatte Melanie Jacoby, die mit Heidi das Zimmer geteilt hatte, gebeten, deren Sachen zusammenzupacken und mitzubringen. Diese wollten sie auf dem Weg nach Hause schnell in der Uniklinik abgeben. Ein paar eigene Kleidungsstücke würde Heidi sicher benötigen. Die Handtasche, die an der Absturzstelle lag, hatten sie bereits gestern den Sanitätern mit ins Krankenhaus gegeben.
Die anderen Kollegen bevölkerten im Gegensatz zum Vortag die vorderen drei Sitzreihen auf beiden Seiten des Busses. So konnten sie miteinander über Heidi und den Unfall reden.
Kurz bevor Hannes in Freiburg von der Bundesstraße abbog, informierte er seine Fahrgäste über den kleinen Zwischenstopp am Krankenhaus. Er bat alle, im Bus zu bleiben, da Susanne und er nur kurz Heidis Reisetasche abgeben wollten. Prompt kam von der letzten Sitzbank: »Erinnern Sie Frau Wagenknecht aber daran, dass die Schule eine Krankmeldung braucht!«
Bevor Hannes nach hinten zu Dr. Küchenmeister gehen konnte, stand Susanne auf und schob ihren Mann aus dem Bus.
»Auch wenn ich es klasse fände, wenn du ihm jetzt eine scheuern würdest, ist das im Moment nicht wirklich zielführend«, sagte sie zu ihm.
Die beiden gingen in das Klinikgebäude, gaben die Tasche an der Pforte der Intensivstation ab und baten um eine Bescheinigung, wie lange der Krankenhausaufenthalt von Heidi etwa dauern würde. Da Dr. Meier sich noch immer oder schon wieder im Dienst befand, stellte das kein Problem dar.
Zurück im Bus überreichte Susanne, mit einem Gesichtsausdruck, der keinerlei Zweifel aufkommen ließ, was sie von ihm hielt, Dr. Küchenmeister dieses Papier.
»Ich hoffe, das reicht vorerst.«
Sie drehte sich um, und ohne den Vorgesetzten eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie wieder nach vorn auf ihren Platz.
Mit nur einer halben Stunde Lenkzeitpause fuhr Hannes, nach dem kurzen Zwischenstopp in Freiburg, durch bis nach Blieskastel. An der Schule verteilten sich alle schnell auf ihre Autos und fuhren nach Hause. Keiner würdigte den Rektor noch eines Blickes.
Hannes und Susanne brachten den Bus auf den Betriebshof zurück, dann ging es auch für sie heim.
»Mit was für egoistischen Unmenschen arbeitest du eigentlich zusammen?«, fragte er Susanne. »Wie können die denn Vorbilder für ihre Schüler sein?«
»Du sagst doch immer, ich übertreibe«, erwiderte Susanne, »aber zumindest haben sie heute mal so etwas wie Solidarität gezeigt. Ich bin ja gespannt, wie das nächste Woche weitergeht.«
*
In der Nacht
Was ist nur schiefgegangen? Die Gelegenheit war doch so günstig. Warum nur trifft es immer mich?
Selbstmitleidige Gedanken ziehen ungehört durch eine einsame Nacht.