Читать книгу Nur ein toter Lehrer ist ein ... - Heike Susanne Rogg - Страница 9
ОглавлениеRettungsmaßnahmen
Susanne stöhnte auf. Sie dachte daran, dass die letzten fünfhundert Meter des Felsenweges recht steil nach unten zur Seilbahnstation geführt hatten. Hannes räumte noch schnell seinen Rucksack aus und packte vorsichtshalber einen der Verbandskästen aus dem Bus ein. Dann verriegelte er das Fahrzeug und sie eilten den Weg zurück, den die Gruppe vorhin gekommen war.
Sie waren knapp zwei Kilometer auf dem Weg zurückgegangen, da blieb Susanne ruckartig stehen.
»Hannes, guck mal, da liegt was Blaues. Da unter dem Heidelbeerbusch!«
Ihr Mann bückte sich und hob eine Handtasche auf. Ohne dass sie reinsehen musste, wusste Susanne, wem diese gehörte. Hatte sie es doch ein wenig komisch gefunden, dass Heidi eine Handtasche mit auf die Wanderung genommen hatte.
»Das ist Heidis Tasche«, sagte sie und erblasste. Hannes sah sich um. An dieser Stelle war der Weg etwas breiter, so als habe die Natur genau hier einen Aussichtsplatz auf das Panorama mit Feldsee und Raimartihof erschaffen wollen. Weit unter sich sah Hannes den See in der Sonne glitzern. Vorsichtig wagte er sich auf einen kleinen Vorsprung. Mit einer Hand stützte er sich an einem dort stehenden Baum ab, mit der anderen hielt er sich an dem Ast eines Busches fest. Aus dieser Position heraus konnte er auf einen kleinen Felsenabsatz unterhalb seines Standortes sehen. Dort lag verkrümmt ein Mensch ...
»Susanne! Sie liegt da unten und rührt sich nicht!«
In der Zwischenzeit hatte Susanne die Tasche geöffnet. Sie hatte recht behalten. Als sie den Personalausweis aus dem Geldbeutel nahm, war es sicher, dass es sich um Heidis Tasche handeln musste. Sie drehte den Ausweis um und konnte lesen, dass Heidi ›Im Allenkorn‹ in Blieskastel wohnte. Susanne packte alles wieder zurück. Nach Hannes' Ausruf waren ihr die Beine weich geworden. Sie ließ sich auf den nächsten Stein sinken und wartete auf ihren Mann. Dieser hangelte sich vorsichtig auf den Weg zurück. Oben angekommen zog er sofort sein Handy aus der Hosentasche, drückte auf Wahlwiederholung und erklärte dem sich meldenden Polizisten die vorgefundene Situation und ihren genauen Standort. Der Diensthabende teilte ihm mit, dass die Bergwacht unterwegs sei und Hannes dort warten solle; der Einsatzkoordinator würde sich mit ihm in Verbindung setzen. Kaum war dieses Gespräch beendet, klingelt sein Telefon. So genau wie möglich versuchte er, dem Einsatzkoordinator zu erklären, wo genau sie standen und wie die Verunglückte aussah. Kurz darauf tauchten fünf Männer in den typischen blau-roten Uniformen der Bergwacht zwischen den Bäumen auf. Sie trugen die komplette Ausrüstung mit, wie Hannes als ehemaliger Bergsteiger sofort registrierte. Die Retter suchten schnell einen geeigneten Baum aus, befestigten ein Seil mit Bremsplatte daran und ließen einen Ersthelfer mit dem notwendigen medizinischen Material zu der Verunglückten hinunter. Hannes und Susanne hatten sich etwas zurückgezogen, um die Rettungsarbeiten nicht zu behindern, und beobachteten, was nun passierte. Susanne zitterte trotz der Wärme. Wussten sie doch nicht, ob Heidi noch lebte oder die Bergung eingeleitet werden musste.
Über Funk konnten sie dann mithören, dass Heidi schwer verletzt und bewusstlos war. Einer der Retter erklärte ihnen, dass der Ersthelfer die Verletzte jetzt in die stabile Seitenlage brächte und erstversorge. Da sie bewusstlos sei, müssten sie aber den Notarzt per Hubschrauber anfordern. Dieser käme aus Basel von der schweizerischen Luftrettung Rega. Das würde etwa eine halbe Stunde dauern, da man in Todtnau-Berg noch einen ortskundigen Luftretter der Bergwacht aufnehmen müsse. Hannes verriet mit keinem Wort, dass ihm dieses Procedere bekannt war.
Während der Ersthelfer Heidi Wagenknecht auf dem Absatz mit Sauerstoff versorgte und die oberflächlichen Wunden verband, schienen sich für die Wartenden die Minuten zu Stunden auszudehnen.
Nach längerem Warten hörten sie das ersehnte Hubschraubergeräusch. Kurz darauf wurde es an ihrem Standort laut und sehr windig. Da zunächst eine Geländeschau von oben stattfinden musste, kreiste der Helikopter etwa fünf Minuten über der Unfallstelle. Minuten, die wieder zur Ewigkeit zu werden schienen.
Endlich wurden zwei Mann abgeseilt. ›Notarzt‹ prangte groß auf der Jacke des einen. Der andere war der Luftretter der Bergwacht. Auf dem Boden angekommen, wurde der Arzt von dort aus weiter auf den Absatz herabgelassen. Da Heidi noch immer nicht aufgewacht war, intubierte er sie noch dort unten. Mittels einer Narkose wurde sie immobilisiert. Dann forderte er die Vakuummatratze an und legte ihr einen Stiffneck um den Hals. In der Spezialmatratze wurde Heidi auf eine Gebirgstrage gelagert und fixiert. Mithilfe eines Seilflaschenzuges zogen drei Bergwachtler die Gebirgstrage mit der Verletzten und dem Ersthelfer auf den Weg hinauf. Dort lagerte man sie in den Bergesack um und zog diesen, zusammen mit dem ebenfalls oben angekommenen Notarzt, in den Hubschrauber.
Beim Umlagern konnte Susanne das leichenblasse Gesicht von Heidi erkennen. Außerdem bemerkte sie, dass ein Arm geschient war. Sie schien also zumindest einige Brüche davongetragen zu haben.
Nachdem auch der ortskundige Bergflugretter wieder im Hubschrauber war, flog dieser direkt nach Freiburg in die Uniklinik. Während die Bergwacht aus Altglashütten ihre Ausrüstung noch zusammenpackte, gingen Hannes und Susanne schweigend zum Bus zurück. Er hatte den Arm um ihre Schultern gelegt, sie weinte leise.
Normalerweise hätte Hannes den Rettern ein kaltes Getränk aus seinem Bus angeboten, aber am Parkplatz angekommen, stand bereits die restliche Lehrergruppe vor dem verschlossenen Bus.
»Das wird aber auch Zeit«, ertönte sofort das unsägliche Organ von Dr. Küchenmeister. »Wir sind hier nicht zu unserem Privatvergnügen hergekommen. Es ist schon fast achtzehn Uhr. Wo bleiben Sie denn?«
Susanne informierte ihn und die anderen über das Vorgefallene. Dann bestieg sie hinter Hannes, der den Helfern diese unsägliche Gruppe ersparen wollte, den Bus.
Draußen herrschte Schweigen. Allen fehlten momentan die Worte. Auch sie stiegen in den Bus ein und Hannes fuhr wortlos nach Titisee.