Читать книгу Nur ein toter Lehrer ist ein ... - Heike Susanne Rogg - Страница 5
ОглавлениеStressige Wochen
Doch auch dieser endlos scheinende Schultag fand sein Ende. Endlich fuhr Susanne nach Hause. Den Weg dorthin unterbrach sie am Supermarkt und kaufte ein.
»Bin da!«, rief sie, nachdem sie schwer beladen das Haus betreten hatte und ihre Schuhe gegen Hausschuhe austauschte.
»Hallo, Schatz!« Hannes füllte mit seiner stattlichen Statur die Tür zum Esszimmer aus und begrüßte sie mit einem Kuss.
»Möchtest du einen Kaffee?«
»Gern, aber im Auto steht noch eine Kiste Milch. Kannst du die holen?« Susanne brachte ihre Einkäufe in die Küche.
»Ich sag’s ja, eine Kuh im Garten wäre bequemer bei deinem Milchverbrauch«, lästerte ihr Mann im Rausgehen.
»Die müsstest du aber zweimal täglich melken«, rief sie ihm nach.
»Aber ich würde das Rasenmähen sparen.«
Kurze Zeit später saßen sie gemeinsam am Esstisch. Jeder eine Tasse Kaffee vor sich.
»Und, wie war dein Tag?« Hannes nahm immer Anteil am Schulgeschehen.
»Beschissen, wie immer, wenn ich Betreuung habe«, lautete die eigentlich erwartete Antwort. Dann erzählte sie ihm ein, zwei Anekdoten von ihren Schülern. Diese kannte auch Hannes, denn standen Busausflüge an, fuhr er die Klasse seiner Frau. Das entlastete die Klassenkasse ungemein. Bei der Erwähnung des neuen Liedes von den freien Gedanken, welches Susanne ihren Schülern beigebracht hatte, musste er lachen.
»Das solltet ihr vielleicht auf dem nächsten Schulfest vorführen«, schlug er vor.
Später berichtete Susanne von dem Gespräch mit ihrer Kollegin. »Wenn man ihr doch irgendwie helfen könnte«, meinte sie.
»Schlag ihr doch vor, ein paar Tage nach Bad Krozingen zu gehen. Die haben doch bei mir damals auch rausgefunden, was mir fehlte. Und seitdem bin ich wieder ganz gesund.«
Susanne nickte: »Da hast du recht. Ich denke, ich werde in den nächsten Tagen noch mal mit ihr Kaffeetrinken gehen. Dann schlag ich ihr das vor.«
Diesen Vorsatz musste Susanne allerdings vertagen. Als sie am nächsten Morgen das Lehrerzimmer betrat, wurde sie bereits von stöhnenden Kollegen empfangen.
»Guten Morgen. Was ist denn mit euch los?«
Iris Schneider, die junge Referendarin, reagierte am schnellsten: »Heidi ist schon wieder nicht da. Wir müssen ihre Klasse aufteilen. So komme ich in diesem Monat schon das dritte Mal nicht zu meinem geplanten Unterricht. Wie sollen denn da meine Unterrichtsbesuche klappen?«
»Dafür kann aber Heidi nichts. Erst hatte Brigitte eine Fortbildung, dann war Anitas Tochter krank«, verteidigte Susanne die Kollegin. »Wahrscheinlich ist Heidi krank. Es ging ihr gestern schon nicht gut.«
Markus Kesper, der attraktive junge Kollege, schaltete sich ein: »Die sieht doch immer aus wie das Leiden Christi. Hoffentlich bekommen wir eine Vertretung, falls es länger dauert.«
›Gefühlloser Kotzbrocken‹, dachte Susanne, ›nur weil sie nicht in dein Beuteschema passt.‹ Der junge Kollege war bekannt für seine häufig wechselnden Beziehungen. Nur eignete sich das Kollegium in Webenheim nicht unbedingt dafür. Der Altersdurchschnitt der weiblichen Kolleginnen war einfach zu hoch.
Im Laufe des Vormittags informierte Dr. Küchenmeister das Kollegium darüber, dass Frau Wagenknecht länger ausfiele. Ab Montag käme dann stundenweise Christine Marcreiter als Vertretung. Die restlichen Stunden müssten sie selber regeln, da der Pool der Lehrerreserve mal wieder ausgeschöpft sei. Und Frau Wagenknecht wäre hoffentlich zum Lehrerausflug wieder gesund, sonst müsse er annehmen, sie wolle sich drücken.
Der Ausflug fand in drei Wochen statt!
Jetzt stöhnte auch Susanne. Selber regeln hieß in der Regel: zusätzliche Vertretungsstunden und Aufteilen der Klasse. Genauso kam es. Die drei Wochen bis zum Ausflug gestalteten sich überaus stressig. Neben den Vertretungsstunden und ihrer, durch die Aufteilung von Heidis Schülern, stark gewachsenen Klasse musste Susanne zusätzlich zwei Arbeiten schreiben. Noch dazu eine Mathearbeit und einen Aufsatz. Die eine musste, da Arbeiten nun mal nicht auf Bäumen wuchsen, erst konzipiert werden. Die andere gestaltete sich immer sehr korrekturintensiv. So kam es, dass der Vorsatz von Susanne, die kranke Kollegin einmal anzurufen oder zu besuchen, völlig unterging.
Schneller als gedacht stand man drei Tage vor dem Lehrerausflug. Dr. Küchenmeister ließ sich mal wieder im Webenheimer Lehrerzimmer blicken. Ein von allen gefürchteter Anblick, da er entweder motzte oder Arbeit verteilte. Heute ging er direkt auf Susanne zu, die unwillkürlich schrumpfte.
»Und, Frau Germann, geht mit dem Bus übermorgen alles klar?«
»Natürlich.«
Es war völlig überflüssig, einzuwenden, dass man Lehrer, die an Organisation und Improvisation gewöhnt waren, mit solchen Kleinigkeiten kaum überforderte.
»Mein Mann fährt selbst.«
»So, na ja, das war ja zu erwarten.«
›Ein einfaches Danke hätte auch genügt‹, dachte Susanne.
Da sie ihren Rektor kannte, hatte sie vorsichtshalber im Alemannenhof angerufen und ein zusätzliches Doppelzimmer für Hannes und sich gebucht. Dr. Küchenmeister hatte, wie von Susanne erwartet, nur die für das Kollegium notwendigen Zimmer bestellt. Von der Rezeptionistin des Hotels erfuhr sie, dass er dabei sogar ein Dreibettzimmer reserviert hatte, damit nur keine Kollegin in den Genuss eines Einzelzimmers kam. Diese Information hatte er während der Konferenz wohlweislich unterschlagen.
Nachdem der Rektor das Lehrerzimmer wieder verlassen hatte, kam die Personalrätin Brigitte Sommer-Thes auf Susanne zu.
»Mit wem willst du denn das Zimmer teilen?«, fragte sie, »ich hab da mal eine Liste erstellt.«
»Und, wie sieht die aus?« Susanne kannte den Klüngel im Lehrerzimmer ganz genau.
Brigitte sah auf ihre Liste. »Also, logischerweise nehmen unsere beiden Kollegen ein Zimmer zusammen, dann Claudia mit Sonja, ich und Anita, Christine und Sabine. Andrea teilt sich eins mit Iris. Bleiben noch du und Melanie. Geht das in Ordnung?«
»Und was ist, wenn Heidi doch mitkommt? Wo schläft sie dann? Danke, mich kannst du da raus lassen, ich habe ein Zimmer extra gebucht, und das teile ich mit meinem Mann. Dann kann sich Melanie mit Heidi eins teilen, oder Melanie kommt in den Genuss eines Einzelzimmers.«
Susanne war empört. Da war eine Kollegin mal vierzehn Tage krank und schon wurde sie vergessen. Dann regte sich aber auch ihr eigenes Gewissen. Sie hatte es ebenso versäumt, dass sie Heidi zumindest mal anrufen wollte.
Brigitte stand noch immer neben ihr. »Ach, das machen wir anders. Dann kann sich Anita eins mit Melanie teilen.«
Die Personalrätin belegte das mögliche Einzelzimmer sofort mit sich selbst. Ihre durchaus menschenfreundliche Organisation hatte sich am nächsten Tag allerdings erledigt. Heidi Wagenknecht erschien zwei Tage vor der Abfahrt wieder in der Schule.