Читать книгу Nur ein toter Lehrer ist ein ... - Heike Susanne Rogg - Страница 6
ОглавлениеLehrer on Tour
Freitagmorgen, fünf Uhr. Susanne und Hannes Germann verließen das Haus und fuhren los, den Bus zu holen. Um diese frühe Uhrzeit war auf dem Betriebshof noch nichts los. Hannes ging auf die Suche nach dem Bus, mit dem er die Lehrer in den Schwarzwald fahren sollte. Zunächst schimpfte er lautstark über die Idioten, die den Bus so in der Halle abgestellt hatten, dass er erst zwei Busse umrangieren musste, ehe er seinen rausfahren konnte. Dann beschimpfte er den Alkoholtester, der in französischen Bussen neuerdings Pflicht war. Bevor man nämlich den Motor anlassen konnte, musste man erst einmal pusten, wegen der 0,0 Promille, die für einen Busfahrer obligatorisch sind. Obwohl sein letztes Bier bereits sechs Tage hinter ihm lag, funktionierte dieses Teil erst nach dem achten Versuch. Es musste wohl eine spezielle Pustetechnik dafür geben.
Jedenfalls erreichte Hannes‘ Laune noch vor Abfahrt ihren Tiefpunkt.
»Dir ist hoffentlich klar«, maulte er, »dass ich das nur dir zuliebe mache. Ich hasse diese umgefallenen Telefonzellen.«
Susanne wusste genau, dass er damit die kleinen Busse mit weniger als vierzig Sitzplätzen meinte. Aber für ein Kollegium, welches aus nur vierzehn Personen bestand, wäre ein größerer Bus zu teuer geworden.
Trotz all dieser Widrigkeiten standen sie pünktlich um 5.45 Uhr auf dem Parkplatz vor der Schule. Da keiner gewagt hatte, unpünktlich zu sein, standen bis auf Dr. Küchenmeister alle bereit. Der Rektor erschien Punkt sechs Uhr.
Das Gepäck für zwei Tage war schnell verladen. Die Lehrer und Lehrerinnen suchten sich ihre Plätze im Bus. Weil Hannes den Motor hatte laufen lassen, fiel der Promilletest weg und sie konnten starten.
Da es dank des Schengener Abkommens einfach geworden war, schrankenlos durch Europa zu fahren, nahm Hannes den Weg über Bitche und Haguenau auf die mautfreie Autobahn Richtung Strasbourg.
Während fast alle Fahrgäste noch ein wenig schliefen, unterhielt sich Susanne leise mit Heidi. Beide saßen zusammen in der ersten Reihe, gleich hinter Hannes. Zum Glück hatte sich Dr. Küchenmeister in die letzte Bank verzogen. Die Kollegin wirkte noch zerbrechlicher als sonst. Ihre dunklen Augen stachen aus dem blassen Gesicht hervor. Eigentlich wirkte sie auf Susanne noch immer krank.
»Und? Geht es dir wieder gut?«, fragte sie deshalb.
»Es muss ja«, kam die resignierte Antwort.
»Was soll das denn heißen, es muss ja? Wenn du krank bist, bist du krank, auch wenn ein Lehrerausflug auf dem Programm steht.«
Heidi liefen zwei dicke Tränen über die Wange.
»Du weißt ja nicht, was dann los wäre. Seit einer Woche ruft unser Chef täglich mehrfach bei mir an. Zwar bin ich erst gar nicht ans Telefon gegangen, wenn die Schulnummer angezeigt wurde, aber einmal rief er von woanders an und hatte mich dran. Dabei drängte er dann wieder, dass ich unbedingt mit auf diesen Ausflug muss. Was soll ich denn da noch machen?«
Susanne war entsetzt.
»So weit geht der jetzt schon. Da müssen wir uns endlich etwas einfallen lassen. Nach dem Ausflug rede ich mal mit den anderen.«
»Mach das nicht«, kam es verzagt von Heidi. »Dann glaubt er ja doch wieder, es käme von mir und alles wird noch schlimmer.«
Susanne sagte vorerst nichts mehr, aber überlegte bereits, was sie gegen diese Form des Mobbings unternehmen wollte.
Kurz nach halb acht verließ Hannes die Autobahn an der Raststätte Brumath. Dort konnten alle noch einmal die kostenfreien Toiletten aufsuchen. Brigitte Sommer-Thes hatte als Personalrätin für ein Frühstück zu sorgen. Bald standen alle mit Lyoner, Baguette und Crémant auf dem Rastplatz und frühstückten. Nur Susanne besorgte für sich und Hannes Kaffee. Er durfte nicht und sie mochte keinen Sekt. Doch trotz des Alkohols blieb die Stimmung angesichts der folgenden zwei Tage mit dem geplanten ›attraktiven‹ Programm gedämpft.
Eine halbe Stunde später ging es weiter in Fahrtrichtung Schwarzwald. Hannes fuhr über Strasbourg und Lahr nach Freiburg, wo er die Autobahn in Richtung Titisee verließ. Jetzt lag nur noch das Höllental zwischen ihnen und ihrem Hotel. Manch einer im Bus dachte, dass im Prinzip das Höllental als Zielort durchaus passender gewesen wäre. Aber sie durchfuhren die vielen Kurven hinauf und passierten die drei Sprungschanzen von Hinterzarten.
Wären ihm seine Fahrgäste sympathisch gewesen, hätte Hannes ihnen reichlich Geschichten über diesen Teil des Schwarzwaldes erzählt. Heute aber schwieg er.
Am Alemannenhof angekommen, stieg er aus, streckte sich und stöhnte: »Dieser blöde chinesische King Long Bus. Man merkt, dass der für kleine Chinesen gebaut wurde«.
Dann begann er, das Gepäck auszuladen.
Dr. Küchenmeister sah mit Stirnrunzeln auf die Liste der Zimmerverteilung, die Brigitte Sommer-Thes ihm reichte. Dass Susanne mit ihrem Mann das Zimmer teilte, gefiel ihm überhaupt nicht. Nur sagen konnte er nichts, wollte er sich nicht blamieren. Hatte er doch bei der Zimmerreservierung den Busfahrer völlig vergessen. Also nahm er dieses ungeplante Familienidyll, entgegen seiner sonstigen Art, wortlos hin. Er würde seiner Untergebenen bei Gelegenheit schon erklären, dass es zu ihrer Aufgabe gehört hätte, eine separate Unterkunft für den Busfahrer zu organisieren.