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1.10.2Geständnisse beschuldigter Personen 70
ОглавлениеGeständnisse beschuldigter Personen RdErl. d. Pr.MdI. v. 22.6.1927 – II D 377 II
Der erfahrungsmäßig häufige Fall, daß Beschuldigte ein vor der Polizei abgelegtes Geständnis vor Gericht widerrufen, und infolgedessen mangels weiteren Schuldbeweises außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen werden müssen, gibt Veranlassung, die wichtigsten Erfordernisse einer Niederschrift einer verantwortlichen Vernehmung und insbesondere der Geständnisse beschuldigter Personen in Erinnerung zu bringen.
Wenn Beschuldigte auch nicht gezwungen werden können, überhaupt auszusagen oder gar eine wahrheitsgemäße Aussage zu machen, so wird es doch in den meisten Fällen durch freundliches Ermahnen oder ernstes Zureden neben wohlwollender Behandlung, geschickter Einwirkung auf das Ehrgefühl und durch Vorhalten der ermittelten Tatsachen möglich sein, den Beschuldigten zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zu veranlassen. Die Anwendung unlauterer Kniffe zur Herbeiführung eines Geständnisses oder ein mittelbarer oder unmittelbarer Zwang, wie seelische Einwirkung in Form von Drohungen oder gar körperliche Zwangsmaßnahmen, sind unzulässig und verboten. Nach § 343 StGB wird ein Beamter, welcher in einer Untersuchung Zwangsmittel anwendet oder anwenden läßt, um Geständnisse oder Aussagen zu erpressen, mit Zuchthausstrafe bedroht.
Wie aber jede Niederschrift einer Vernehmung nur dann Wert hat, wenn sie alles enthält, was zu den Tatbestandsmerkmalen der strafbaren Handlung gehört, so haben auch Geständnisse nur dann Beweiskraft, wenn Tatsachen eingeräumt werden, die den Tatbestand der strafbaren Handlung klar und deutlich erkennen lassen. Es erscheint deshalb erforderlich, nicht nur die kurze Tatsache eines Geständnisses etwa mit den Worten: „Ich räume die mir zur Last gelegte Straftat ein“ schriftlich niederzulegen, sondern über den Inhalt des Eingeständnisses, insbesondere über die Einzelheiten der Begehung der Tat, ein eingehendes Protokoll aufzunehmen und, wenn irgend möglich, solche Einzelheiten über die Ausführung der Tat aktenkundig zu machen, die nur der wirkliche Täter wissen konnte. Ist der Beschuldigte nicht ohne weiteres geständig, sondern wird er erst durch Vorhaltungen und Fragen zu einem Schuldgeständnisse veranlaßt, so empfiehlt es sich, auch die an ihn gerichteten Fragen und die darauf erteilten Antworten, die das Eingeständnis herbeiführten, zu protokollieren. Ein Vermerk am Schlusse des Protokolls, ob der Beschuldigte sein Eingeständnis ohne weiteres abgelegt hat, oder ob er erst durch Vorhaltungen und Fragen zu einem solchen bewogen werden konnte, wird ebenfalls zweckdienlich sein. Von ganz besonderer Bedeutung für die Entkräftung eines späteren Widerrufs ist auch die Namhaftmachung von Polizeibeamten oder sonstigen Zeugen, die der Vernehmung etwa beigewohnt und das Geständnis mit angehört haben. Auch die Protokollierung des Schuldbekenntnises mit den eigenen Worten und Ausdrücken des Geständigen wird stets geeignet sein, die Beweiskraft des Eingeständnisses zu erhöhen. Es bedarf keines besonderen Hinweises, daß den Beschuldigten in allen Fällen Gelegenheit zu ausführlichen Äußerungen und zu eigenen Ausführungen gegeben werden muß, und daß diese Ausführungen auch in dem von ihm gemeinten Sinne zu Protokoll zu bringen sind, daß also die Aussage ihm weder in den Mund gelegt werden, noch auch in einer den Wünschen des Vernehmenden entsprechenden Auffassung zu Papier gebracht werden darf.
Schließlich sei noch daran erinnert, daß nicht nur belastende, sondern auch entlastende Momente zu berücksichtigen sind, da nach § 136 Abs. 2 StPO die Vernehmung dem Beschuldigten Gelegenheit zur Beseitigung der gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe und zur Geltendmachung der zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geben soll.