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2Vernehmungen und andere Arten der Informationsgewinnung

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126Im Folgenden soll die Vernehmung, die an die formalen Vorgaben der StPO gebunden ist, von anderen Arten der Informationsgewinnung abgegrenzt werden.

127Fragt man Praktiker, was Vernehmung ist, ruft dies sanftes Lächeln hervor. Erweitert man die Frage dahingehend, was eigentlich eine Vernehmung, ein Verhör, eine Befragung, eine informatorische Befragung, eine verdeckte Befragung, eine Spontanäußerung und eine vernehmungsähnliche Situation ist, scheinen Unverständnis, Entsetzen und Sprachlosigkeit vorprogrammiert. Dies liegt daran, dass die Vernehmung als Begriff nicht nur nicht (gesetzlich) definiert ist, sondern mannigfaltig und schillernd ist … ohne klare Konturen aufzuweisen. Bei Veranstaltungen zu Vernehmungen (und deren Verwertbarkeit im Rahmen der Hauptverhandlung) stößt die Behauptung, es werde nicht – rechtzeitig und/oder richtig – belehrt, regelmäßig auf Widerstand, der darauf beruht, dass nicht ansatzweise klar ist, was eine Vernehmung ist. Genau in dieses Nirvana stößt Schumann,1 die selbst zutreffend sagt: „Auf dem Prüfstand steht … der Rechtsbegriff …, also die Frage, welche Form Gesetz und Recht für die Befragung des Bürgers durch den Staat zur Verfolgung von Straftaten vorsehen und warum.

128‚Vernehmung ist die dem Staat durch das Gesetz eingeräumte Kommunikationsform, den Bürger zu einem Tatverdacht zu befragen‘, ist ein Satz, den die meisten unterschreiben werden. Spannender ist aber die Beantwortung der Frage, ob dies in offener – erkennbarer – Form nicht auch die ausschließlich zulässige Kommunikationsform staatlicher Strafverfolgungsorgane ist. Schumann nähert sich dem Begriff der Vernehmung in traditioneller Auslegung, und zeigt, dass in der geschichtlichen Entwicklung Vernehmung und Verhör die amtliche Befragung unterschiedlicher Auskunftspersonen durch Richter war, wobei diese Situation offen liegt und erkennbar ist, also einen formellen Vernehmungsbegriff impliziert. Ein materieller bzw. funktionaler Vernehmungsbegriff ist historisch nicht belegbar. Allerdings stellt diese Feststellung zunächst ein Zwischenergebnis dar, ist doch die Auslegung einem Wandel von Zeit, Praktiken und Vorstellungen erlegen. Mit gewichtigen dogmatischen, auch verfassungsrechtlichen Argumenten wird allerdings dargelegt, dass eine förmliche Vernehmung die einzig zulässige strafprozessuale Befragungsmethode ist – auch im Hinblick auf die Validität der Aussagen und eines Grundrechtsschutzes durch das Verfahren. Informatorische Befragungen sind davon gedeckt, solange sie den Beschuldigtenstatus klären sollen, nicht aber Vorgespräche bei bestehendem Anfangsverdacht gegen die Auskunftspersonen. Verdeckte Befragungen unterfallen dann konsequent bereits einem Methodenverbot und greifen – mangels prozessualer Ermächtigung – in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein. Von Ihering lässt grüßen: ‚Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit. Denn die Form hält der Verlockung der Freiheit zur Zügellosigkeit das Gegengewicht, sie lenkt die Freiheitssubstanz in feste Bahnen, dass sie sich nicht zerstreue, verlaufe, sie kräftigt sie nach innen, schützt sie nach außen. Feste Formen sind die Schule der Zucht und Ordnung und damit der Freiheit selber und eine Schutzwehr gegen äußere Angriffe, sie lassen sich nur brechen, nicht biegen.‘ “

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