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Gemeinschaft durch Verschiedenheit
ОглавлениеDie Stärke des Deutungsangebots, das Durkheim schon vor mehr als einem Jahrhundert geliefert hat, liegt darin, dass uns die Augen geöffnet werden für die vielen neuen Formen von Gemeinschaft und sozialem Zusammenhalt, die erst in der modernen pluralistischen Gesellschaft möglich geworden sind. Nur so können wir über eine, übrigens in allen politischen Lagern zu findende, Position konservativer Kulturkritik hinausgelangen, die beim Blick auf unsere Gesellschaft nur noch Werteverfall, Verlust von Gemeinschaft und allgemeinen Egoismus sieht. Es ist wahr: Die alten Formen von Gemeinschaft, die starke Verbindlichkeit und oft lebenslanges Engagement implizierten, verlieren an Bedeutung. Wer wüsste das neben Parteien und Sportvereinen nicht genauer als die Kirchen!
Aber das heißt eben nicht automatisch, dass die Menschen nur auf dem Ego-Trip sind. In veränderter Form nehmen die sozialen Kontakte zu und auch die Bereitschaft zum Engagement nimmt keineswegs ab, sondern verändert sich vielmehr in ihrem Anforderungs- und Erwartungsprofil. Gemeinschaft wird heute zunehmend in Netzwerken erfahren, in Formen von Gemeinschaft also, die als genuine Produkte der modernen Gesellschaft gesehen werden können.
Was das Leben in Netzwerken kennzeichnet, will ich noch ein wenig erläutern: Das Charakteristische solcher Netzwerke lässt sich am besten anhand von drei Aspekten beschreiben, die ich Pluralisierung, Individualisierung und Gegenseitigkeitsorientierung nenne.