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Ehrenamtliche wollen mitreden
ОглавлениеAls Drittes zeichnet sich ein Charakteristikum ab, das ich Gegenseitigkeitsorientierung nenne. Der Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit tritt als Grundlage für das Engagement in der Gemeinschaft mehr und mehr an die Stelle des Opfergedankens. Auch hier ist Vorsicht angebracht: Gegenseitigkeitsorientierung heißt keineswegs automatisch, dass die Leute heute, ganz am ökonomischen Denken orientiert, nur noch eine Leistung erbringen wollen, wenn sie auch eine vergleichbare Gegenleistung bekommen. Es heißt vielmehr, dass die Menschen sich für andere engagieren, dies aber nicht mit dem Gefühl tun, sich aufzuopfern und selbst zu verleugnen, sondern mit dem Gefühl und der Erwartung, auch selbst davon zu profitieren.
Ehrenamtliche wollen sich heute nicht mehr ausbeuten lassen. Sie wollen sich selbst ernst nehmen, sie wollen mitreden, sie wollen sich fortbilden in dem, was sie ehrenamtlich tun. Sie wollen als eigenständige Persönlichkeiten geachtet werden und nicht als Hilfsarmee für noch so noble Zwecke missbraucht werden.
Auch für die Gegenseitigkeitsorientierung gilt: Sie lässt bestimmte Faktoren der Bindung an die Gemeinschaft, wie etwa die Bereitschaft zur Aufopferung, zurücktreten. Das, was sie aber an die Stelle solcher traditionellen Bindungskräfte setzt, enthält jedenfalls das Potenzial für eine gelingende Gemeinschaftsbeziehung unter den Bedingungen der Moderne, die ein Ernstnehmen des Individuums mit dem Engagement für die Gemeinschaft verbindet.