Читать книгу Lord Nelsons letzte Liebe - Heinrich Vollrat Schumacher - Страница 10

Siebentes Kapitel

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Bebend ging sie Nelson entgegen.

„Schon immer wünschten Sie meine Attitüden zu sehen. Heute möchte ich sie Ihnen zeigen. Unter ihnen eine neue, die hier noch nicht bekannt ist. Dido, von Askanius die Geschichte des Äneas hörend. Auf meine Bitte will Josiah den Askanius darstellen. Mr. Kidd aber will es nicht zugeben.“ Erstaunt sah Nelson Tom an.

„Ich verstehe nicht, Tom. Warum nicht?“ Tom hatte sich straff aufgerichtet.

„Lady Hamilton ist sehr schön, Euer Gnaden!“ sagte er mit zitternder Stimme. „Und Mr. Josiah... unaufhörlich spricht er von ihr. Ich fürchte ...“ Nelson fuhr zusammen, unterbrach ihn mit einer schnellen Bewegung.

„Was fällt dir ein? Wie kannst du eine harmlose Knabenschwärmerei mißdeuten? Außerdem ... du beleidigst Lady Hamilton! Nehmen Sie ihm seine Ängstlichkeit nicht übel, Mylady! Er ist eine gute, treue Seele, weiß aber nicht, was sich ziemt. Er wird Sie um Verzeihung bitten und Josiah herholen. Nicht wahr, Tom?“

Mit seinem guten Lächeln nickte er Tom zu. Tom rührte sich nicht. Düstere Schatten lagen auf seiner Stirn.

„Als wir von Burnham-Thorpe fortgingen, legte mir Mr. Josiahs Mutter auf, ihren Sohn vor allem Bösen zu bewahren ...“

,,Ich weiß es, Tom, ich weiß es! Geh nur!“

,,Ich habe geschworen, Euer Gnaden ...“ Dunkle Röte schoß in Nelsons Gesicht. Mit ein paar schnellen Schritten war er bei Tom.

„Bist du toll? Willst du mich zornig machen? Geh, sag’ ich dir, geh!“

Unwillkürlich schloß Tom die Augen, als könne er Nelsons flammenden Blick nicht ertragen.

„Euer Gnaden haben Tom Kidd das Leben gerettet,“ sagte er dumpf, tonlos. „Euer Gnaden haben Tom Kidd vor Schande bewahrt. Euer Gnaden können nicht wollen, daß Tom Kidd nun sein Wort breche und meineidig werde an Mr. Josiahs Mutter!“

Ein Zittern ging durch Nelsons Gestalt. Sich mühsam beherrschend, wandte er sich ab.

„Es ist gut, Hochbootsmann! Ihr habt mir den Gehorsam verweigert! Wünscht Euch Glück, daß ich nicht als Euer Kapitän vor Euch stand! Aber auch so ... Ihr könnt in Zukunft nicht mehr bei mir sein.“

Tom wurde totenblaß.

„Euer Gnaden!“ stammelte er. „Euer Gnaden ...“

„Kein Wort mehr, Hochbootsmann! Jetzt spricht der Kapitän. Geht an Bord, meldet Euch zum Dienst! Sobald wir wieder in Toulon sind, werdet Ihr den ‚Agamemnon‘ verlassen!“

Ergeben ließ Tom den Kopf auf die Brust sinken, machte vor Nelson die tiefe, linkische Verbeugung der Matrosen, ging langsam zur Tür.

Sein verstörtes Wesen schnitt Emma ins Herz. Ihr Zorn war verflogen.

„Seien Sie nicht zu hart gegen ihn, Mr. Nelson!“ bat sie. „Vielleicht ist sein Unrecht auch nicht so groß ... “

„Wenn er eine Dame beleidigt?“

Ihr Atem ging schnell. Wieder kam jene Gier über sie zu sprechen. Alles zu sagen.

Hastig hielt sie Tom zurück.

„Eine Dame ... für Tom bin ich keine Dame, Mr. Nelson! Es gab eine Zeit, da er mich hochschätzte ... höher, als eine Dame ... nun aber...“

Abwehrend hob Tom die Hände gegen sie.

„Sagen Sie es nicht, Mylady! Sagen Sie es nicht!“

Sie lächelte ihm zu. Zornig und mitleidig zugleich.

„Hast du mich jemals feige gesehen? ... Sie sind erstaunt, Mr. Nelson. Sie wissen

nicht, daß Tom und ich Landsleute sind, als Kinder miteinander gespielt haben. Ich kann Ihnen das alles jetzt nicht erklären. Eine Königin darf man nicht warten lassen. Später jedoch, wenn Sie mich anhören wollen ... ich bitte Sie, zu erlauben, daß auch Tom zugegen ist. Damit ich mich auch vor ihm rechtfertige. Für jetzt nur ein Wort. Ich gebe mich damit in Ihre Hand. Wenn man es hier erfährt ... man weiß, daß ich niedrig geboren bin, aber man weiß nicht ... Tom sprach einmal mit Mrs. Nelson von einem Mädchen ... damals, als er mit Sir John Willet-Payne zusammengetroffen war ... von Klein-Amy ...

Sie stammelte, stockte. Leicht hatte sie es sich gedacht. Ach, und es war doch so schwer!

„Klein-Amy?“ Nelsons Augen öffneten sich plötzlich weit. „Sie Mylady, Sie?“

Sie nickte stumm.

Ein schwüles Schweigen herrschte. Dann wandte Nelson sich zu Tom.

„Geh auf mein Zimmer! Warte auf mich! ... Wo ist Josiah, Mylady?“

Sie öffnete die Tür des Nebenzimmers.

„Kommen Sie, Josiah! Ihr Vater will Sie sehen!“

Lachend sprang der Knabe herein. Aber an einem Spiegel vorbeistreifend, erblickte er sich in seinem phantastischen Kostüm. Errötend blieb er stehen. Nelson ging zu ihm, bog ihm den Kopf zurück, sah ihm mit einem langen Blick in die Augen. Dann stieß er ihn lächelnd von sich.

„Geh, junger Askanius, zur Königin Karthagos. Erzähle ihr, was Äneas erlebte. Aber lüge nicht, wie es die Seefahrer lieben. Ein Gentleman bist du, verpflichtet zur Wahrheit!“

Er verbeugte sich vor Emma und ging.

Das Spiel begann ...

Sensibility ... Circe ... Nature ... Cassandra ... Maria Magdalena ... Bacchantin ... die heilige Cäcilie ...

Sie stellte an diesem Abend, der Nelson und dem Bündnis Neapels mit England gewidmet war, anfangs nur Bilder dar, die George Romncy in London einst von ihr gemalt hatte. Durch sie war er der berühmteste Porträtist Englands geworden, in zahllosen Kupferstichen waren sie über die ganze gebildete Welt verbreitet. Sir William hatte sie in kostbaren Mappen auf den kleinen Tischen des pompejanischen Zimmers ausgelegt. So vermochte man zu vergleichen und zu entscheiden, ob der Maler geschmeichelt hatte, als er in seinem Modell das Ideal klassischer Schönheit auf die Leinwand zu bannen versuchte.

Während Emma die abwechslungsreichen Gestalten in dem zarten Rahmen der Schleier erstehen ließ, gingen die Bilder von Hand zu Hand. Ausrufe des Staunens, der Bewunderung wurden laut. Bald aber legte man die Kupferstiche beiseite. Unter dem Reiz des Originals vergaß man den Vergleich mit dem Abbilde. Beifallsstürme folgten jeder Stellung. Der natürliche Zauber des Modells hatte über die Kunst des Malers gesiegt.

Es nahte Dido und Askanius ...

Eine leidenschaftliche Erregung hatte sich Emmas bemächtigt. Mit ganzer Seele war sie bei ihrer Kunst. Ihr verdankte sie im letzten Grunde Sir Williams Hand, ihre Aufnahme in die Gesellschaft Neapels, die Gunst der Königin. Nun aber war ihr eine Nebenbuhlerin erstanden. Elisabeth Vigde-Lebrun war vor der französischen Revolution nach Neapel geflüchtet; hier hoffte sie bei Maria Carolina dieselbe bevorzugte Stellung zu finden, die sie bei Marie Antoinette eingenommen hatte. Da stand Emma ihr im Wege. Ihre Schönheit zwar mußte sie anerkennen; hatte sie doch selbst in der Not der ersten Übersiedelung mit beiden Händen zugegriffen, als Sir William ein Bild Emmas bei ihr bestellte. Vorsichtig aber mischte die schlaue Ränkespinnerin leise Zweifel an Emmas Geist in die lauten Lobpreisungen ihrer Schönheit. Ließ versteckt durchblicken, daß Emmas Ruhm nur auf Romneys Talent gebaut sei. Seine Erfindung seien ihre bewunderten Attitüden, Emma nur sein willenloses Modell.

Und die Frauen Neapels, verschrien wegen ihrer Häßlichkeit, hatten das Wort der berühmten Malerin aufgegriffen. Nannten Emma maskenhaft und geistlos. Während doch Romney selbst einst Emma seine Muse genannt hatte, der er die Inspiration zu seinen Werken verdanke. Und in seinen Briefen klagte er, daß ihm nichts mehr gelinge, weil Emma ihm fehle. Emma mit ihrem starken Gefühl, mit ihrer reichen Phantasie, die sich leicht und schnell in jede Seelenregung zu versetzen wisse ...

Jene Neiderinnen Lügen zu strafen, ersann Emma seitdem für ihre Darstellungen stets neue Motive, ließ Sir William absichtlich über sie im Dunkel, damit man nicht ihm die Erfindung zuschreiben konnte.

Die Stimme des Dieners im Saale nannte das Bild.

„Dido und Askan!“

Lautlose Stille trat ein. Der Vorhang flog auseinander ...

Ein großer Spiegel an der gegenüberliegenden Wand warf die Gruppe im Lichte der Kerzen zurück. Jede Linie, jede Einzelheit konnte Emma sehen.

Die Hände auf die Lehnen eines altertümlichen Armstuhls stützend saß Dido. Wie in atemloser Spannung beugte sie sich vor, öffnete wie fragend die Lippen, richtete die Augen wie suchend in die Ferne. Zu ihrem Ohr neigte sich Askanius, streckte mit lebhafter, malender Gebärde die Hände aus.

Er war sehr schön. Seine braunen, schlanken Glieder, sein dunkles, lockiges Haar, seine Augen von der Farbe grauen Samts hoben sich wirkungsvoll von der weißen Wand der Grotte ab. Und der Gegensatz machte die blonde Schönheit der Königin noch strahlender. Der weite Ausschnitt ihres dunklen Gewandes ließ die reine Linie des Kopfes, den stolzen Schwung des Halses, die volle Wölbung der Brust sieghaft hervortreten. Die rosigen Farbentöne des reifenden Pfirsichs überhauchten das mädchenhaft junge Gesicht; in zarter Zeichnung wölbten sich die dunklen Brauen über den großen, meerblauen Augen; purpurn blühte der edle Bogen des Mundes. Um das alles rahmte sich die rotleuchtende Flamme des entfesselten Haares ...

Einen Augenblick blieben beide in der Stellung. Dann, wie hingerissen von der Größe des Gehörten, hob Dido ihre Hände zum Haupte Askans, zog ihn sanft an ihre Brust, neigte sich über ihn mit sehnenden Lippen. Küßte in der bebenden Empfindung ihrer jungen Liebe zu dem Vater die reine Stirn des Sohnes ...

Die Bewegung löste die atemlose Spannung der Zuschauer. Maria Carolina selbst gab das Zeichen zum Beifall; händeklatschend, laute Rufe der Begeisterung ausstoßend folgten ihr die anderen.

Über Josiahs Kopf hinweg lächelte Emma Nelson zu. Er saß neben der Königin, regungslos, wie festgebannt. Heißes Entzücken brannte in seinen Augen.

Anders wie Äneas würde er wohl niemals das Bild der Dido vergessen ...

Aber als sie nach dem letzten Schließen des Vorhangs Josiah freigab, erschrak sie. Mit dunkelgerötetem Gesicht taumelte er auf, stürzte sich plötzlich auf sie, umschlang ihren Nacken, bedeckte ihren Mund mit wilden Küssen ...

Lord Nelsons letzte Liebe

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