Читать книгу Lord Nelsons letzte Liebe - Heinrich Vollrat Schumacher - Страница 5

Zweites Kapitel

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Endlich war er fort. Sie nahm das Fernrohr, trat auf den Balkon, ließ den Blick suchend in die Runde schweifen.

Nun sah sie das Schiff. Hochbordig lag es auf der Flut, mit gerefften Segeln, sich am haltenden Anker wiegend. Dunkle Gestalten eilten über die Decks, standen auf den Rahen, glitten an den Masten auf und nieder. Auf der Hütte des Hinterdecks ein einzelner Mann.

Nelson ...

Der Hut beschattete sein Gesicht; Emma konnte es nicht erkennen. Und die Gestalt sagte ihr nichts. Anders hatte sie Nelson gesehen, vor zwölf Jahren, als er ihr zum erstenmal begegnet war ...

Sie ließ das Fernrohr sinken, schloß die Augen. Und aus dem Dunkel löste sich die Erinnerung, bis alles vor ihr stand, in hellem Lichte, wie es gewesen war ...

***

Aus Westindien mit zerrütteter Gesundheit nach England zurückgekehrt, hatte Nelson von Doktor Grahams elektrischer Heilmethode gehört und Hilfe bei ihm gesucht; heimlich, gegen den Willen seiner Angehörigen. Doktor Grahams Gehilfin aber war Emma damals gewesen.

Als sie, in dichte Schleier gehüllt, bei Nelson eingetreten war, hatte er in seinem Krankenstuhl gesessen, gelähmt, zum Skelett abgemagert, von Zorn erfüllt gegen das Leiden, das ihn vom Kriege zurückhielt. Anfangs hatte er nicht auf Emma geachtet, dann aber, als ihre Hände ihn zum ersten Male berührten, hatte er laut aufgeschrien, wie von einem jähen Schmerze durchzuckt.

Unter Emmas streichenden Händen aber war er eingeschlafen.

„Sehen Sie mich?“ hatte sie ihn gefragt, neugierig, ihre Macht über ihn zu erproben.

Sofort hatte er geantwortet. Ihr Gesicht hatte er beschrieben, ihre Gestalt. Voll Entzücken über ihre Schönheit. Und hatte sie doch nie zuvor gesehen.

Dann hatte er ihr seine Krankheit geschildert. Die Fieberanfälle, an denen er schon als Knabe gelitten hatte, die krampfhaften Zuckungen, die ihn ohne äußeren Anlaß überfielen, die Lähmungen und Ohnmächten, die ihn betäubten ...

Nachher hatte Doktor Graham sein Urteil abgegeben. Die Lähmung konnte geheilt werden; gegen das eigentliche Übel, Fallsucht, aber war auch die neue Wissenschaft machtlos. Ein unglücklicher Mensch ...

Erschüttert hatte Emma auf das feine, junge Gesicht gesehen, ihn mit weicher Bewegung geweckt. Die Augen öffnend, hatte er ihr zugelächelt. Mit einem stillen Lächeln, das ihn seltsam verschönte.

Aber als Doktor Graham ihn fragte, was er während seines Schlummers empfunden, hatte er sich an nichts erinnert ...

***

Sie hatte ihn nicht wiedergesehen. Sein Vater, ein frommer Gegner der neuen Wissenschaft, hatte ihn aus London fortgeholt und in die Bäder von Bath gebracht. Wie alles, was sie einst gern gehabt hatte, war auch Nelson aus Emmas Leben verschwunden.

So hatte sie gedacht. Nun aber tauchten die Schatten der Vergangenheit wieder auf.

Nelson kam ...

Ein lautes Geschrei weckte sie aus ihrem Sinnen. Vom Schlosse her kam eine Menschenmenge über den Strand, den Lauf einer königlichen Barke begleitend, die sich dem ‚Agamemnon‘ näherte. Unter dem gelbseidenen Baldachin saß der König, mit plumpen Handbewegungen die Grüße des Volkes erwidernd. Neben ihm, ein wenig zurück, stand Sir William in seiner goldstrotzenden Botschafteruniform; eifrig sprach er auf Ferdinand ein.

Nelson empfing seinen königlichen Gast auf der untersten Stufe der Schiffstreppe. Ein kurzes Gespräch folgte; plötzlich warf Ferdinand die Hände empor und umarmte den Seemann. Dann schien er den Booten, die ihm gefolgt waren, etwas zuzurufen.

Eine lebhafte Bewegung kam in die dichtgedrängte Menge am Strande, pflanzte sich nach der Stadt fort, stieg in die menschengefüllten Straßen empor. Mit ihr ein Ruf ...

Brausend, mit der Wucht einer dahinrollenden Meereswoge traf er den Palazzo Sessa.

„Toulon erobert, die Jakobinerflotte gefangen! Es lebe England! Es lebe der Kapitän des ‚Agamemnon‘, der Retter Italiens!“

Geführt von Nelson, gefolgt von Sir William, stieg Ferdinand die Schiffstreppe hinauf, lachend, winkend, seinem Volke Küsse zuwerfend. Als er den ‚Agamemnon‘ betrat, flog die Wappenflagge Beider Sizilien am Hauptmast empor und legte sich unter das St. Georgskreuz Großbritanniens. Wie ein

Symbol war’s, wie das Zeichen einer glücklichen Zukunft Neapels. Schützend schienen sich die Arme des Starken über den Schwachen zu breiten ...

Die Geschütze des ,Agamemnon‘ dröhnten den Königssalut. Die Schiffe im Hafen antworteten, das Arsenal, die Kastelle, die Forts. Rauchwolken wälzten sich empor, lagerten sich über den Golf, verhüllten die Bläue des Himmels. Und nun fielen auch die frommen Stimmen der Kirchen ein, Santa Maria del Carmine, Santa Anna dei Lombardi, San Domenico Maggiore, der Dom des heiligen Januarius ...

Ganz Neapel vereinigte sich zu einem tausendstimmigen Chor, unter dessen Heilruf die Erde zu beben schien ...

Eine seltsame Erregung hatte sich Emmas bemächtigt. Das Geschrei der Menge, der Donner der Kanonen, der schwingende Hall der Glocken drangen auf sie ein, jagten ihr heiße Schauer über den Leib, preßten ihr Tränen aus den Augen. Wie ein Rausch war’s.

Sie hatte Nelson gesehen, wie er in seinem Krankenstuhl lag, unfähig, sich zu bewegen. Und heißes Mitleid mit ihm hatte sie erfüllt. Nun aber ...

Ach, warum war sie ein Weib! Alle Triumphe der Schönheit, alle Entzückungen der Künste, alle Erfolge der Politik — was waren sie gegenüber diesem Himmel und Erde durchbrausenden Hymnus des Kriegsruhmes?

Mann, Krieger sein! Ein Sieger sein, vor dem die Menschheit in den Staub sank! Sie beneidete ihn nun ...

***

Eine Stunde später brachte ihr Mr. Clarke ein Billett Sir Williams.

Liebe Emma!

Toulon ist erobert, die französische Flotte genommen. Ausführliches später mündlich!

Der ,Agamemnon‘ wird einige Zeit hierbleiben, da er neapolitanische Truppen nach Toulon bringen soll, um die Stadt gegen einen Angriff der Jakobiner unter Robespierre und einem gewissen Buonaparte zu verteidigen. Ich habe Mr. Nelson daher eingeladen, bei uns zu wohnen.

Wir sind augenblicklich bei einer Staatsratssitzung im Schloß. Nazone schläft merkwürdigerweise nicht, wie gewöhnlich; Maria Carolina strahlt. Beide sind entzückt von dem kleinen Kapitän, der, nach Blick und Stimme zu urteilen, allerdings etwas von dem Zeug zu einem großen Admiral zu haben scheint. Er hat mir ein Empfehlungsschreiben vom Prinzen Wilhelm gegeben, auch winkte mir die Königin ziemlich deutlich, daß sie ihn gern in der Nähe am Lande hätte. Ich habe also beschlossen, den Mann ein wenig zu protegieren. Daher die Einladung. Gib ihm die Zimmer, die wir für den Prinzen instand setzen ließen. Ein tüchtiger Seemann mit aussichtsvoller Zukunft ist schließlich nicht weniger wert, als ein liederlicher Prinz mit vergeudeter Vergangenheit, der sich zum Besuche anmeldet, einen armen Gesandten in Unkosten stürzt und dann doch nicht kommt.

Mr. Nelson läßt sich Dir unbekannterweise empfehlen. Er ist etwas ungelenk, kein Adonis, macht aber sonst einen ganz anständigen Eindruck. Mütterlicherseits ist er mit den Walpoles verwandt. M. C. gegenüber, die ihm lebhaft Avancen macht, ist er von geradezu komischer Schüchternheit. Frauenkenner scheint er nicht zu sein.

Bereite also alles vor; ich bringe ihn gleich aus dem Staatsrat mit. M. C. grüßt Dich, sie hofft, Dich morgen zu sehen. Heute sollst Du, wie sie sagt, dem Gaste gegenüber Deine Hausfrauenpflichten erfüllen und Dich ihm von der schönsten und liebenswürdigsten Seite zeigen. Meine eigenen Wünsche stimmen damit überein.

Ich küsse Deine Hände und hoffe, ihnen noch heute das ‚Märchen‘ überliefern zu können. In Eile

Dein

William Hamilton.

***

Sie empfing Nelson in dem griechischen Zimmer, das zu ihrer Schönheit einen Rahmen bildete, als sei sie dem alten Hellas entsprossen.

Als er sie erblickte, öffneten sich seine Augen weit. Staunen malte sich in ihnen, Bewunderung. Und etwas, fast wie Schrecken. Verwirrt stammelte er eine Entschuldigung, daß er es wage, ihre Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen.

Sie lächelte mit leisem Spott. Sie war an diese stummen Huldigungen der Männer gewöhnt. Aber daß auch Nelson ihrer Schönheit seinen Tribut zollte, erfüllte sie mit heimlichem Widerwillen gegen ihn. Warum war er nicht so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte — anders als die anderen?

Mit lässiger Handbewegung forderte sie ihn zum Sitzen auf, antwortete kühl. Und wider ihren Willen nahm sie den gezierten Ton der Salongespräche an, der ihr sonst so zuwider war.

„Der Überbringer guter Nachrichten bedarf keiner Entschuldigung, Herr Kapitän. Um so weniger, je größer sein Verdienst an ihnen ist. Ich bedauere nur, daß wir Ihre Ankunft nicht voraussehen konnten, um für den Sieger von Toulon das schuldige Lorbeerreis in unseren Gärten zu brechen!“ „Für den Sieger?“ Er hatte sich bereits gesetzt, stand aber nun wieder auf. Dunkle Röte schoß in sein Gesicht; seine Stimme klang gereizt. „Mylady wollen verzeihen, aber ich weiß nicht, wen Mylady mit diesem Sieger meinen!“

Lachend drückte ihn Sir William in seinen Sessel zurück.

„Ein Mißverständnis, mein lieber Kapitän! Es liegt meiner Frau ganz fern, Sie irgendwie verletzen zu wollen. Sie weiß ja noch gar nichts Näheres über Toulon! Darf ich für einen Augenblick den Vermittler spielen und ein Aufklärungsschiff gegen diese hübsche, schlanke Fregatte entsenden? Sie werden sehen, sie ist gar nicht so feindlich gesinnt und unter ehrenvollen Bedingungen sogar bereit, die Flagge zu streichen.“

Und er erzählte Emma, was Nelson im Staatsrat über die Besitzergreifung von Toulon berichtet hatte.

Dort hatte der Untergang der gemäßigten Girondisten durch den Konvent unter Danton und Robespierre einen Aufstand hervorgerufen. Als aber die mordend und plündernd heranziehenden Jakobiner die Stadt bedrohten, waren die Bürger mit dem Blockadegeschwader der vereinigten Engländer und Spanier in Unterhandlung getreten. Am 28. August hatten sie die Stadt und die im Hafen blockierte Flotte an Lord Hood und Admiral Langara übergeben.

„Achtundfünfzig Schiffe hat Frankreich verloren!“ schloß Sir William triumphierend. „Ein Erfolg, der uns zwei, drei blutige Schlachten spart! Sie schütteln den Kopf, Kapitän?“

Nelson zog die Augenbrauen zusammen. „Verloren? Hat es sie verloren? Sie schwimmen noch auf dem Wasser und Frankreich kann sie wiedergewinnen. Sein Glück aber ist Englands Unglück. Nach meiner Meinung, die ich auch im Kriegsrat vertreten habe, hätte man sie ohne weiteres verbrennen müssen. Langara aber erhob Widerspruch!“

Sir William nickte.

„Von seinem Standpunkt als Spanier. Verschwindet Frankreich von der See, so ist Spanien England gegenüber ohnmächtig.“

Nelsons Augen sprühten.

„Aber mußte Hood ihm beistimmen? Wer sich auf den Standpunkt der anderen stellt, wird nicht Herr über seine Feinde. Nehmen und vernichten ist der einzig mögliche Weg für England!“

Wieder nickte Sir William; halb zustimmend, halb mitleidig.

„Sie sind noch jung, mein lieber Kapitän; denken und fühlen als Krieger!“ sagte er in lehrhaftem Tone. „Ein Staatsmann aber darf die öffentliche Meinung nicht vor den Kopf stoßen, muß stets einen Schein des Rechtes vorweisen können. Wissen Sie, wie ich an Hoods Stelle gehandelt hätte? Ich hätte die achtundfünfzig Schiffe in Verwahrung genommen. Nur in Verwahrung! Und zwar für Ludwig XVII. Für ihn als Sohn und Erben Ludwigs XVI. führen wir ja offiziell den Krieg mit der Republik. Das Recht wäre also auf unserer Seite gewesen. Allerdings müßten wir ihm die Schiffe zurückgeben, sobald er auf den Thron kommt. Aber schließlich würden wir auch dann ein Recht finden, die Auslieferung zu umgehen. ,Nehmen und vernichten!‘ sagen Sie als Soldat; ,nehmen und behalten!‘ sage ich als Staatsmann. Und ich glaube, daß mein Prinzip für Altengland einigen Vorteil haben würde. Hoffentlich hat Hood keine Übereilung begangen und die Entscheidung hinausgeschoben, bis er Anweisungen aus London erhält.“ Nelson zuckte die Achseln.

„Er hat bereits entschieden! Und zwar ganz im Sinne Eurer Exzellenz!“

„Wirklich? Dann hat er mehr Talent, als ich ihm zutraute. Oder er hat Instruktionen für den Fall gehabt. Pitt sieht ja alle Möglichkeiten jahrelang voraus!“

Schweigend hatte Emma zugehört. Langsam stand sie nun auf. Sie dachte an den Rausch von Ruhm und Größe, der vor kaum ein paar Stunden über sie gekommen war. Einen Helden hatte sie in Nelson erblickt, einen Sieger ...

„Und darum donnern die Kanonen, läuten die Glocken!“ stieß sie voll Ekel heraus. „Darum jubelt das Volk! Es lebe Nelson, der Retter Italiens! Um einen Diplomatenkniff! Um ein Spitzbubenstückchen!“

Nelson fuhr auf, wollte etwas erwidern. Aber Sir William kam ihm zuvor. Mit einem Ausbruch seines kichernden Gelächters.

„Nenn’ es, wie du willst, Kind! Auf den Namen kommt es nicht an, nur auf die Sache. Und die steht für England glänzend. Das erkannte selbst dieser Ferdinand. Als Nelson sechstausend Mann für Hood verlangte, wartete er Maria Carolinas Zustimmung nicht ab, sondern bewilligte sie aus höchsteigener Initiative. Am liebsten hätte er sich selbst an die Spitze seiner Liparioten-Leibgarde gestellt, um die französischen Schiffe noch einmal zu erobern, jeder Zoll ein König und ein Held! Nehmen Sie meine Frau nicht tragisch, Mr. Nelson. Sie träumt sich die Dinge gern vollkommener, als sie sind, und ärgert sich, wenn sie sieht, daß es nach Schönheit und Edelsinn nicht immer geht. Frauenromantik!“

Nelson hatte sich gefaßt. Höflich verbeugte er sich vor Sir William.

,,Ich begreife Ihren Standpunkt vollkommen, Exzellenz!“ sagte er, und etwas wie Ironie schien durch den Ton seiner Stimme zu klingen. „Doch glaube ich auch Mylady zu verstehen. Nicht wahr, Mylady glauben, daß ich mich durch das Beifallsgeschrei der Neapolitaner geehrt fühle?“

Er hatte sich ihr zugewandt und sah ihr gerade in die Augen. Sie warf den Kopf zurück, hielt seinen ernsten Blick aus.

„Es ist so, Sir! Ich glaube das!“

Ein harter Zug grub sich um seinen Mund, machte ihn eisern.

„Ich danke Ihnen, Mylady. Ich wünschte, daß alle unsere englischen Frauen diesen Mut zur Wahrheit besäßen. Sie halten mich also für einen eitlen Streber, der nach Ruhm lechzt? Gleichgültig, ob er ihn verdient oder nicht?“

Eine seltsame Lust kam über sie, ihn noch mehr zu verletzen, noch stärker zu reizen.

„Wenn Sie anders denken, warum sind Sie dem falschen Schein nicht aus dem Wege gegangen? Warum haben Sie das Hosianna des Pöbels angenommen?“

Er wich zurück, als habe sie ihm einen Schlag versetzt.

„Auch ich besitze ein wenig Stolz, Mylady, obgleich ich nur ein einfacher Kapitän bin. Aber ich kam hierher im Dienste Seiner Majestät. Mit dem Aufträge meines Admirals, um jeden Preis Truppen für Toulon zu beschaffen. Alles hing für uns von der Willfährigkeit Neapels ab. Durfte ich das Volk, das uns Soldaten liefern soll, in seinem Glauben an unseren Sieg erschüttern? Und dann — nicht mir persönlich galt der Beifall; meiner Flagge jubelte man zu, der Flagge Englands, an deren Sieg sich Italiens Hoffnungen knüpfen. Durfte ich mich dagegen wehren? Ja, wenn ich an diesen Sieg nicht glaubte! Aber ich glaube an Englands Flagge, Mylady. Wie ich an Gott glaube. Und eines Tages hoffe ich zu beweisen, daß ich heute nicht ganz unwürdig war, das Kreuz des heiligen George zu repräsentieren. Vielleicht, daß Mylady doch noch einmal Gelegenheit haben, ein Lorbeerreis in den Gärten Neapels für mich zu brechen. Oder auch ein Zypressenreis. Wie es das Kriegsglück will!“

Rauh, heftig hatte er begonnen. Um in einem leichten, fast scherzenden Tone zu enden. Seine Augen hatten sie nicht losgelassen. Augen, aus denen es wie Flammen zu ihr herübergriff.

Eine seltsame Empfindung durchrieselte sie.

Wie er von Gott gesprochen hatte! Wie einer, der glaubte.

Und dann ... sie sah das heimliche, mitleidige Lächeln, mit dem Sir William auf Nelson blickte. Der schleichende Spötter auf den ehrlichen Mann „Ich glaube Ihnen, Mr. Nelson,“ sagte sie warm, in plötzlicher Aufwallung. „Ich bitte Ihnen meinen Argwohn ab. Sie würden ihn begreiflich finden, wenn Sie unter Italienern lebten. Alles spioniert, klatscht, intrigiert. Und eitel sind sie! Wenn sie sprechen, schreien sie, sehen sich nach allen Seiten um, ob man sie auch hört und ihnen Beifall zollt!“

Sir William bewegte sich unruhig. „Künstlernaturen wollen mit besonderem Maße gemessen werden. Eigentlich müßten sie dir sympathisch sein. Da du selbst Künstlerin bist, sind sie dir wesensverwandt.“

Sie wandte ihm ihre blitzenden Augen zu. Freude erfüllte sie, daß sie mit ihren Worten ihn selbst treffen konnte, der in den neunundzwanzig Jahren seiner Gesandtschaft längst zum Italiener geworden war.

„Gewiß, sie sind uns Frauen wesensverwandt. Schauspieler sind sie, Poseure. Weiber, listige Weiber. Aber gerade darum sind sie uns unsympathisch. Weil wir uns nach unserem Gegenteil sehnen. Nach einer freien Kraft, zu der wir aufblicken können. Die wir vielleicht auch ein wenig — fürchten wollen. Ja, das wollen wir. Fürchten wollen wir uns, wenn wir lieben.“ Sie nickte ihm zu, mit einem Lachen, das seinem schadenfrohen Kichern ähnelte. „Weißt du nun, warum ich mich vor dir fürchte?“

Seinen Ärger hinter einer gemachten Lustigkeit versteckend, haschte er nach ihrer Hand, streichelte sie zärtlich.

„Schwärmerin! Hab’ ich nicht eine ausgemachte Phantastin zur Frau, Mr. Nelson?“

Sie wußte, daß sie und Sir William in diesem Augenblicke das Bild einer glücklichen, durch nichts getrübten Ehe boten. Las den Eindruck in Nelsons Augen. Vorhin, beim ersten Sehen, hatte er sie da nicht angestaunt, bemitleidet? Die in der reifen Schönheit ihrer achtundzwanzig Jahre blühende Frau an der Seite des dreiundsechzigjährigen Greises ...

Nun würde er nicht mehr den Kopf über sie schütteln, sie nicht mehr für eine leichte Beute halten ...

Lord Nelsons letzte Liebe

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