Читать книгу Lord Nelsons letzte Liebe - Heinrich Vollrat Schumacher - Страница 11

Achtes Kapitel

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...So wurde aus der Emma Lyon die Lady Hamilton. Nun verurteilen Sie mich! Wie meine Feinde mich verurteilen.“

Langsam stand sie auf, warf die Papiere in die Kassette zurück, ging an den Männern vorüber durch die offene Tür auf den Balkon.

Schonungslos hatte sie ihr ganzes Leben vor Nelson aufgedeckt. In alle Abgründe hatte sie ihn blicken lassen, durch die sie geschritten war. Hatte ihm den Lug und Trug gezeigt, den Greville gesponnen, um sie in Sir Williams Arme zu treiben. Und wie sie sich gerächt.

Auch die Beweise hatte sie gezeigt. Grevilles Briefe an Sir William. Durch Diebstahl war sie zu ihnen gelangt. In einer Nacht des Elends ...

Hüllenlos lag ihre Schmach nun vor Nelsons Augen. Und vor ihr reckte sich die Frage auf ...

Wie eine Angeklagte auf das Urteil des Richters wartete sie. Litt unter der atemlosen Schwüle der Spannung. Warum sprach er nicht? Sah er nicht, daß sie in diesem schrecklichen Schweigen verging?

Plötzlich erhob er sich. Zusammenfahrend blickte sie zurück. Aus dem dunklen Winkel, in dem er ihr zugehört hatte, trat sein blasses Gesicht in den Lichtkreis der Lampe. Ein seltsames Leuchten war in seinen Augen.

Vor Tom stehen bleibend, wies er nach der Tür. Schweigend verließ Tom das Zimmer.

Dann ... glühend quoll eine Blutwelle in Emmas Herzen auf ... er kam ...

Aber in diesem Augenblicke kehrte Tom zurück. Mr. Clarke begleitete ihn, ein Schreiben in der Hand.

Hastig trat Emma wieder ins Zimmer, ging ihm entgegen.

,,Mr. Clarke? Was ist?“

Er verbeugte sich, mit der unerschütterlichen Ruhe des Diplomaten. Überreichte Emma das Papier.

„Vincenzo sagte mir, daß Seine Exzellenz mit dem Könige nach Caserta gefahren sind. Für solche Fälle bin ich an Mylady gewiesen. Und da die Depesche vielleicht wichtig ist ... eine Feluke brachte sie soeben, von unserem Konsul in Sardinien.

Emma öffnete, übersetzte die Chiffreschrift. Dann gab sie das Papier dem Sekretär zurück.

„Senden Sie es durch einen reitenden Boten nach Caserta. Der Konsul schreibt, daß französische Kriegsschiffe an der Küste gesehen worden sind ...

Nelson fuhr auf.

„Bei Sardinien? Sollte die Flotte von Brest sich bei Gibraltar durchgeschlichen haben?“ Er überlegte einen kurzen Augenblick, wandte sich dann zu Tom. „Wecke Josiah! Geh mit ihm an Bord! Sage dem Wachoffizier: klarmachen zur Abfahrt! Ich komme sofort. Mylady ist vielleicht so liebenswürdig, mir ein paar Leute für das Gepäck zur Verfügung zu stellen?“

Sie sah ihn an, wie betäubt.

„Sie wollen fort? Ohne Abschied von den Majestäten? Und das Fest, zu dem Sie eingeladen haben?“

Er machte eine kurze, wegwerfende Handbewegung. Seine Stimme klang wie Stahl. Seine Augen brannten.

„Ich bitte, mich bei den Majestäten zu entschuldigen und das Fest absagen zu lassen. Ich bin ein englischer Seemann und der Feind ist in Sicht. Würden Sie mir eine Abschrift der Depesche geben, Mr. Clarke? Ich muß meine Fahrt nach Sardinien vor Lord Hood rechtfertigen!“ Er kam, während Mr. Clarke das Zimmer verließ, zu Emma. „Ich bedauere die Störung, Mylady. Aber der Krieg ... Ich danke Exzellenz von Herzen für verschwenderisch gewährte Gastfreundschaft. Exzellenz dürfen versichert sein, daß diese schönen Wochen ...“ Er begegnete ihren Augen, brach verwirrt ab. Vermochte nur noch zu stammeln. „Leben Sie wohl, Mylady! Möge Gott Ihnen Glück schenken ... Glück ...

Sie lächelte, voll Bitterkeit.

„Und das ist alles? Haben Sie Klein-Amy sonst nichts zu sagen? In diesen Tagen ... ich hoffte, einen Freund gewonnen zu haben. Nun aber ... da ich ihm Wahrheit gab ... habe ich ihn verloren, Mr. Nelson? Habe ich ihn wieder verloren?“

Er schien bewegt. Rang nach Worten. Fand keine. Dann, wie einer plötzlichen Eingebung folgend, zog er ein Blatt hervor.

„Ich schrieb heute morgen einen Brief an meine Frau. Wollte ihn Sir Williams nächstem Kurier nach London mitgeben. Ich habe mir darin auch ein Urteil über Mylady erlaubt. Ehe ich wußte, was Mylady mir vorhin mitteilten. Wollen Mylady lesen?“

Er hielt ihr das Blatt hin, deutete auf die Stelle. Emma las.

„Lady Hamilton ist außerordentlich gut und freundlich zu Josiah. Sie ist eine junge Frau von tadellosem Benehmen und macht dem hohen Range, zu dem sie gelangt ist volle Ehre.“

Emma erbebte.

„So schrieben Sie heute, am Morgen! Doch nun ... am Abend?“

Ein weiches, gutes Lächeln erhellte sein strenges Gesicht.

„Ich habe nichts zu ändern, Mylady! Wollen Sie den Brief meiner Frau zusenden?“

Er reichte ihn ihr. Einen Augenblick berührten sich ihre Hände. Da kam: es über sie, stärker als ihr Wille. Sie preßte seine Hand zwischen den ihren, drückte sie an ihre Brust, an ihre Lippen. Tränen traten ihr in die Augen.

„Mein Freund“, murmelte sie. „Mein Freund ...“

Plötzlich ... etwas Seltsames geschah ...

Während sich ihr, vom Herzen heraufsteigend, ein glühender Blutstrom bis in die äußersten Spitzen der Finger ergoß, fühlte sie, daß Nelsons Hand kalt wurde. Schweiß trat auf seine Stirne. Sein Gesicht wurde wächsern, wie das eines Toten.

Erschreckt gab sie ihn frei. Aber seine Hand blieb ausgestreckt, starr in der Schwebe. Als habe sie einen eigenen Willen, stärker als der ihres Besitzers. Hilflos sah Nelson auf sie hin, schweigend, in ohnmächtiger Verzweiflung. Fröstelnd bebten seine Lippen. Als kröche aus den Marmorfliesen des Fußbodens eisige Kälte an ihm empor ...

Doch nun ... wie von einem Hammerschlage getroffen, schnellte die Hand jäh zur Seite, fuhr in wilden Zuckungen hin und her ...

Ein furchtbarer Kampf zwischen ihr und Nelson begann. Die Zähne zusammenbeißend suchte er den Arm zu krümmen, die ineinander gezogenen Finger zu öffnen. Lange mühte er sich vergebens. Endlich löste sich der Krampf, die Finger spreizten sich auseinander, die Hand sank herab.

Ein tiefes, zitterndes Seufzen kam aus Nelsons Brust.

„Es ist nichts, Mylady!“ sagte er dann hastig. „Eine Nachwirkung des Fiebers, das mich in Westindien heimsuchte. Verzeihen Sie den peinlichen Anblick. Und ... leben Sie wohl! Leben Sie wohl!“

Sie sah seine Verwirrung, seine Verlegenheit. Ließ ihn wortlos gehen. Horchte auf das Geräusch seiner Schritte, bis es in den weiten Gängen verhallt war. Dann verriegelte sie die Tür. Unmöglich erschien es ihr, in dieser Nacht noch andere Gesichter zu sehen, andere Stimmen zu hören. Mochten Josiah und Tom ohne Abschied von ihr gehen. Was lag daran! Niemals würde sie Nelson Wiedersehen ...

Niemals?

Sie trat auf den Balkon, kauerte sich nieder, legte den Kopf in die aufgestützten Hände. Starrte ins Dunkel. Sann ...

Sie wußte es nun. Dieser Abschied hatte es ihr offenbart. Und jener wahnsinnige Traum in Sir Williams Armen. Sie liebte Nelson ...

Und nun war er gegangen.

Niemals?

Einst war sie aus den Straßen Londons emporgestiegen, hatte sich in Grevilk's Arme gestürzt ...

Ich liebe dich! Nimm mich!

Wahr und groß war sie damals gewesen.

Heute aber, nach der langen Schmach der widerwillig geduldeten Umarmungen ...

Vielleicht hätte Nelson ihrer Schönheit nicht widerstanden. Aber sein Herz gehörte seiner Frau. Zu derselben Niedrigkeit hätte die Verführerin ihn verleitet, an der ihre Seele krankte. Und nachher hätte er sie verachtet, verflucht.

War es nicht gut, daß er gegangen war?

Niemals?

Fröstelnd erhob sie sich, wollte ins Zimmer zurückkehren. Aber in diesem Augenblicke dämmerte im Osten der erste graue Schein des neuen Tages. Eilig holte sie das Fernrohr herbei, spähte nach dem Schiffe.

Nun sah sie es. Schon spannten sich weiße Segel an den Masten, blähten sich in der leichten Brise des Morgens. In festen Rhythmen drang ferner Gesang durch die Stille. Die Matrosen wanden den Anker auf. Langsam glitt das Schiff über die Flut.

Heller wurde der Schein. Rosige Lichter durchspielten ihn. Plötzlich ergossen sich unermeßliche Ströme purpurner Gluten über den lichten Saphir des Himmels, den blauen Guß des Meeres, den glänzenden Smaragd der Matten. Zu allen Höhen schwangen sie sich empor, fluteten hinüber nach Misenum, nach Ischia, auf der wie ein Opferaltar der Epomeo glühte, während der Vesuv seinen rauchenden Schatten weit über die See trieb.

Aus diesem Schatten trat der ,Agamemnon‘. Flammendiademe leuchteten auf den Spitzen seiner Masten, ein purpurner Mantel bedeckte seinen Leib. Auf den brennendroten Flügeln seiner Segel schien er dem Meere zu entschweben, wie einem Horste. Himmelan zur Sonne. Ein königlicher Aar.

Hinter Misenum verschwand er. Während die Sonne erschien. Über den Monte Somma spannte sie den goldenen Bogen ihres Lichts. Kristallhell tauchte der Morgen aus der Flut.

Strahlend lächelte Parthenope …

Lord Nelsons letzte Liebe

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