Читать книгу Leben ohne Rezept - Heinz Marecek - Страница 12
Dorli
Оглавление»Es ist schon eine seltene Gnade, wenn man in meinem Alter, ohne eine Brille gebrauchen zu müssen, lesen, schreiben, wandern und sich des Lebens freuen kann.« (aus: Lebenserinnerungen im Alter von 86 Jahren von Samuel Scherz)
Diese Zeilen stammen vom Großvater meiner Großmutter, der seinen Enkelkindern sehr viel mit in die Wiege gegeben hat. Er selbst lernte zunächst Buchbinderei, weil er darin die Chance sah, viele Bücher zu lesen. Als Geselle durchwanderte er die Schweiz und weite Teile Frankreichs, bis er sich in Bern zunächst als Buchbinder, später als Armeninspektor niederließ. Die Liebe zu Büchern vererbte er seinem Enkel Alfred, der nicht nur eine Buchhandlung aufmachte, sondern auch einen Verlag, den Scherz Verlag, gründete. Die Buchhandlung hat seine Tochter, meine Patentante, übernommen.
Meine Dorli und meine Anna
Meine Besuche in Bern bei meiner Großmutter waren immer von zwei Highlights gekrönt: Erstens gab es im Herbst Maroni, was ich von Berlin nicht kannte, und zweitens durfte ich stundenlang bei meiner Tante in der Buchhandlung stöbern und mir Bücher aussuchen.
Seine Enkelin Dorli, meine Großmutter, hat von ihm das soziale Engagement geerbt. Nachdem sie sehr früh Witwe geworden war, hat sie die Leitung des Roten Kreuzes in Bern übernommen. Jedes Mal, wenn ich sie am Westbahnhof abholte, sagte sie: »Das erste Mal war ich hier, als wir 1956 unsere ungarischen Flüchtlingskinder abgeholt haben.«
Ob sie wohl das Verhalten »ihrer« Ungarn im Jahr 2015 verstanden hätte?
Anders als ihr Großvater wurde meine Großmutter im Alter leider blind. Trotzdem hat sie sich noch mit über 90 auf die weite Reise von Bern nach Wien gemacht und blieb wochenlang bei uns. Obwohl sie nichts mehr sah, blieb sie neugierig, wollte immer mit ins Theater und ging jeden Tag spazieren. Sie hatte die unendliche Geduld, mit Sarah tagelang am Boden sitzend Puppen zu spielen. Vorlesen konnte sie ihr nicht mehr, aber Geschichten erzählen stundenlang. Dazu erklang aus dem Kassettenrecorder Sarahs damalige Lieblingsmusik: Ganz in Weiß von Roy Black.
Sulzpastete
(Hadorn-Pastete)
Diese Pastete, ein altes Familienrezept, wurde von meiner Großmutter für die Weihnachtsfeiertage gebacken.
Zutaten für den Teig
900 g Weißmehl
240 g Butter
6 EL Öl
2 EL Salz
Zubereitung
Mehl auf bemehlter Tischplatte anhäufen, in der Mitte eine Vertiefung machen, in die die übrigen Zutaten kommen. Mehl von außen nach innen mit den Zutaten vermischen und zu einem geschmeidigen Teig kneten. Mindestens zwölf Stunden in ein Tuch gewickelt ruhen lassen.
Pastetenform mit Öl auspinseln. Zwei Drittel des Teiges zu einem Rechteck in Länge der Pastetenform, circa 2 cm dick, auswalzen und die Form damit auslegen.
Zutaten für die Fülle
500 g Bratwurstteig
400 g Schweinsfilet, in fingerdicke Streifen schneiden, in eine Schüssel geben, salzen, pfeffern, eine aufgeschnittene Zwiebel dazugeben und mit warmem Essig übergießen. Über Nacht marinieren. Dann abgießen und abtrocknen.
400 g Bauchspeck, ebenfalls in fingerdicke Stifte geschnitten
100 g Cornichons, in dünne Stifte geschnitten
1 Rolle Gaze
1 Eigelb
Zutaten für die Sulz
2 cl Madeira
0,5 l Rindsbrühe
Gelatine für 1 l Flüssigkeit
Zubereitung
Fülle auf den Teig schichten, beginnend mit dem Bratwurstteig, dann das Schweinsfilet und den Speck, dazwischen immer wieder Cornichons streuen. Wenn die Form zu zwei Dritteln gefüllt ist, alles mit der Gaze locker abdecken, circa 2 cm hoch. Für den Deckel den restlichen Teig auswalzen, in der Mitte eine Wulst falten, in die zwei Löcher geschnitten werden, um die Gaze herauszuziehen. Die Gaze verhindert, dass der Teig an der Fülle festklebt und somit später keine Sulz eingefüllt werden kann. Die Teigränder vom Deckel und der Form gut miteinander verkleben, mit einer Gabel eventuell ein Muster eindrücken. Das Ganze mit Eigelb bestreichen.
Die Pastete bei mittlerer Unterhitze circa 75 Minuten backen. Solange die Pastete noch heiß ist, den Gazestreifen herausziehen. Pastete erkalten lassen.
Die mit Madeira verfeinerte Sulz in die zwei Löcher einfüllen. Eventuell nach dem Erkalten wiederholen.