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Anna G.

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Meine Mutter war erst 16 Jahre alt, als sie ihren Vater verlor. Obwohl sie die Matura machte, war damals noch nicht an ein Studium zu denken. So absolvierte sie eine Dolmetscherschule. Aber ihr eigentlicher Wunsch war es, Architektin zu werden. Darauf musste sie noch ein bisschen warten, denn schließlich war da ja auch noch Ernstli H., der gerade ein Engagement nach Berlin bekommen hatte. Also wurde zunächst einmal geheiratet und in Berlin nicht nur gesungen, sondern auch eine Familie gegründet.

Sobald aber meine Brüder auf der Welt waren, hat sie ihren Traum weiter verfolgt und begann ihr Architekturstudium in Berlin. Die Mütter meiner Klassenkameraden haben diesen Schritt nicht verstanden. Sie waren in Sorge, ob wir Kinder dann noch genügend Zuwendung bekommen würden.

Natürlich hatten diese Frauen eine ganz andere Geschichte als meine Mutter: Sie waren unter Entbehrungen im Krieg aufgewachsen, die Väter sind meistens nicht mehr zurückgekehrt. Furchtbar traumatisiert sehnten sie sich nur danach, ihren Kindern ein stabiles Zuhause zu schaffen und ihnen die Jugend zu ermöglichen, die sie nie erleben durften. Meine Mutter war in der Schweiz aufgewachsen, der Krieg war zwar spürbar, aber er war keine unmittelbare Gefahr gewesen.

Es ist mir ein Rätsel, wie sie alles unter einen Hut bekommen hat: Drei Kinder, die nicht verwahrlost sind – meine Brüder haben schon in diesen Jahren den Grundstein für ihren späteren Beruf gelegt, und meine Mutter hat täglich mit ihnen Klavier und Geige geübt –, ein Mann, der Karriere machte und den sie oft auf seinen Tourneen begleitete. Und obendrauf noch ein Studium. Sie hat es geschafft. Kaum hatte sie ihr Diplom in der Tasche, zogen wir nach München, was für sie eine große Chance war. München stand vor der Olympiade, es wurde viel gebaut und noch viel mehr chic eingerichtet.

Bald eröffnete sie ihr eigenes Einrichtungshaus, das Wunderhaus, ein Mekka für alle, die ihr Zuhause mit hippen Designer-Stücken ausstatten wollten.

Leben ohne Rezept

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