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Eine traurige Jagd und der erste Hund

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Liebevoll, fast zärtlich hielt Hans sein 1. Gewehr in der Hand, eine Luftbüchse mit gezogenem Lauf, Diabolo und verstellbarer Optik. Ein brauner Nussbaumschaft vervollständigte das Bild.

Ein gutes Gewehr, lobte der Vater, halte es in Ehren. Ziele niemals auf Menschen, auch nicht auf Eichhörnchen oder Kaninchen, du würdest diese Tiere nur verletzen und sie müssten sich eventuell noch lange quälen.

Achte immer das Leben, mein Sohn, für jeden Schuss – den du nie zurücknehmen kannst – trägst du die Verantwortung.

Mit vor Aufregung klopfendem Herzen und einem Kloß in der Kehle versprach es Hans. Er freute sich unbändig und hätte vor Freude die Welt umarmen können. Sein 1. Gewehr, das er sich schon lange gewünscht hatte, hielt er nun in seinen Armen. Schnell war im Hof eine Schießscheibe aufgestellt mit der Hofmauer als Kugelfang im Hintergrund.

Beim ersten Schießen zeigte sich, dass Hans ein gutes Auge und eine ruhige Hand hatte. Fast alle Schüsse lagen im Zentrum der Scheibe. Er freute sich und brannte darauf, beim nächsten Pirschgang in den Wald sein Gewehr mitzunehmen. Der Vater durfte davon nichts wissen, denn er hatte ihn belehrt nur innerhalb der Hofmauern das Gewehr zu benutzen und dann auch nur, wenn kein anderer Mensch in der Nähe war.

Der nächste Sonntag kam und Hans wollte in den Wald. Die Mutter machte ihm wie immer ein Stullenpaket zurecht, das im Rucksack verstaut wurde. Sein neues Gewehr nahm er aus dem Schrank, schulterte den Rucksack und los ging es. Hinter der Pumpstation des Hammergrabens bog er den Weg verlassend nach rechts ab. Rechter Hand lag der Wehlenteich und links ein kleines Wäldchen. Das war „sein Revier.“ An verschwiegenem Ort kannte nur er hier einen Fuchsbau und in einer alten Eiche die Höhle eines Gelbkehlchens – eines Baummarders – hierher lenkte er seine Schritte, denn das sollte das Ziel des heutigen Pirschganges sein. Ein großer Schwarm Feldsperlinge kam mit lautem Sirren angeflogen. Unmittelbar vor ihm setzten sie sich auf die Äste von einem Gebüsch. Sie hatten sich viel zu erzählen, tschilpten wild durcheinander und bemerkten Hans nicht, der langsam näher ging. Das Jagdfieber hatte ihn erfasst. Ein uralter Instinkt des Menschen ließ ihn vor Erregung zittern: Langsam nahm er das Luftgewehr von der Schulter und steckte einen Diabolo in den Lauf. Ein dicker aufgeplusterter Spatz saß auf einem Ast direkt vor ihm. Er visierte ihn an … und schoss.


Das Tschilpen der Spatzen brach schlagartig ab und der Spatz fiel nach unten und schlug auf dem Boden mit einem leisen, aber hörbaren Plumps auf. Das alles ging sehr schnell.

Der Spatz, der eben noch aufgeregt mit den anderen schilpte und auf dem Ast saß, lag nun auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Er nahm den toten Vogel in seine Hand und sah, dass ein kleiner Tropfen Blut am Schnabel austrat. Ein leises Zittern und Strecken des kleinen Vogelkörpers ließ ihn erschrecken. Bestürzt legte er den Vogel behutsam zurück auf das Gras.

Nein, das hatte er eigentlich nicht gewollt. Warum hatte er eigentlich geschossen? Das Jagdfieber hatte ihn gepackt, der uralte Drang, Beute zu machen bestimmte sein Handeln. Ohne zu überlegen welches Leid er der Vogelfamilie zufügen würde, hatte er geschossen. Jetzt fielen ihm die Worte des Vaters ein:

Achte immer das Leben, mein Sohn, für jeden Schuss – den du nie zurücknehmen kannst – trägst du die Verantwortung!“

Vor dem Schuss hätte er daran denken müssen. Der Vater hatte recht, den Schuss konnte er nicht mehr zurücknehmen, der Spatz war tot, er konnte ihn nicht wieder zum Leben erwecken. Die Spatzenfamilie, seine Eltern, Geschwister und Freunde waren erschrocken weiter geflogen.

Eine so noch nicht gekannte große Traurigkeit erfüllte ihn. Dieses Erlebnis würde Spuren hinterlassen und sein ganzes weitere Leben, später auch als Jäger, bestimmen. Er setzte sich neben den toten Sperling. Das Wäldchen jetzt noch weiter zu durchstreifen, dazu hatte er nun auch keine Lust mehr. Er nahm die von der Mutter liebevoll eingepackten Stullen aus dem Rucksack, nur essen konnte er sie auch nicht, die Bissen würden im Halse stecken bleiben. Was sollte nun werden? Er war ratlos, auf jeden Fall wollte er dem Vater alles beichten. Das Stimmengewirr der Vögel war verstummt, die Lautlosigkeit empfand er als feierliche Stille. Er schloss die Augen und ließ das Erlebte noch einmal in Gedanken vor sich abrollen.

Ein klagender, oder war es ein anklagender Ton, ließ ihn die Augen wieder öffnen.

Was war das? Vor ihm saß wie aus dem Nichts kommend und hin gezaubert ein kleiner und vor Nässe triefender Hund.

Jahrgang 1928 - Erinnerungen

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