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I. Historischer Rückblick (1948−1967) 1948 – Das Jahr der nakba, der Katastrophe

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Im Mai 1948 wurde der Staat Israel als jüdischer Staat in einem Großteil des historischen Palästina gegründet und sofort international anerkannt. Die israelische Armee vertrieb die dort lebenden Palästinenser. Parallel dazu verübten die Armee und diverse bewaffnete zionistische Verbände eine lange Serie von Massakern, durch die zahllose Palästinenser in die Flucht getrieben wurden. Ihre Rückkehr wurde vom neugegründeten Staat systematisch unterbunden.

Ein palästinensischer Staat, wie ihn der UN-Teilungsplan vom November 1947 vorgesehen hatte, konnte nicht entstehen. Dies verhinderten sowohl Israel, die noch dominierende Großmacht Großbritannien im Einklang mit Transjordanien, die Vereinten Nationen durch den UN-Vermittler Bernadotte als auch schließlich die neue Weltmacht USA. Die Regierung von ganz Palästina, die in Gaza ausgerufen wurde, blieb eine Fußnote in der Geschichte bzw. wurde durch ägyptisches Eingreifen, gedeckt durch Transjordanien, dazu gemacht.

Das Jahr 1948 wurde für die Palästinenser zur nakba, zur Katastrophe. Fast eine dreiviertel Million Menschen wurde vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht. In ihrem Heimatland wurde ein jüdischer Staat proklamiert, ihnen jedoch blieb ein eigener Staat verwehrt, im direkten Unterschied zur arabischen Region generell, wo überall neue Staaten entstanden, sich konsolidierten oder zur Unabhängigkeit geführt wurden.

Die zentrale Bedeutung der nakba für die Palästinenser war ihre Vertreibung und ihre Transformation zu Flüchtlingen. Der Prozess der Vertreibung zog sich etwa über ein Jahr hin.11 Er begann mit der Flucht der Notabeln und der gutsituierten und gebildeten oberen Mittelklasse aus den Küstenstädten Jaffa, Haifa und Akka, aus Ramla in der Küstenebene, Tiberias im Norden sowie den westlichen Bezirken Jerusalems. Sie alle suchten Zuflucht in den benachbarten Städten wie Beirut, Damaskus, Amman, Gaza und Kairo, wo sie oft Verwandte und Freunde hatten. Dort wollten sie – wohl zwischen 5000 und 10.000 Personen – abwarten, bis sich die Lage in Palästina wieder entspannt hatte. Der militärische Druck der Haganah, der prästaatlichen jüdischen Armee,12 führte bis März 1948 zur Flucht von etwa 75.000 Personen, vor allem aus Dörfern in der Küstenebene, also dort, wo nach dem Teilungsbeschluss der neue Staat entstehen sollte.

Die großen Haganah-Offensiven im April und Mai 1948 trieben die Bewohner von Haifa (etwa 70.000) und Jaffa (bis 80.000 Menschen) in die Flucht, zusätzlich zu vielen Einwohnern aus umliegenden Dörfern, die nicht zuletzt infolge des Massakers von Dair Yasin (einem kleinen Dorf bei Jerusalem, heute ein Stadtteil) ihre Dörfer fluchtartig verließen.

Die dritte Fluchtwelle entstand als Resultat des Zusammenbruchs des ersten Waffenstillstands im Juli 1948. Etwa 100.000 Palästinenser verloren in diesem Sommer ihre Heimat. Sie kamen einmal aus Galiläa im Norden, zum anderen aus den Nachbarstädten Ramla und Lydda in der Küstenebene, nur wenige Kilometer von Tel Aviv entfernt. Unter der Führung des späteren Premierministers Rabin und auf Befehl des damaligen Premiers Ben Gurion wurden allein aus diesen Städten 45.000 Menschen, viele zuvor schon dorthin in vermeintliche Sicherheit geflüchtet, vertrieben.

Die vierte und letzte Flucht- und Vertreibungswelle führte zum Exodus von weiteren 100.000 bis 150.000 Menschen, sowohl im Süden (aus Aschdod und Aschkelon, in arabisch Sdud und Majdal), von dort aus flohen die Menschen nach Gaza, als auch im Norden, wo vor allem die ländliche Bevölkerung in den Libanon vertrieben wurde.13

Die persönlichen Erinnerungen von späteren führenden Persönlichkeiten der palästinensischen Nationalbewegung sowie von palästinensischen Wissenschaftlern, Intellektuellen und Schriftstellern vermitteln einen Eindruck von ihren konkreten Erlebnissen 1948. Diese einschneidenden traumatischen Erfahrungen üben bis heute ihren Einfluss innerhalb der palästinensischen Gesellschaft aus. Auch ganz junge Menschen, zum Beispiel viele von denen, die seit Mai 2021 in Jerusalem demonstrieren oder die als militante Aktivisten in Gaza kämpfen, sind davon geprägt.

Kein Frieden für Palästina

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