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Elli. drei.

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Heute ist Sonntag. Das ist ein schöner Tag. Mutter und Vater haben gute Laune, weil sie ausschlafen dürfen. Die Kinder dürfen morgens, wenn sie aufgewacht sind, zu den Eltern ins Bett kommen.

Als Elli heute Morgen wach wird, fehlen schon einige Geschwister in ihren Betten. Sie schaut zu den Eltern ins Schlafzimmer. Da tummeln sich schon die beiden älteren Schwestern. Elli wird mit einem fröhlich „Hallo“ begrüßt. Vaters Bett ist schon belegt, die Ältere ihrer Schwestern kuschelt an ihm. So kriecht Elli zu der Mutter ins Bett. Mutter und Ellis mittlere Schwester gackern gerade und kichern. Die Schwester erzählt gerade eine Geschichte. Das kann sie gut. Dauernd fallen ihr so lustige Sachen ein. Allerdings nehmen die Beiden kaum Notiz von Elli oder, anders ausgedrückt, Elli stört ihre Zweisamkeit. So liegt sie in der Mitte des großen Doppelbettes, neben ihr tummelt es sich, und sie fühlt sich allein.

So vergeht ein morgendliches Stündchen, bis der Frühstück-Hunger ruft. Das Schlafzimmer leert sich. Endlich ist der Platz an Vaters Seite frei. Elli schmiegt sich ganz dicht an ihn. Mit ihm mag sie gerne kuscheln, Mutters Körper dagegen spürt sie nicht gerne. Als Vater und Elli allein im Zimmer zurückbleiben, zieht Vater Elli ganz dicht an seinen Bauch und schiebt sie unter das Bettdeck. Dort ist es dunkel. Er hält sie ganz fest, schiebt ihr seinen Daumen zwischen die Beine und beginnt zu reiben. Einmal, als Elli im Keller Strafe sitzen musste und er das gleiche an ihr tat, hatte Elli ihn gefragt, was er da mache. Da hatte er geantwortet, er reibe sie mit seinem Daumen zwischen den Beinen, damit sie aufhöre zu weinen. Sie mag es eigentlich nicht, wenn Vater dieses Reiben mit ihr machte. Sie spürt aber, dass Vater seinen Spaß daran hat und inzwischen hatte auch sie ihren Teil daran entdeckt. Außerdem tut sie für ihn. Sie hat ihn halt lieb, und so tut sie ihm den Gefallen. Endlich ist der Vater zufrieden und Elli taucht unter der Bettdecke wieder auf. Der Vater küsst und streichelt sie. Flüstert ihr ins Ohr: „Du bist halt meine Beste.“ Ja, Elli weiß, dass Vater sie von seinen drei Töchtern am liebsten hat. Das macht sie stolz.

Die Tür zum Schlafzimmer wird aufgerissen. Mutter ist wütend. „Steht ihr nun endlich auch mal auf? Das Frühstück ist schon gleich fertig.“ Elli erschrickt. Die Mutter darf doch nichts wissen. Elli rutscht in Vaters Schatten, lugt vorsichtig nach Mutters Gesicht. Die scheint nichts zu ahnen. Vater antwortet friedfertig, dass sie gleich aufstehen werden.

Am Abend gibt es wieder Ärger für Elli. Sie sei zu laut und zu wild. Morgen müssen die großen Kinder wieder in die Schule und rechtzeitig Schlaf bekommen. Elli muss das gemeinsame Kinderzimmer der Geschwister verlassen und sich zu den Eltern ins Bett legen. Elli versteht das nicht. Bis eben hatten alle Kinder getollt und mit den Kissen durchs Zimmer geworfen. Die Großen waren gerade dabei sich umzuziehen. Sie und der Bruder lagen schon gewaschen im Bett. Als die Tür aufging und Vater zu schimpfen drohte, rief die mittlere Schwester schnell: „Elli. Die tobt wieder wie toll herum. Sie ist überhaupt nicht zu bremsen.“ So kam es, dass Elli nun allein im Schlafzimmer liegen muss. Das ist wirklich sehr traurig. Abends, wenn das Licht ausgeht, ist es nämlich im Kinderzimmer besonders schön. Die Geschwister erzählen dann Geschichten aus der Schule oder von Freunden. Und überhaupt diese Sachen aus der großen Welt, die Elli noch gar nicht richtig versteht. Sie hört dann immer ganz genau zu und beneidet vor allem ihre großen Schwestern. Was die alles schon können und alleine machen dürfen!

Stattdessen muss sie nun hier alleine liegen. Sie versteht auch gar nicht, wieso immer sie ,Die Böse' ist. Die anderen hatten genauso herum getobt wie sie. Und lauter als die anderen war sie auch nicht. Sie hat nun mal ein so lautes Organ. Hat jedenfalls ihre Tante ihr mal erklärt.

Elli weint leise vor sich hin. Sie ruft einfach so in den Raum hinein: „Kommt Jemand ‚Gute Nacht’ sagen? Ich habe noch kein Küsschen bekommen.“ Niemand kommt. Mutter nicht. Das wundert sie wenig. Aber auch Vater kommt nicht. Sie hört ihn im Flur vorbei gehen, aber er öffnet nicht die Tür. Nun wird sie ernstlich traurig.

In ihrem Weinen bemerkte sie gar nicht, dass sich doch die Tür geöffnet hatte. Ihre ältere Schwester steht im Zimmer. Sie ist schon zwölf, ein großes Mädchen, fast wie eine Mutter für Elli. „Soll ich ein bisschen kuscheln kommen?“ Elli freut sich, umarmt die Schwester glücklich. „Du bist halt meine Ersatzmama.“ sagt Elli wie im Spaß. Die Schwester geht immer sehr zärtlich mit Elli um. Wenn gerade niemand Lust hat, sich um Elli zu kümmern, läuft die Schwester und hilft ihr. An Abenden wie heute ist die Schwester oft bei Elli und vertreibt ihr die Angst vorm alleine-Sein. Manchmal, wenn die Schwester früh am Tag zu Hause ist, darf Elli gleich nach dem Mittagsschlaf vom Kindergarten nach Hause gehen. Die Schwester passt dann auf Elli auf. Mutter hat halt im Haushalt zu arbeiten und keine Zeit für Elli. „Erzählst du mir eine Geschichte?“ Die Schwester lässt sich nicht lange betteln. „Soll ich eine von der Micky Maus erzählen?“ „Au, ja.“ Diese mag Elli besonders gern, die sind immer so lustig.

Irgendwann, als die Geschichte zu Ende erzählt ist und beide Schwestern noch miteinander kuscheln, sagt die Ältere zu Elli: „Weißt du was? Als ich so alt war wie du, hat Vater mich auch so lieb gehabt wie dich jetzt.“ Elli schaut die Schwester verwundert an. „Und jetzt, jetzt hat er dich nicht mehr lieb?“ „Nicht so wie dich.“ Die Schwester sieht traurig aus. Elli überlegt. Irgendetwas ist komisch an der Sache. Dann endlich hat sie eine Idee: „Warum hat er denn nur mich lieb, er könnte doch auch uns beide lieb haben? Ich habe doch auch alle meine Puppen lieb.“

“Ich weiß es nicht. Es war jedenfalls so. Seit du auf der Welt bist, hat er mich nicht mehr so lieb gehabt.“ Das findet Elli sehr traurig. Sie umarmt die Schwester. Es tut ihr leid, dass sie der Schwester Vaters Liebe weggenommen hat. „Weißt du was? Dafür bist du meine Lieblingsschwester.“

Aufenthalt bei Mutter

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