Читать книгу Aufenthalt bei Mutter - Hellen Scheefer - Страница 19

Bei Mutter. Der Fernsehabend.

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Inzwischen hat eine politische Sendung begonnen. Ein Kommentar zum Tagesgeschehen. Die gescheiterte Abschaffung der Obamacare, eine soziale Pflichtversicherung in den USA, die der Vorgänger des jetzigen Präsidenten, Barack Obama, eingeführt hatte. Es war ein Wahlversprechen des neuen Präsidenten Donald Trump gewesen, diese Versicherung durch eine neue Regelung mit weniger Leistungen zu ersetzen. Es vergeht beinahe kein Tag, da der neue Präsident keine Schlagzeilen macht. Sein Verhalten tritt diplomatische Gepflogenheiten mit den Füssen. Er wettert gegen die Bündnisse mit den Europäern, die die USA eingegangen sind. Er will den Import von Waren maßgeblich herunter schrauben. „Amerika first“ heisst seine Devise. Mutter ergießt sich in ihrem Hass auf den neuen Präsidenten. Er ist so offensichtlich dumm und selbstverliebt und versteht das Amt des mächtigsten Mannes der Welt als Business, als sei es ein unternehmerischer Deal. Ich kann Mutters Verachtung gut verstehen. Aber sie spricht so laut und schnell, dass ich dem Kommentator in der Sendung nicht mehr folgen kann. Ich fordere sie mit einem energischen „Pscht!“ zum Schweigen auf. Meine Mutter hält einen Atemzug lang verdutzt inne. Dann ergießt sich der Redeschwall weiter ungebremst.

Mit einem Blick auf die Uhr gebe ich mich geschlagen. Halb Elf ist nicht mehr lange hin. Ich erhebe mich und gehe in die Küche. Vorher inspiziere ich vorsichtig das Bad. Es stinkt. Aber der Fußboden ist bis auf zwei kleine braune Flecken sauber. Das Toilettenbecken ist gefüllt mit braunem Wasser. Mutter hat nicht richtig gezogen. Daher der Gestank. Ich drücke den Knopf. Die Spülung rauscht. Das Becken zeigt schmierige Streifen. Das kann auch morgen erledigt werden. Ich gehe in die Küche und lasse Abwaschwasser ein. Das Geschirr von Mittag und Frühstück steht noch. Angetrocknet. Ich räume den Tisch auf. Öffne den Kühlschrank und prüfe die Lebensmittel. Eine Packung Eier, vier Wochen alt. Beim letzten Mal habe ich sie gekauft und mit Datum beschriftet. Ansonsten finde ich diesmal nichts Verschimmeltes. Ich nehme einen Zettel und notiere, was ich am nächsten Tag einkaufen muss. Dann gehe ich in das Wohnzimmer zu Mutter. In der Schrankwand, in einer Schublade unter dem Regalteil, liegt der Schlüssel für die Geldkassette versteckt. Ich hole den Schlüssel hervor und gehe ins Schlafzimmer an den Kleiderschrank der Eltern. Unten auf dem Boden liegt die Kassette. Ich nehme soviel Geld heraus, wie ich ungefähr zum Einkaufen brauchen werde, notiere es auf einer Liste und räume Kassette und Schlüssel wieder an Ort und Stelle.

Aufenthalt bei Mutter

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