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Präludium in d-Moll Frankfurt am Main, 5. Dezember 2007
ОглавлениеDamals.
Dritter Dezember.
Der Tag, an dem ihre Familie ermordet wurde.
***
Etwas hatte sie geweckt. Mitten in der Nacht. Katharina hatte nicht gewusst, was.
Sie hatte gefroren.
Es war ein heißer Tag gewesen in Kapstadt. Deshalb hatte sie vor dem Zubettgehen das Fenster geöffnet. In der Nacht war es stark abgekühlt; der Vollmond hatte ins Zimmer geschienen, sein Licht kalt und weiß wie Knochen.
Katharina hatte an der in ein Laken eingeschlagenen Decke gezerrt, um sich darin einzurollen; doch Laken und Decke waren, wie in Südafrika üblich, an den Seiten und am Fußende fest unter die Matratze gesteckt gewesen.
Endlich hatte sie es aufgeben. Auf dem Rücken liegend hatte sie zur Decke geschaut. Nachgedacht.
An diesem Tag war ein Päckchen von ihrer Schwester Susanne eingetroffen. Eine Kassette mit Musik und ein langer Brief. Die Kassette hatte Katharina vor dem Einschlafen gehört. Jetzt ging ihr ein Lied nicht mehr aus dem Kopf. Melancholisch, gesungen von einer rauchigen Frauenstimme, nur begleitet von einer Gitarre. »Autumn Leaves« hieß es. Katharina hatte es nicht gekannt. Doch es würde wohl ihr neues Lieblingslied werden.
Wie bei Susanne. Das hatte ihre Schwester in dem Brief geschrieben: dass sie ihr neues Lieblingslied entdeckt und außerdem ihren Traummann kennengelernt habe. Mit ihm zusammen sei. Verlobt. Und schwanger.
Was Susanne machte, machte sie gründlich: Verliebt, verlobt und schwanger in weniger als drei Monaten. Katharinas Schwester hatte sich immer Kinder gewünscht. Möglichst viele. Ihr Vater hatte sie manchmal damit aufgezogen: Wie das denn zusammengehen könne – sie wolle doch Ärztin werden. Aber sie hatte nur erwidert, das sei alles eine Frage der Organisation. Typisch Susanne.
Im PS des Briefes hatte sie geschrieben, dass sie aber mit der Hochzeit bis zu Katharinas Rückkehr warten würde. Katharina solle doch Brautjungfer sein. Dann hatte Susanne noch spöttisch ergänzt: wenn Katharina bis dahin noch Jungfer wäre.
Katharina musste grinsen, als sie daran dachte. Susanne hatte ihre jüngere Schwester immer mit ihrer Schüchternheit aufgezogen. Aber sie hatte ja gar keine Ahnung. George hatte Katharina geküsst. George, der Rugby-Star. Auf den alle Mädchen der Schule standen. Aber geküsst hatte er Katharina. Einfach so. Doch, das Austauschjahr in Südafrika war eine gute Idee gewesen.
Sie hatte sich zufrieden gerekelt und dann auf die Seite gedreht, um weiterzuschlafen. Das Mondlicht schien auf das Foto ihrer Familie, das sie auf dem Nachttisch stehen hatte. Ihr Vater mit seinem gepflegten, roten Bart. Ihre Mutter, wie immer streng dreinblickend. Ihre Schwester lachte. Eine Strähne ihres langen, glatten und ansonsten schwarzen Haares war neonblau gefärbt: Susannes Form der Anarchie.
Katharina waren schon die Augen zugefallen, als sie es gehört hatte: Ihr Gastvater telefonierte. In seinem Arbeitszimmer, das neben Katharinas Zimmer lag. Seine Stimme war hektisch gewesen, schroff. Endlich hatte er den Hörer aufgelegt.
Kurz darauf hatte es leise an Katharinas Tür geklopft. Ihr Gastvater hatte den Kopf hereingesteckt, gesehen, dass sie wach war, und war ganz ins Zimmer gekommen. Er hatte sich zu Katharina auf das Bett gesetzt. Ihre Hand genommen.
»Katharina, your parents and your sister … Something has happened.« – Ihrer Familie war etwas zugestoßen.
***
Die Stewardess hatte immer wieder besorgt gefragt, ob sie etwas brauche. Katharina hatte nur wortlos den Kopf geschüttelt und wieder aus dem kleinen Fenster in die Dunkelheit gestarrt, später auf die monotone, nur manchmal von den grünen Kreisen künstlicher Oasen unterbrochene Fläche der Sahara, zuletzt auf die wintergraue Wolkendecke über Europa.
Ihr Gastvater hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie nach Deutschland zu bringen. War mit ihr durch die Nacht gerast, an den Townships vorbei zum Kapstadter Flughafen. Hatte ein Ticket erkämpft. Erster Klasse. Als ob das irgendetwas geändert hätte.
***
Der Ankunftsbereich des Frankfurter Flughafens war dank eines heiß umstrittenen Umbauprojektes ein bedrückend enges Labyrinth aus Sperrholzgängen. Katharinas Schritte hatten dumpf auf den provisorischen Dielen gedröhnt. Sie war langsam gegangen, ihren kleinen Rucksack auf dem Rücken und ihren Teddy im Arm. Eine Zollbeamtin hatte sie rausgewunken, aber nur um Katharina zu fragen, ob mit ihr alles in Ordnung sei. Katharina hatte wieder den Kopf geschüttelt. Die Beamtin hatte sie zum Ausgang begleitet.
***
»Mein Name ist … ich bin Kriminalrat Polanski«, hatte sich der große, breitschultrige Mann mit dem zerknitterten Jackett ungelenk vorgestellt. Er hatte hinter der Sicherheitsschleuse auf Katharina gewartet. »Ihre Eltern und Ihre Schwester … Kommen Sie bitte mit uns mit.«
In seiner Begleitung war ein Priester gewesen. Katholisch. Schwarzes Hemd, weißer Kragen. Dunkel gelockte Haare. Jung. Höchstens Ende zwanzig. Er hatte nichts gesagt. Sie nur mit seinen sanften grauen Augen gemustert. Doch auf der Fahrt zum Institut für Rechtsmedizin hatte er Katharinas Hand gehalten. Ganz fest.
***
Drei Stahltische hinter einer großen Glasscheibe, drei tote Körper, sauber mit weißen Tüchern abgedeckt. Nur die Gesichter waren zu sehen gewesen. Katharina hatte genickt. – Ja, das war ihre Familie.
Sie hatte sich abwenden müssen. Der Priester hatte sie in den Arm genommen. Und dann endlich hatte Katharina weinen können.
***
»Wir müssen aufhören, uns auf diese Weise zu treffen, Frau Klein. Die Leute könnten anfangen zu reden.«
Katharina schreckte auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie die drei Männer an dem großen, hölzernen Tisch vor ihr Platz genommen hatten: die Untersuchungskommission.
Links außen saß Staatsanwalt Harald Ratzinger. Höchststrafen-Harry. Dreißig Jahre im Dienste der Strafverfolgung hatten tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben.
Auf der rechten Seite saß, die frühzeitig schütter werdenden braunen Haare sorgfältig frisiert und das Kinn frisch rasiert, Kriminaldirektor Hans-Peter Weigl, Leiter der Internen Ermittlung.
Der Mann in der Mitte stand noch: aristokratisch hochgewachsen, weißes, volles Haar, die Züge eines Adlers – Dr. Wolfhard Weingärtner, Richter am Oberlandesgericht. Er hielt Katharina lächelnd die Hand hingestreckt. Sie reagierte nicht. Enttäuscht setzte er sich: »Nun gut. Dann fangen wir an. – Fürs Protokoll: Zusammengetreten heute, am 22. Januar 2008, ist der Untersuchungsausschuss in Sachen Klein / Amendt. Dieser Ausschuss hat die Aufgabe, die Vorfälle zwischen dem 15. und dem 19. Januar aufzuklären. Aktenzeichen …«
Während der Richter zahlreiche lange Nummern diktierte, drifteten Katharinas Gedanken wieder zurück in die Vergangenheit, zu dem Priester. Er war auch zur Beerdigung ihrer Familie gekommen.
***
Es hatte bei der Organisation der Trauerfeier einigen Hickhack gegeben. Katharinas Vater war zwar offiziell evangelisch gewesen und nie aus der Kirche ausgetreten, hatte aber regelmäßig der Humanistischen Gesellschaft gespendet. Auch ihre Mutter hatte mit der Religion, die ihr in die Wiege gelegt worden war, nichts am Hut; trotzdem hatte sie regelmäßig Vorträge beim Freundeskreis des Buddhismus gehalten. Katharina und Susanne waren gänzlich ohne Religion aufgewachsen, nicht einmal getauft.
Die Humanistische Gesellschaft und der Freundeskreis des Buddhismus hatten sich deshalb zu den wahren Erbwaltern erklärt und haderten um die richtige Zeremonie. Das südkoreanische Konsulat hatte Anspruch auf die Leichen von Mutter und Tochter erhoben und wollte sie auf Kosten der Erben ausfliegen lassen. Und zu guter Letzt hatte sich auch noch der zuständige Pastor des Frankfurter Zentralfriedhofs eingemischt und schon einmal prophylaktisch gegen heidnische Riten auf seinem heiligen Grund und Boden protestiert. Ihm wäre es vermutlich am liebsten gewesen, man hätte die drei Toten im Schutze der Nacht an einem Kreuzweg verscharrt.
Endlich hatte Katharinas Patenonkel Antonio Kurtz – zumindest nannte sie ihn ihren Patenonkel, auch ohne Taufe: Den Erzählungen ihrer Eltern nach musste er legendäre Partys geschmissen haben, um Susanne und Katharina auf Erden willkommen zu heißen –; endlich hatte also Antonio Kurtz die Organisation der Feier an sich gerissen und damit beinahe einen diplomatischen Zwischenfall ausgelöst, doch letztlich hatte er sich durchsetzen können: Jetzt gab es eine kurze buddhistische Zeremonie, ein ebenso kurzes Gebet des diensthabenden Pastors und eine Totenrede, die ein ehemaliger Kulturdezernent der Stadt Frankfurt hielt. Sein chaotisch zu allen Seiten wegstehendes weißes Haar bebte, als er in warmen Worten die Verdienste von Katharinas Familie um die Kultur Frankfurts beschwor:
Diether Klein, der renommierte Kunsthändler, ein leuchtender Stern der Gesellschaft, der im Auftrag der Museen Frankfurts so manchen Schatz geborgen hatte.
Kyung-Soon Klein, die Dozentin für asiatische Sprachen und Literatur, die so viel zur Verständigung der Kulturkreise beigetragen hatte.
Susanne Klein, die Studentin der Medizin, die … die …
Schnell wechselte der Kulturdezernent a. D. das Thema und sprach wieder vom überragenden Engagement des Kunstsammlers Klein.
Katharina hatte in der ersten Reihe der Kapelle gesessen und die drei kleinen Urnen angestarrt, die auf einem üppig mit weißen Blumen dekorierten Tisch standen. Auch die Urnen waren weiß gewesen. Weiß – die buddhistische Trauerfarbe.
Kriminalrat Polanski und der Priester hatten etwas abseits an der Wand der Kapelle gelehnt und waren dann in respektvollem Abstand dem Trauerzug zum Grab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof gefolgt.
Der Priester war der Letzte gewesen, der Katharina kondoliert hatte. Endlos viele Menschen hatten Katharinas Hand gedrückt, mehr oder weniger ehrlich »Mein Beileid« gemurmelt und waren dann durch den klebrigen Dezember-Nieselregen davongewandert.
Der Priester aber war vor ihr stehen geblieben. Hatte wieder ihre Hand gehalten. Dann hatte er gefragt: »Wissen Sie schon, was Sie jetzt machen werden?«
Das war wirklich eine gute Frage: zur Familie ihrer Mutter? Die südkoreanischen Verwandten hatten Katharina deutlich spüren lassen, dass sie Katharinas Mutter die Hochzeit mit einem Deutschen nicht verziehen hatten und die Tochter als Bastard betrachteten, der in ihrer Welt nicht willkommen war.
Ihr Vater hatte keine Familie mehr, also hatte Katharinas Patenonkel angeboten, die Siebzehnjährige bei sich aufzunehmen. Doch das Jugendamt hatte sein Veto eingelegt. Verständlich. Antonio Kurtz verdiente sein Geld als »Erotik-Gastronom«: Er kontrollierte weite Teile des Frankfurter Rotlichtmilieus.
Ihr Gastvater aus Südafrika, ein guter Freund ihres Vaters, hatte endlich die rettende Idee gehabt: Katharina solle zurück nach Kapstadt kommen. Dort an der Deutschen Schule ihr Abitur machen. Fort aus Frankfurt. Fort von den Erinnerungen an ihre Familie.
So würde es geschehen. Am nächsten Tag würde Katharina in ein Flugzeug steigen. Sie antwortete dem Priester also knapp: »Ich gehe nach Südafrika und mache da mein Abitur.«
Er nickte. Dann sagte er zögernd: »Ich weiß, es ist kein Trost für Sie. Aber … Ihre Eltern und Ihre Schwester waren gute Menschen. Und Gott hat sie sicher gnädig bei sich aufgenommen.«
***
»Wir vernehmen jetzt die Zeugin Katharina Klein. – Ihr vollständiger Name …«
Die Worte des Richters holten Katharina in die Gegenwart zurück. »Was bitte?«, fragte sie benommen.
Richter Weingärtner wiederholte sanft: »Ihr vollständiger Name. Fürs Protokoll.«
»Katharina Yong Klein.«
»Und Ihr Beruf?«
»Kriminalhauptko… Kriminaldirektorin bei der Frankfurter Kriminalpolizei.«
In diesem Augenblick wurde die Tür des Sitzungssaales aufgerissen. Energische Schritte in Stöckelschuhen. »Ach, hier sind Sie!«
»Frau Doktor Müller-Burkhardt! Was verschafft uns die Ehre und Freude der Anwesenheit der Oberstaatsanwältin?«, fragte Richter Weingärtner.
»Das sollten Sie eigentlich wissen. Ich bin hier, um die rechtlichen Interessen der Vernommenen zu wahren. Irgendwer muss das ja tun.«
»Werte Frau Kollegin«, ließ sich Staatsanwalt Ratzinger vernehmen. »Das hier ist nur eine informelle Anhörung.«
»Umso wichtiger.« Frauke Müller-Burkhardt warf mit großer Geste ihren Mantel ab, rückte sich einen Stuhl zurecht und nahm neben Katharina Platz. »Der werte Herr Kollege Ratzinger sollte eigentlich wissen, dass die Aussagen vor dieser Kommission ohne Rechtsbeistand absolut nichts wert sind. – Haben Sie Frau Klein überhaupt schon belehrt?«
»Über was?«, fragte Ratzinger muffig zurück.
»Über ihre Rechte. Dass sie hier gar nichts sagen muss.«
Katharina hob die Hand. »Ist schon gut, Frauke …«, sie korrigierte sich, »… Frau Müller-Burkhardt. Ich will aussagen.«
»Aber nicht ohne rechtlichen Beistand.«
Richter Weingärtner nippte vergnügt glucksend an seinem Kaffee: »Nachdem wir das jetzt geklärt haben, könnten wir dann vielleicht endlich anfangen?«
Niemand widersprach, also fuhr der Richter fort: »Frau Klein, vielleicht wäre es am besten, wenn Sie uns kurz den Ablauf der Geschehnisse aus Ihrer Sicht schildern könnten.«
»Was ist da schon groß zu schildern? Ich hatte eine Spur zum Mörder meiner Familie. Und am Ende waren eine Menge Leute tot.«
»Das können Sie laut sagen«, murmelte Staatsanwalt Ratzinger.
»Moment, Mörder der Familie?«, mischte sich Kriminaldirektor Weigl ein.
Der Richter musterte ihn mit hochgezogener Augenbraue: »Ich weiß ja, Herr Weigl, dass Sie Ihre Position im Frankfurter Polizeipräsidium nur als Durchreisestation auf dem Weg nach Wiesbaden zum BKA betrachten. Aber auch Sie sollten über die Kriminalgeschichte der Stadt Frankfurt auf dem Laufenden sein. Haben Sie im Ernst noch nie vom Mordfall Klein gehört?«
»Doch. Selbstverständlich. Aber ich nahm an, der Fall sei praktisch gelöst. Es hieß doch immer, die Indizienkette habe nicht ausgereicht, vor allem, weil der Täter –«
»Der damals dringend Tatverdächtige«, korrigierte ihn Frauke Müller-Burkhardt streng.
»Der damals dringend Tatverdächtige«, wiederholte Kriminaldirektor Weigl genervt. »Weil der also einen ausgesprochen praktischen Gedächtnisverlust erlitten haben soll –«
»Doktor Amendt hat –«, fuhr Katharina auf.
Frauke Müller-Burkhardt packte sie am Arm und zog sie auf ihren Stuhl zurück.
»Doktor Amendt?«, fragte Weigl verblüfft. »Doktor Andreas Amendt? Der aus der Akte?«
»Genau der«, bestätigte Richter Weingärtner.
»Na, das wird ja immer schöner. Wollen Sie im Ernst sagen, dass wir eine Familienangehörige und einen dringend Tatverdächtigen gemeinsam haben ermitteln lassen?« Kriminaldirektor Weigl musste seine Entrüstung mit einem Schluck Wasser runterspülen.
»Wenn Sie die Akten gelesen hätten«, erwiderte Frauke Müller-Burkhardt spitz, »dann wüssten Sie, dass niemand irgendjemanden hat ermitteln lassen. Und was Kriminaldirektorin Klein in ihrem Urlaub tut, ist ihre Privatangelegenheit.«
»Nicht, wenn am Schluss zahlreiche Tote in der Gegend herumliegen.«
»Eins nach dem anderen.« Richter Weingärtner rückte seinen Notizblock zurecht. »Vielleicht beginnen wir wirklich ganz von vorne. – Frau Klein, wenn es Ihnen nichts ausmacht: Vielleicht könnten Sie auch kurz die Umstände der Ermordung Ihrer Familie schildern.«
Katharina räusperte sich, doch der Kloß in ihrem Hals wollte nicht verschwinden. »Meine Eltern, Diether Klein und Kyung-Soon Klein, sowie meine Schwester Susanne wurden am dritten Dezember 1991 im Haus meiner Eltern erschossen.«
»Wissen Sie auch von wem?«, fragte Richter Weingärtner sanft.
»Ja. Von einem Auftragsmörder mit dem Alias Ministro.«
»Ministro? Der Superstar unter den Auftragsmördern? Etwas kleiner haben Sie es nicht?« Kriminaldirektor Weigl hatte die Arme verschränkt. »Dieser Amendt war also nur rein zufällig am Tatort? Und für seinen Gedächtnisausfall und das Blut auf seiner Kleidung haben Sie sicher auch eine Erklärung.«
»Ja. Doktor Amendt war der Verlobte meiner Schwester. Ministro hat ihn unter Drogen gesetzt und als Sündenbock am Tatort zurückgelassen. Das Blut auf seiner Kleidung kam daher, dass er versucht hat, meine Schwester wiederzubeleben.«
»Tolle Räuberpistole, die Sie uns da auftischen. Sie sollten zum Film gehen.«
So hatte Andreas Amendt auch reagiert, als Katharina ihm zum ersten Mal von ihrer Theorie erzählt hatte. Er hatte selbst geglaubt, der Täter gewesen zu sein. Aber das gehörte nicht hierher.
Der Richter nippte erneut an seinem Kaffee: »Wissen Sie was, Frau Klein? Erzählen Sie am besten einfach mal. Sonst halten wir uns hier noch Stunden mit Detailfragen auf, die uns in der Sache nicht weiterbringen. – Einverstanden, meine Herren? Frau Doktor Müller-Burkhardt?«
Die Gefragten nickten zustimmend.
»Also gut.« Katharina holte tief Luft und atmete ganz langsam aus, um ihren Herzschlag zu beruhigen.
Wo sollte sie anfangen? Vielleicht am besten bei ihrer Rückkehr aus Tansania. Bei ihrer Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen.
Sie und Dr. Amendt hatten gerade die Sicherheitsschleuse passiert, als Katharina eine Erleuchtung gehabt hatte. Nein, keine Erleuchtung. Blitzschlag war das bessere Wort. Mit einem Mal hatte sie gewusst, wer ihre Eltern erschossen hatte.
Und so hatte es begonnen. Wann war das gewesen? Am 15. Januar. Vor sieben Tagen. Einer Ewigkeit.
***