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Let’s Face the Music and Dance Dienstag, 27. November 2007

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Der Wecker zeigte viertel vor sieben. Verdammt, sie hatte verschlafen. Erst jetzt bemerkte Katharina den Kaffeegeruch. War außer ihr und Laura noch jemand in der Wohnung? Ach ja, richtig. Hans und Lutz waren bei ihr »auf die Matratzen gegangen«.

Sie tappte in die Küche. Hans, Lutz und Laura saßen am Küchentisch. Lutz hatte einen dicken Wälzer vor sich, Laura malte. Hans las Kalle Blomquist, höchst konzentriert die Wörter mit den Lippen formend.

Lutz blickte auf. »Wollten dich gerade wecken«, brummte er. »Dachten, wir lassen dich ausschlafen.«

Katharina nickte dankbar. Sie murmelte »Guten Morgen«, während sie zur Kaffeemaschine schlurfte.

»Guten Morgen, Katharina. Hast du gut geschlafen?«, fragte Laura.

»Tief und traumlos.«

»Hat dich Susanne nicht besucht?«

»Nein. Sie kommt nicht jede Nacht, weißt du?«

»Mama war bei mir. Die ganze Nacht. Hat mir ganz viel vorgelesen.«

Katharina konnte nicht widerstehen und gab Laura einen Kuss auf das frisch gewaschene Haar.

Dann setzte sie sich mit ihrer Kaffeetasse an den Frühstückstisch. »Lutz, ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«

»Klar.«

»Ich möchte, dass du mit mir zum Kindergarten fährst und Laura reinbringst.«

»Klar.«

»Und ich möchte, dass du dich ein wenig mit der Kindergärtnerin unterhältst.«

»Keine Frauen, keine Kinder, Katharina!«

»Doch nicht so! – Du sollst … einfach ein bisschen mit ihr plaudern.«

»So wie mit dem Henthen gestern?« Lutz grinste wie ein Haifisch beim Anblick gut gemästeter Touristen.

»Nein, ganz normal reden. Du wirst sehen, was ich meine. Vielleicht erzählt sie dir was Interessantes.«

»Verstehe. – Warum ich? Hans kann das viel besser.«

»Nein, in diesem Fall –«

»Warum sprichst du nicht selbst mit ihr?«, fragte Hans eifersüchtig.

»Weil ich eine Polizistin bin.«

»Tante Elfie mag keine Polizisten«, verkündete Laura. »Sagt immer Bullen. Dabei haben die gar keine Hörner. – Katharina hat keine.« Sie sah Katharina fragend an.

»Nein, und auch meine Kollegen nur sehr selten.« Katharina unterdrückte ein Grinsen. Kuhhörner wären für Berndt Hölsung ein echtes Upgrade. »Ach, Lutz? Was hältst du eigentlich von diesem Henthen?«

»Nullnummer. Schätze mal, die Fischer-Lause übernimmt bei denen das Denken. – Werde mal ein paar von den Mädchen anrufen, später. Sieht mir aus wie ein typischer Kandidat für den Edelpu–«

»Mach das.« Katharina hob abwehrend die Hand.

Hans fragte: »Und was machen wir sonst so, heute?«

»Ich fahre nachher mal in die Werbeagentur, für die Lauras Mutter gearbeitet hat. – Da werdet ihr wohl im Wagen warten müssen.«

Hans zuckte mit den Schultern. »Kein Problem! Kann ich das Buch mitnehmen? Ist gerade so spannend.«

»Natürlich.«

Lutz schlug Hans auf den Rücken. »Bin stolz auf dich, Kleiner. Ein ganzes Buch!«

***

»Warum machst du dich eigentlich über Hans lustig, Lutz? Ich meine, über seine Lesegewohnheiten? Ist doch sonst nicht deine Art?«, fragte Katharina. Nachdem sie Laura im Kindersitz angeschnallt hatten, hatte sich Lutz auf den Beifahrersitz von Morris gezwängt. Jetzt schlichen sie durch den Frankfurter Morgenstau. Hans folgte ihnen im zweiten Wagen.

»Mach mich nicht lustig«, grummelte Lutz. »Bin wirklich stolz. Hans war Analphabet. Hab ihm das Lesen beigebracht. – Hat keine schöne Kindheit gehabt, der Hans.«

***

Katharina hielt vor dem Tor des Kindergartens. Lutz stieg aus und ging mit Laura die Stufen zum Eingang hoch. Elfie LaSalle begrüßte ihn überaus freundlich. Sie gingen hinein.

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Lutz zurückkam. Katharina steuerte den Wagen wieder in den Verkehr und schaltete das Navigationssystem ein, um sich zu stop! navigieren zu lassen.

»Und?«, fragte sie neugierig. »Was ist mit Elfie LaSalle?«

»Niedlich«, murmelte Lutz. »Intuitive Neo-Marxistin.«

»Hat sie dir was über Laura erzählt?«

»Mag den Vater nicht. Hält ihn für einen Aufreißer. Außerdem war die Mutter immer sehr besorgt um die Gesundheit von Laura. Laura ist aber kerngesund, sagt Elfie.«

Katharina nickte. Wenigstens etwas.

Lutz schwieg. Doch nach einer Weile sagte er: »Hat mich eingeladen. Zum Tee.«

»Elfie?«

Lutz brummte zur Bestätigung.

Katharina trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad: »Komm schon, Lutz. Spann mich nicht auf die Folter. Hast du angenommen?«

»Hab gesagt, dass ich schaue, ob ich Zeit hab. Viel zu tun und so.«

»Magst du sie nicht?«

»Doch, schon.«

»Aber?«

»Weiß nicht. Frauen und so. Will keinen Stress.«

So konnte man es natürlich auch sehen.

***

Die Werbeagentur stop! residierte in einem alten Fabrikgebäude in der Hanauer Landstraße. Sie bogen auf den Firmenparkplatz ein und stellten sich auf den Bereich, der mit »stop! here for your success!« gekennzeichnet war.

Die alte stählerne Doppeltür, die zu den Räumen von stop! führte, war von einem Graffiti-Künstler bunt bemalt worden. Katharina wuchtete sie auf und ging zielstrebig auf die Empfangsdame zu. Sie war blond; ihre üppigen Kurven waren in ein zu enges Kostüm gezwängt. Auf ihrer Brust prangte ein achteckiges Namensschild: »stop! Mein Name ist Sarah«.

»Guten Morgen, mein Name ist Katharina Klein. Ich komme wegen Melanie Wahrig und –«

»Gut, dass Sie kommen. Herr Beyer hat schon auf Sie gewartet«, unterbrach Stop!-Mein-Name-ist-Sarah sie schwungvoll. Sie griff zum Telefon. »Hasko, der Copywriter von Frau Wahrig ist am Front Entrance.«

Ein Stück entfernt von ihnen sprang eine Tür auf. Ein graumelierter, sportlicher Mann kam herausgestürmt. Er eilte auf Katharina zu und streckte ihr die Hand entgegen.

»Hasko Beyer, CEO von stop! Gorgious, dass sie kommen konnten. Wir haben Sie schon gestern erwartet. Kommen Sie.« Während er ihr noch die Hand schüttelte, zog er sie bereits mit sich durch die Tür, durch die er gekommen war.

Ein großer Tisch, umstanden von hochlehnigen Stühlen: offenbar ein Konferenzraum. Die drei Männer, die sich über den Tisch gebeugt hatten, sahen auf, als Katharina und Hasko Beyer hereinkamen.

«Okay, Boys«, hob Hasko Beyer an. »Das hier ist der neue Copywriter, den uns Melanie proposed hat. Ihr Name?«

»Katharina Klein«, antwortete Katharina unsicher. Irgendetwas lief hier gerade ganz schwer an ihr vorbei.

»That’s Hartmut Farber, Art-Director.« Der Mann, der ihr die Hand reichte, mochte Mitte fünfzig sein. Er hatte sein schütteres, graues Haar kurz geschnitten. Seine Augen lagen tief zwischen scharfen Müdigkeitsfältchen.

»Wigo Bach, Chief Conceptioner.« Der Mann war braungebrannt, drahtig, hatte einen Dreitagebart und kurze, übersorgfältig frisierte Haare: Oswald aus der Notrufzentrale würde sofort anfangen, zu schmachten.

»Ernesto Langmann, Customer Contacts.« Ende zwanzig. Eine dekorative Mischung mit einem guten Schuss Südamerika. Das dunkelrote Hemd spannte sich über seiner bodybuildinggestählten Brust.

»Und that ist unser Problem.« Hasko Beyer deutete auf den Tisch.

Dort lag, auf einem roten Samtkissen …

… eine Stockert & Rohrbacher Modell 1.

Um die Pistole herum, sorgfältig auf schwarze Pappen aufgeklebt: Plakate, Prospektseiten, Anzeigen.

»Ich hoffe, Sie haben not problems mit Waffen.«

Katharina schüttelte den Kopf. Wenigstens konnte sie zu dem Thema etwas halbwegs Intelligentes von sich geben.

»Der Customer hat unsere Designs für die Campaign rejected. Wir diskutieren gerade das Why«, erläuterte Hasko Beyer.

Okay, der Kunde hatte also die Entwürfe abgelehnt. Jetzt ging es, soweit Katharina verstanden hatte, um das Warum. Sie lehnte gleichfalls über den Tisch, in der Hoffnung, so halbwegs kompetent und interessiert zu wirken. Fast im gleichen Moment wusste sie bereits, was an den Entwürfen nicht stimmte: Das zentrale Motiv war die Modell 1, vor blauem Hintergrund, im Licht glänzend. »Perfection in Precision« stand darüber in weißen, plastischen Lettern. Im Hintergrund eine Gewehrzielscheibe mit zerlöchertem Zentrum. Katharina konnte sich gut vorstellen, wie die beiden Waffenschmiedinnen darauf reagiert hatten.

Nun denn, sie hatte nichts zu verlieren, wenn sie weiter mitspielte. »Das Plakat ist Blödsinn. – Das hier …« Katharina nahm die Waffe an sich. »… ist eine Defensivwaffe. Kein Sportgerät. Einfach zu bedienen, gut einzustellen, leicht zu ziehen und zu tragen. Für Leute, die mit der Waffe mehr anrichten wollen, als Scheiben zu lochen. Und nichts, aber auch gar nichts, findet sich davon auf dem Plakat.«

Die Männer nickten beschämt. Katharina fuhr mutiger fort: »Diese Waffe soll Schaden anrichten. Einen gewalttätigen Angriff abwehren. Wie alle Waffen von Stockert & Rohrbacher.«

»Aber es sind doch Präzisionswaffen?«, fragte Wigo Bach schüchtern.

»Natürlich. Die besten, die es gibt. Und die teuersten. Jeder, der mit Schusswaffen arbeitet, weiß das.«

»Und was –?«

»Das …«, Katharina deutete auf das Plakat, »das ist ein Sportspielzeug für reiche Waffennarren. Das hier …«, sie hielt wieder die Waffe hoch, »… ist eine Pistole für Leute, die sie auch brauchen. Polizisten, Militär.« Kriminelle, fügte sie für sich hinzu. »Dafür ist sie entworfen worden. Die Modell 1 hat eine richtige Seite.«

Sie zeigte Hasko Beyer den Blick über das Visier der Waffe.

»Und eine verdammt falsche!« Katharina richtete die Pistole auf die vier Männer. Hasko Beyer und Hartmut Farber hoben erschrocken die Hände. Ernesto Langmann ließ sich auf den Boden fallen und schlug die Arme über den Kopf.

Befriedigt legte Katharina die Waffe zurück auf den Tisch. Die Männer waren blass, ihre Augen groß wie Untertassen.

»Bloody brillant«, stammelte Hasko Beyer. »Das war sehr impressing, Frau Klein. Aber eine Campaign …«

»Die Waffe soll als Einsatzwaffe verkauft werden. Und das hier ist … Nicht mal die Zielscheibe im Hintergrund stimmt.«

»Warum denn nicht?«, fragte der Art-Director schmollend.

»Das ist eine Zielscheibe für Gewehre. Jeder, der sich mit Waffen auskennt, sieht das sofort.«

»Sie wissen aber viel darüber.« Hasko Beyer verfiel vor Schreck ins Deutsche.

»Ich war beim Law Enforcement, bevor …« Katharina bremste sich. Jetzt fing sie auch schon mit diesem Sprach-Mischmasch an.

»Und Sie glauben, eine Campaign ›richtige Seite, falsche Seite‹ wird vom Customer appreciated?«

Katharina dachte daran, mit welchem Vergnügen die beiden Waffenschmiedinnen eine Schaufensterpuppe in Stücke geschossen hatten: »Oh ja!«

***

Hasko Beyer führte Katharina in ein Eckbüro mit großen Fenstern. Er bot ihr einen Platz an, während er selbst in seinen Bürosessel fiel.

»Ich bin wirklich impressed. Jetzt müssen wir Ihren Preis negotiaten.«

»Meinen was?«

»Ich möchte, dass Sie das Projekt übernehmen. Konzept und Text. Was ist Ihr Preis? Sie müssten allerdings sofort starten.«

»Eigentlich bin ich wegen Melanie Wahrig hier.«

»Yeah, I know. Sie hat Sie uns wärmstens empfohlen.«

»Nein, deswegen komme ich nicht.« Katharinas Magen zog sich zusammen. Aber jetzt war vermutlich die letzte Gelegenheit. »Melanie Wahrig ist tot.«

»Was?« Hasko Beyer sprang auf.

»Ich habe sie am Donnerstag in ihrer Wohnung gefunden. Am Freitag ist sie im Krankenhaus gestorben.«

»Das ist ja …« Hasko Beyer brach ab.

»Ich weiß, das ist sicher ein Schock.«

»Das ist eine Katastrophe. Wissen Sie, an wie vielen Projekten sie für uns gearbeitet hat? Wer soll das denn jetzt alles übernehmen?« Hasko Beyer rieb sich über das Gesicht und hob dann den Kopf wieder. »Aber Sie sind doch Texterin?«

Katharina hasste sich für das, was sie jetzt tat. Aber das hier war ihre beste Spur. Wer so über Menschen sprach …

»Ja«, sagte sie fest.

»Ich kann Ihnen für die Campaign zwei fünf zahlen.«

»Drei.«

»Deal!«

***

Hasko Beyer hatte sie in ein Büro gebracht, in dem Wigo Bach an einem Schreibtisch saß. Wigo erklärte ihr, was sie tun sollte. Katharina verstand schnell. Sie sollten Ideen für ein Plakat, eine Anzeige und eine Broschüre entwickeln. Ihre Aufgabe war der Text. Hartmut Farber, der in einer Ecke des Büros saß und auf einem Skizzenblock zeichnete, würde Entwürfe machen. Wigo würde Katharina unterstützen und zuletzt alles auf PowerPoint-Folien setzen.

»Ich denke, wir sollten eine Testimonial-Campaign machen«, schlug Hartmut Faber vor, ohne von seinem Zeichenblock aufzusehen.

»Eine was?«, fragte Katharina.

Die beiden Männer lachten.

»Typisch Texter – will alles auf Deutsch hören«, sagte Wigo. »Dieses Denglisch vom GröWaZ ist ziemlich ansteckend.«

»Von wem?«

»Vom Größten Werber aller Zeiten. So heißt hier Hasko, wenn wir unter uns sind. – Ach ja«, fügte Wigo hinzu. »Wir Kreativen duzen uns hier alle. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«

Katharina schüttelte zögernd den Kopf. Mit ihren Kollegen bei der Polizei war sie lieber per Sie, aber wenn es hier so üblich war …

«Also – eine Testimonial-Campaign …«, erläuterte Hartmut Faber, »… zeigt einen mehr oder minder realen Nutzer und bringt ein knackiges Zitat von ihm.«

»Ich trinke Jägermeister, weil …«, sagte Katharina.

»Genau.«

»Und wer soll das sein? Die Waffe ist noch im Prototypen-Stadium.«

Hartmut Farber warf seinen Skizzenblock auf den Tisch: »Du natürlich!«

Der Block zeigte Katharina in einem langen schwarzen Mantel, die Waffe im Anschlag. Darüber stand: »Auf der richtigen Seite: Modell 1«.

»Cool«, sagte Wigo. »Das ist es.«

»Aber ich kann doch nicht –«

»Du warst doch mal bei der Polizei, oder?«, fragte Wigo. »Dann ist das wenigstens nicht gelogen.«

***

Katharina war erstaunt, wie leicht ihr die Arbeit von der Hand ging. Wigo sah ihr hin und wieder über die Schulter und nickte anerkennend.

Auch Hartmut Farber wirkte zufrieden. Er hatte sich an seinen Computer gesetzt und angefangen zu layouten.

Gegen Mittag lehnten sie sich alle zurück. »Jetzt fehlen nur noch die Fotos«, sagte Wigo. »Ich rufe Sandra an.«

***

Die rundliche, hübsche Frau kam Katharina vage bekannt vor. Wigo stellte sie vor: »Sandra Beckmann, unsere Producerin und guter Geist. – Katharina Klein, unsere neue Texterin.«

Der Händedruck von Sandra Beckmann war kräftig und kühl: »Was kann ich für euch tun?«

»Ein Wunder vollbringen. Wir brauchen ein Fotoshooting. Am besten gestern«, antwortete Wigo.

Sandra Beckmann zuckte mit den Schultern. »Wenn’s weiter nichts ist. Das Studio ist morgen nicht belegt, und Sven ist frei. – Stylist?«

»Ja. Und ein paar Klamotten.«

»Models?«

»Katharina hier springt ein. Sind erst mal Layout-Aufnahmen. Sven soll sich aber trotzdem Mühe geben.«

Sandra Beckmann musterte sie von oben bis unten und nickte dann. Offenbar hielt sie Katharina für fotowürdig.

»Ach, und wir brauchen noch einen Mann«, fuhr Hartmut Farber fort. Er legte wieder einen Skizzenblock auf den Tisch. Die Überschrift lautete jetzt: »Du bist auf der falschen Seite, Mann!« Die Zeichnung darunter zeigte wieder Katharina, diesmal halb von hinten, die Waffe im Anschlag auf einen knienden Mann, der artig die Hände hochhielt.

Alle lachten.

»Schwierig. – Du weißt, wie das mit männlichen Models ist«, sagte Sandra. »Die dürften alle gebucht sein.«

»Oh, ich dachte an kein Model«, erwiderte der Grafiker. »Ich dachte an André.«

Wigo und Sandra lachten laut auf.

»Das ist gut. Ich frage ihn. Der ist so eitel …«, sagte Sandra, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war.

»Wer ist André?«, fragte Katharina.

»Unser stellvertretender Geschäftsführer. Für die Anglophilen: unser Secondary C – E – O.« Wigo dehnte die Buchstaben ins Unendliche.

In diesem Augenblick drang Hasko Beyers Stimme aus dem Lautsprecher der Vielzweck-Telefon-Gegensprechanlage: »Please kommt alle in die Church für ein kurzes Meeting.«

***

Altmodische Buntglasfenster. Unverputzte Backsteinmauern. Stühle standen in ordentlichen Reihen bereit zum Gebet: Church war eine durchaus passende Bezeichnung für den großen Besprechungsraum. Den Altar ersetzte eine Projektionswand. Daneben stand, etwas erhöht und einer Kanzel gleich, ein Rednerpult.

Nach und nach trudelten die Mitarbeiter ein. Wigo flüsterte Katharina die Namen zu: »Das ist Sven Langstroem, der morgen fotografieren wird. Ernesto und Sandra kennst du ja. – Und das ist André Meyer.«

Der so Vorgestellte segelte in den Raum wie ein Kranich, das Renaissance-Profil vorgestreckt, das graumelierte Haar in eine aufwendige Out-of-Bed-Frisur gezwungen, gekleidet in edles Tuch. Er nickte den Mitarbeitern huldvoll zu, bevor er sich auf einen Stuhl in der ersten Reihe drapierte. Katharina freute sich darauf, ihn zu erschießen. Sie zog ihre kleine Kamera aus der Tasche und begann die Anwesenden unauffällig zu fotografieren.

Endlich trat Hasko Beyer ans Rednerpult: »Liebe Kollegen. Leider habe ich eine traurige Message für euch. Unsere Mitarbeiterin Melanie Wahrig ist am Freitag verstorben.«

Es wurde schlagartig totenstill. Nur Sandra Beckmann schluchzte einmal laut und trocken auf. Sie war totenblass und hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass die Muskeln am Kiefer heraustraten.

»Ich möchte gern am Freitag ein kleines Event hier in der Church machen. Ich würde es appreciaten, wenn alle daran teilnehmen und sich etwas einfallen lassen.«

Katharina war überrascht. Hatte sie Hasko Beyer doch falsch eingeschätzt? Er wirkte zumindest ehrlich betroffen.

Hasko Beyer stieg vom Rednerpodest. Die Anwesenden erhoben sich langsam und gingen aus dem Raum. Sandra Beckmann, die neben Katharina gesessen hatte, murmelte leise: »Ich brauche jetzt eine Zigarette.«

Katharina folgte ihr in die Raucherecke, die schamhaft hinter einem Labyrinth aus Paravents verborgen war. Sandra stellte sich an einen der hohen Tische und zündete sich fahrig eine Zigarette an, dann hielt sie Katharina die Schachtel hin. Wenigstens eine sehr leichte Sorte.

»Jetzt weiß ich, woher ich dich kenne«, sagte Sandra, als sie Katharina Feuer gab. »Du wohnst doch bei Melanie im Haus, richtig?«

Katharina nickte. Sie mussten sich wohl mal auf der Treppe begegnet sein.

»Bist du nicht Polizistin?«

»Nein, ich bin gefeuert worden. Melanie war so freundlich, mich hierher zu empfehlen.« Diese kleine Notlüge war hoffentlich verzeihlich. Blieb nur zu hoffen, dass die echte Texterin nicht zu früh auftauchte.

Sandra starrte ins Leere.

»Kannten Sie … kanntest du Melanie gut?«

Sandra nickte langsam. »Wir waren sehr eng befreundet.« Sie drückte ihre Zigarette so heftig aus, dass der Aschenbecher beinahe umkippte. »Egal. Das Shooting wartet nicht.«

***

Nachdenklich ging Katharina zurück ins Büro. Dort wartete bereits Hasko Beyer, über die Entwürfe gebeugt. Er sah auf, als sie hereinkam.

»Good work, Frau Klein.« Er versuchte den Anflug eines Lächelns. In der Hand hielt er eine Cola-Flasche, aus der ein Strohhalm ragte.

Strohhalm? Speichel? DNA! Ob sie …?

Hasko Beyer zog einen kleinen Zettel aus der Brusttasche seines Hemdes und reichte ihn Katharina: »Frau Klein, ich hätte noch eine Bitte. Haben Sie Zugang zum Computer von Frau Wahrig?«

Katharina bejahte.

»Ich weiß, es ist vielleicht the wrong moment. Aber da sind ziemlich viele Projektdaten drauf. Ob Sie wohl schauen könnten? Hier ist das Passwort.«

Katharina nahm den kleinen Zettel, so selbstverständlich es ihr möglich war. »Ich kümmere mich darum.«

Hasko Beyer nickte dankbar und ging. Seine Cola-Flasche ließ er stehen. Hartmut Farber wollte sie schon nehmen: »Immer diese Schlamperei.«

Katharina kam ihm zuvor: »Ich muss auch zum Getränkeautomaten. Da kann ich die Flaschen gleich mitnehmen.«

Dankbar überließen ihr auch Wigo und Hartmut ihre leeren Flaschen. Katharina jubelte innerlich. Drei Proben bei nur sechs Männern in der Agentur, wenn sie richtig gezählt hatte.

***

Katharina schloss sich in einer Toilettenkabine ein und streifte sich Einweghandschuhe über. Sie war froh, dass sie immer mehrere Paare in ihrer Tasche hatte; ebenso kleine Plastikbeutel zur Beweismittelsicherung. Rasch zerschnitt sie die Strohhalme, verpackte und beschriftete sie.

Am Getränkeautomat traf sie auf Ernesto Langmann, der sie anerkennend musterte. »Sie haben mir ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«

Katharina nickte huldvoll: »Gern geschehen.«

»Eigentlich schulden Sie mir dafür eine Einladung zum Essen. – Wie wäre es heute Abend?« Der Charme des sexuell Größenwahnsinnigen; kein Wunder, bei dem Geschlechterverhältnis in der Agentur.

»Oh, ich fürchte, das wird nicht gehen. Mein …« Wenn sie schon schwindelte, dann richtig. »Meine Lebensgefährtin erwartet mich. Und sie wird schnell eifersüchtig.«

Ernestos Lächeln verkrampfte sich. »Schade. Ich kenne ein sehr gutes brasilianisches Restaurant. – Ich bin Halbbrasilianer, wissen Sie?«

»So etwas hatte ich vermutet. Tanzen Sie auch Salsa?«

»Ist der Papst katholisch?«

»Sehr gut. Ein anderes Mal gern. Wenn mein Schatz verreist ist.« Katharina zwinkerte kokett.

»Gern.« Siegesgewiss versenkte Ernesto mit einem zielsicheren Wurf seine Flasche im Kasten neben dem Getränkeautomaten und tänzelte davon.

Katharina wartete, bis er außer Sichtweite war. Ihr Schweizer Taschenmesser hatte eine Pinzette, mit der sie den Strohhalm aus der Flasche fischte. Vier Proben. Zwei fehlten noch. Und die würde sie morgen bekommen, wenn alles glatt lief.

Sie zog einen Schokoriegel aus dem Süßwarenspender. Das hatte sie sich jetzt verdient. Dann ging sie schwungvoll zurück ins Büro. »Okay Boys, what’s up?«

Wigo und Hartmut lachten.

»Tja«, antwortete Wigo. »Eigentlich sind wir durch. Wir könnten was essen gehen. Nur um die Ecke, zum Stehitaliener.«

***

Hartmut Farber hatte noch zu tun, und so gingen Wigo und Katharina allein. Sie aßen schweigend. Nach dem Essen zündete sich Wigo einen Zigarillo an. Er bot auch Katharina einen an. Sie würde sich noch zur Raucherin entwickeln, wenn das so weiterging, aber Wigo hatte vielleicht wichtige Informationen. Und sie konnte sie ja schlecht aus ihm herausprügeln.

»Kanntest du eigentlich Melanie Wahrig?«, fragte sie.

»Ja, ganz gut. Wir haben oft zusammengearbeitet. Die Arme. Wie ist das denn passiert?«

Katharina spürte so etwas wie einen elektrischen Schlag: Das war doch eine ganz normale Frage. Und niemand in der Agentur hatte sie bis jetzt gestellt.

»Sie ist wohl beim Putzen von der Leiter gefallen und unglücklich aufgekommen.«

»Beim Putzen? Melanie hatte doch eine Putzfrau. Dieselbe wie ich. Ziemlich gut, ziemlich gründlich.«

Katharina zuckte mit den Schultern. »Sagt zumindest die Polizei.«

»Und? Was denkst du?«

»Ich?«

»Du warst doch Polizistin. – Passt das zusammen?«

»Warum?«

»Nun, es könnte …«

»Ein Mord sein?« Katharina lachte gezwungen. »Ich glaube, du hast zu viel Fantasie.«

»Möglich. In meiner Freizeit schreibe ich Krimis.«

Ein Hobby-Kriminalist. Das hatte Katharina gerade noch gefehlt. Aber in der Not … »Hast du denn einen Verdacht?«

»Nicht direkt. Aber Melanie … Man soll ja nicht schlecht über Tote reden, aber sie hat sich ziemlich merkwürdig benommen in letzter Zeit. Hat so ziemlich alles angegraben, was männlich und halbwegs attraktiv ist.«

»Dich auch?«

Wigo lachte. »Ich denke mal, du hast schon vermutet, dass ich mir aus Frauen nicht so wahnsinnig viel mache. – Auf jeden Fall hieß Melanie hinter vorgehaltener Hand schon ›die Kompaniematratze‹.«

Das passte so gar nicht zu dem Bild, das Katharina von ihrer Nachbarin hatte. Aber wenn Melanie wirklich einen passenden Vater für ihr zweites Kind finden wollte, brauchte sie eine Auswahl an potenziellen Erzeugern.

»Außerdem heißt es …« Er schwieg wieder.

»Ja?«

»Dass sie so einen ganz komischen Fetisch hatte. Sie hat …« Er beugte sich zu ihr und flüsterte: »Sie hat benutzte Kondome von ihren Liebhabern gesammelt. Nun, jedem das Seine. – Jedenfalls kann ich mir vorstellen, dass sie jemanden damit vor den Kopf gestoßen hat. André Meyer zum Beispiel. Und der hat angeblich schon mal einer Frau ein blaues Auge verpasst, weil sie ihm einen Korb gegeben hat.«

***

Da Katharina mit ihren Texten fertig war und es nichts mehr für sie zu tun gab, konnte sie sich von ihrem neuen Arbeitsplatz verabschieden. Vor der Tür sprang sie rasch in ihren Mini und gab Hans und Lutz ein Zeichen, ihr zu folgen. Hans legte widerwillig Kalle Blomquist weg und ließ den Motor an.

***

Andreas Amendt saß gedankenverloren zwischen den Bettchen der Säuglingsstation. Er fütterte gerade Johanna und winkte Katharina durch die Scheibe: Sie und ihre Leibwächter sollten hereinkommen.

Die Schwester erkannte die begeisterten Kinderfütterer sofort. Hans und Lutz machten sich auch gleich mit Feuereifer ans Werk. Auch Katharina nahm sich eine Flasche und ein Kind. Dann setzte sich neben Andreas Amendt. Das Kind trank artig. Katharina spürte, wie sie sich entspannte.

»Ich habe ein paar DNA-Proben«, sagte sie in melodiösem Singsang.

»Sehr gut«, summte Andreas Amendt zurück. »Auch an die Kondome im Kühlschrank gedacht?«

Katharina nickte. Sie hatte an diesem Morgen ein paar Proben genommen, bevor sie das Haus verließ. Die Probenröhrchen lagen ebenfalls im Seitenfach ihrer Handtasche, sauber beschriftet, gut gekühlt von zwei Gel-Packs, mit denen sie sonst ihre Blessuren aus dem Training kurierte. Das brachte sie auf eine Idee.

»Vielleicht sollten wir auch von Johanna eine Probe nehmen? Dann wissen wir genau, ob sie das perfekte Kind ist.«

»Schon erledigt.« Andreas Amendt klopfte auf die Tasche seines grünen Hemdes. Er summte weiter: »Jetzt müssen wir nur noch den Kleinau überzeugen.«

***

Die DNA-Analyse-Anlage stand still. Torsten Kleinau saß jedoch vor seinem Rechner. Er hatte die Augen geschlossen und dirigierte mit einer Hand die nur für ihn hörbaren Klänge. Nach einem großen Schlussakkord schaltete er den CD-Player ab und seine Hörgeräte wieder an.

»Bruckner. Achte Sinfonie«, sagte er entschuldigend. »Die reißt mich immer mit. – Was kann ich für Euch tun?«

Andreas Amendt fragte betont harmlos: »Eure Anlage muss doch hin und wieder mal getestet werden, nicht wahr?«

»Hin und wieder schon, warum?«

»Und wann ist der nächste Test fällig?«

»Irgendwann in nächster Zeit.«

»Was hältst du davon, wenn du ihn heute machst? Ich meine, es ist doch gerade ziemlich ruhig.«

Torsten Kleinau ließ sich mit seinem Sessel um die eigene Achse wirbeln: »Anders ausgedrückt: Du willst, dass ich ein paar Proben für euch analysiere – ohne Gerichtsbeschluss. Kann das sein?«

Andreas Amendt sah zur Decke. »So kann man es vielleicht formulieren, ja.«

»Hör mal, das ist höchst illegal. Wenn das rauskommt, komme ich in Teufels Küche.«

Katharina atmete tief durch. »Schauen Sie, es ist so: Wir haben da zwei Mordfälle. Und wenn wir nicht schleunigst einen Verdächtigen finden, werden die Akten geschlossen. Wenn wir aber erst mal wissen, wer der Täter war, finden wir auch genug Beweise, um die Tests unter den Tisch fallen zu lassen.«

»Ehrenwort? Und ihr sagt niemandem, dass ich die Proben für euch analysiert habe?«

»Niemand wird erfahren, dass diese Proben überhaupt existieren.«

»Also schön.« Torsten Kleinau deutete auf das mit einem medizinisch-blauen Tuch abgedeckte Tablett auf dem Tisch vor ihm.

Katharina zog ihre Proben aus der Handtasche und legte die Plastikbeutelchen vor ihn hin. »Hier, einfach nur identifizieren. Und wenn es irgendwelche Übereinstimmungen gibt, wäre ich für eine diskrete Notiz ganz dankbar.«

»Okay. Ich mache mich gleich an die Arbeit.«

»Und das hier …« Andreas Amendt zog ein Teströhrchen aus der Tasche. »Davon hätte ich gern ein komplettes Genprofil. So wie bei den Unterlagen, die ich dir gestern gezeigt habe.«

Torsten Kleinau sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an: »Lass mich raten: dein perfektes Kind?«

»Ich glaube, das willst du gar nicht so genau wissen.«

Der DNA-Analytiker lachte. »Okay. Einmal DNA mit allem. Aber ich sage dir jetzt schon, dass du enttäuscht sein wirst.«

***

Wie versprochen hatte Lutz wegen Henthen herumtelefoniert. »Ein paar von den Mädchen in Kurtz’ Bordellen kennen ihn. Prahlt ziemlich damit, was er ist. Ansonsten völlig normal. Keine Sonderwünsche. Zockt aber regelmäßig im Goldtaler.«

Katharina pfiff durch die Zähne. Der Goldtaler war einer von Kurtz’ Läden. Er lag in einer Seitenstraße der Konstabler Wache und war nach außen eine ganz normale Kneipe. Im Hinterzimmer lief jedoch ein illegaler Spielbetrieb. Dort spielten jedoch ausschließlich Menschen, die man nicht guten Gewissens in die richtigen Spielrunden lassen konnte: reiches, dummes Volk, das sich einmal richtig verwegen fühlen und in einer echten Unterweltkneipe zocken wollte. Damit niemand Schaden nahm, hatte Kurtz den Goldtaler eingerichtet. Eine Handvoll arbeitsloser Schauspieler schufen Abend für Abend fast ganz echte Unterweltstimmung: Zuhälter, leichte Mädchen, hin und wieder eine kleine Schlägerei. Die Besucher gingen mit moderaten Gewinnen oder Verlusten nach Hause. Dazu waren die Croupiers angewiesen.

»So, so. Unser Doktor spielt. Hat er Schulden?«, fragte Katharina.

»Kurtz sagt, nein. Nicht in seinen Läden«, antwortete Lutz.

»Denken Sie, das hat etwas zu bedeuten?«, fragte Andreas Amendt Katharina.

»Geld ist immer ein Motiv. Immerhin wurde Alexandra Taboch offenbar für die Schwangerschaft bezahlt. Oder haben Sie sonst eine Erklärung, warum sie auf einmal alle Schulden begleichen konnte?«

»Sie meinen, die kleine Johanna ist ein Kind auf Bestellung?«

»Leihmutterschaft ist zwar illegal, aber zumindest würde es erklären, warum Henthen unbedingt die Adoption durchsetzen will. Und so ein ›perfektes Kind‹ könnte einen sehr hohen Preis erzielen.«

»Vielleicht braucht er für andere Dinge Geld«, warf Hans ein. »Gierige Ehefrauen, Alimente, Börse, Drogen …«

»Nein, er ist kein Drogentyp«, widersprach Andreas Amendt. »Außerdem kommen Ärzte gut und billig an fast jeden Stoff.«

»Und was ist mit Drittmitteln?«, schlug Lutz vor. »Vielleicht geht’s ja um sein Institut.«

»Ich glaube, da hat er keine Probleme. In die Reproduktionsmedizin fließt ziemlich viel Geld. Trotzdem schadet es vielleicht nichts, sich mal ein wenig umzuhören. Ich kenne da jemanden, der genau die richtigen Verbindungen dafür hat.« Andreas Amendt griff zum Telefon. »Grüß dich, Paul! – Ich bin’s, Andreas.«

Es folgten ein paar Minuten Small Talk. Katharina befürchtete schon, er habe das wahre Anliegen seines Anrufs vergessen.

»Sag mal, was ganz anderes. Ich müsste mal auf dein Wissen zurückgreifen. – Ja, es geht um Henthen. Wir fragen uns, ob sein Institut irgendwelche Probleme hat. – Stimmt, besser nicht am Telefon. – Gut, wir kommen morgen Nachmittag vorbei.« Er verabschiedete sich. Dann erklärte er Katharina: »Das war Paul Leydth, mein ehemaliger Doktorvater. Er hat uns morgen Nachmittag zum Kaffee eingeladen. Wir könnten Laura mitnehmen. Paul mag Kinder. Und Laura wird es dort gefallen. Schönes Haus mit einem tollen Garten.«

Laura? Katharina sah erschrocken auf die Uhr. »Hilfe, ich muss los. Laura vom Kindergarten abholen.«

»So früh schon?«

»Ich will vorher noch kurz nach Hause. Sehen, ob ich mit dem Passwort weiterkomme, das ich in der Agentur gekriegt habe. Für Melanie Wahrigs Rechner. Und ich will Laura nicht unbedingt mit in die Wohnung ihrer Mutter nehmen.«

Andreas Amendt stimmte ihr zu: »Sehr vernünftig.«

Ein Händedruck, ein unverbindliches »Bis morgen!«.

Katharina stellte erstaunt fest, dass sie das traurig machte.

***

Das Gesicht des Mannes, der Katharina, Hans und Lutz aus der Hofeinfahrt zu Katharinas Haus entgegentrat, lag im Schatten einer Kapuze: »Katharina Klein?«

Er wartete die Antwort nicht ab und griff in seine geöffnete Jacke.

Auch das noch!

Katharinas Fuß schnellte vor und traf den Arm des Mannes mit voller Wucht. Gleichzeitig ließ sie ihre Handtasche von der Schulter rutschen und mit Schwung auf den Kopf des Mannes krachen. Die Bleieinlage im Taschenboden zeigte Wirkung. Der Mann sackte nach vorn, nur um gleich von Katharinas Knie wieder hochgerissen zu werden. Eine Sekunde stand der Mann aufrecht. Die Pistole mit Schalldämpfer rutschte aus seiner Hand und schlug klappernd auf den Gehsteig. Dann fiel der Mann nach hinten. Sein Kopf knallte auf das Pflaster.

Katharina stürzte sich auf den Mann und riss ihn am Kragen hoch. Mit der freien Hand zog sie die Stockert & Rohrbacher Modell 1 aus ihrer Handtasche und hielt dem Mann die Mündung an die Stirn.

»Wer schickt dich? Und wen hat er noch geschickt?«

Der Mann kniff die Lippen zusammen. Katharina stieß seinen Kopf zurück auf das Pflaster. Dann zeigte sie ihm den Griff ihrer Pistole und deutete auf die in Gold eingravierten Kerben. »Max Boroffski! Miquel de Vega!«

Die Namen ließen den Mann zusammenzucken.

Sie deutete eine dritte Kerbe an: »Du!«

Dann richtete sie die Waffe wieder auf die Stirn des Mannes: »Eins … zwei …«

Der Mann schloss angsterfüllt die Augen. Er murmelte »De Vega!« und ein russisch klingendes Wort.

»Das heißt ›Schwester‹«, übersetzte Lutz.

»Ich bin nicht deine Schwester.« Mit dem Griff ihrer Waffe verpasste Katharina dem Mann einen wohldosierten Kinnhaken. Er sackte ohnmächtig zusammen. Katharina stand auf. Sie roch Urin. Die Hose des Mannes war nass im Schritt. Und so jemand arbeitete als Killer.

Endlich hatten auch die beiden Polizisten im unauffälligen Opel – der von Polanski geschickte Polizeischutz –, bemerkt, dass etwas passiert war. Sie kamen herangelaufen, ihre Pistolen aus den Holstern nestelnd. Was für Dilettanten! Wenigstens hatten die jetzt das Vergnügen, den Mann ins Polizeipräsidium zu bringen. Schnell ließ Katharina ihre Waffe verschwinden.

In einer Leistungsschau glänzend koordinierter operativer Hektik drehten die beiden Polizisten den Ohnmächtigen auf den Bauch und legten ihm Handschellen an, während Katharina Handschuhe und eine Plastikhülle für Beweismittel aus ihrer Handtasche zog. Mit spitzen Fingern sicherte sie die Waffe des Killers, ließ das Magazin herausfallen und packte beides in die Hülle. Sie zog den Schutzstreifen des Klebeverschlusses ab und verschloss den Beutel sorgfältig.

Nachdem die beiden Polizisten den langsam wieder zu sich Kommenden an eine Mauer gelehnt hatten, richteten sie sich auf.

»Das war aber in letzter Sekunde«, sagte einer der beiden. »Jetzt sehen Sie, was passiert, wenn wir nicht ständig in Ihrer Nähe sind.«

Hans holte Luft, doch Katharina unterband die Schimpfkanonade mit einer knappen Geste. »Dann bringen Sie den Mann mal ins Präsidium. Polanski wird sich freuen. Ach ja, Sie sollten ihn vorher vielleicht noch nach weiteren Waffen durchsuchen.«

Mit der Schuhspitze schob sie das Hosenbein des Mannes zurück. Um den Knöchel war ein kleines Holster mit einer weiteren Pistole geschnallt. Die beiden Polizisten zogen den Mann hoch und lehnten ihn gegen die Wand. Sie fanden noch ein Springmesser, einen kleinen Totschläger sowie ein paar Reservemagazine. Schließlich griff einer der beiden zum Handy. Er berichtete knapp von einer Heldentat der Frankfurter Polizei, Bereich Personenschutz. Katharina war das nur recht. Dann würde niemand die falschen Fragen stellen.

Der Polizist beendete das Telefonat. »Polanski sagt, wir sollen ihn ins Präsidium bringen. Er schickt Ablösung.«

»Na dann …« Katharina drückte ihm den Beutel mit der Pistole in die Hand.

»In dem Zustand sollen wir ihn mitnehmen?« Der zweite Polizist deutete auf die Hose des Gefangenen. »Die Sitze kriegen wir doch nie mehr sauber.«

Was hatte Polanski noch gesagt? Katharina solle Punkte sammeln?

Erneut wühlte sie in ihrer Handtasche und zog ein Notregencape hervor. Sehr nützlich bei Tatorten unter freiem Himmel. Das Cape war groß genug, um damit notfalls auch eine Leiche und die nähere Umgebung halbwegs vernünftig abzudecken. »Hier, legt das unter.«

»Wir brauchen aber auch noch Ihre Aussage.«

»Später, wenn überhaupt nötig«, widersprach Katharina. »Erstens habe ich es eilig. Zweitens werdet ihr von eurer Festnahme doch selbst genug berichten können.«

Die beiden Polizisten nickten. Sie hakten den Mann unter und schleiften ihn zu ihrem Wagen. Befriedigt sah Katharina, wie sie davonfuhren. Ein normaler Streifenwagen nahm ihren Platz ein und grüßte kurz mit der Lichthupe. Katharina winkte zurück. Streifenhörnchen waren ihr für die Bewachung tausendmal lieber. Schon allein die Anwesenheit eines Streifenwagens wirkte abschreckend. Außerdem konnten die Kollegen in Uniform gefährliche Situationen meist besser beurteilen. Erfahrung auf der Straße war eben durch nichts zu ersetzen.

***

Melanie Wahrigs Computer sprang zwar artig an, aber er verlangte immer noch nach Fingerabdruck und Code-Stick. Katharina fand keine Möglichkeit, ein Passwort einzugeben.

Genervt griff sie zum Telefon und rief bei stop! an. Doch der dortige Systemadministrator konnte ihr auch nicht weiterhelfen. Das System hatte er nicht eingerichtet.

Was jetzt? In der EDV des Polizeipräsidiums konnte sie nicht anrufen; das würde Wochen dauern, so überlastet, wie die waren.

Aber hatte ihr nicht irgendjemand etwas von einem Spezialisten erzählt, der im Rathaus eine Computerpanne behoben hatte? Rathaus? Klar, der Sohn der Oberbürgermeisterin.

***

»Stadtverwaltung Frankfurt, Rathaus?« meldete sich eine mürrische männliche Stimme mit starkem hessischem Akzent.

»Katharina Klein. Kriminalpolizei Frankfurt. Könnten Sie mich wohl mit Oberbürgermeisterin Walpurga Grüngoldt verbinden?«

»Noch höher geht's nicht? Ich schau mal, ob noch jemand im Geschäftszimmer ist.« Es klickte in der Leitung, und ein Synthesizer begann »Für Elise« zu spielen. Nach dem dritten Durchlauf nahm jemand ab. Eine Frauenstimme fragte streng: »Ja?«

»Mein Name ist Katharina Klein, und ich möchte …«

»Natüüürlich«, sagte die Stimme gleich wesentlich freundlicher. »Ich stelle Sie sofort zu Oberbürgermeisterin Grüngoldt durch.«

Es klickte wieder. Doch »Für Elise« hatte nicht einmal den Auftakt genommen, als Katharina schon die Stimme von Walpurga Grüngoldt aus dem Hörer entgegenschallte: »Frau Klein, welch eine Freude! Was kann ich für Sie tun?«

Schüchtern fragte Katharina, ob die Oberbürgermeisterin wohl meinte, ihr Sohn Frank könnte ihr mit einem Computerproblem helfen.

»Natürlich!«, lautete die fanfarenhafte Antwort. »Das macht er sicher gern. Ich gebe Ihnen gerade mal die Handynummer. Zurzeit dürfte er zwar beim Schachtraining sein, aber sprechen Sie ihm auf die Mailbox; er ruft bestimmt sofort zurück.« Katharina notierte die Nummer.

»Ach jaaaa«, fuhr die Oberbürgermeisterin fort. »Ein wenig Bedenken habe ich ja beim Berufswunsch meines Sohnes. Wie gefährlich ist denn die Arbeit eines fornischen … forschen …«

»Forensischen Informatikers?«

»Genau!«

»Ach, da kann ich Sie beruhigen«, log Katharina strahlend ins Telefon. »Die sind fast immer im Labor.« Außer, wenn sie für Katharina arbeiteten. Aber das musste die Oberbürgermeisterin ja nicht unbedingt wissen.

»Da bin ich aber erleichtert.«

Walpurga Grüngoldt versprach noch einmal, alles in ihrer Macht Stehende wegen der »skandalösen Suspendierung einer Heldin« zu unternehmen. Katharina bedankte sich artig.

Kaum hatte die Oberbürgermeisterin aufgelegt, rief Katharina Frank Grüngoldt an. Nur die Mailbox. Sie bat um Rückruf.

***

»Ach, Sie sind es bloß.« Zu Elfie LaSalles Enttäuschung kam Katharina diesmal wieder selbst die Stufen zum Eingang des Kindergartens herauf.

»Ja, Lutz ist leider noch bei der Arbeit«, log Katharina schnell.

»Ach so.« Elfie sah ein wenig fröhlicher aus. Lutz musste sie wirklich schwer beeindruckt haben. »Er ist ein bisschen schüchtern, oder?«

Katharina hob die Schultern: »Scheint so. – Ich werde manchmal nicht recht schlau aus ihm.«

»Aber er ist doch nicht …?«

»Nein, er ist Single.« Wie kam sie eigentlich dazu, Lutz’ Liebesleben zu diskutieren? Aber wenn es der Wahrheitsfindung diente …

»Das meinte ich nicht. Mag er Frauen überhaupt?«

Katharina lachte. »Doch, ich denke schon.«

»Und was halten Sie von Lutz?«, fragte die Kindergärtnerin streng.

»Er ist echt in Ordnung. Man unterschätzt ihn leicht.«

»Aha!« Das war eindeutig »Verhör für Fortgeschrittene: Wie verwickele ich meinen Gegner in Widersprüche«.

Katharina schmunzelte. »Fragen Sie doch einfach.«

»Was soll ich fragen?«

»Interessiere ich mich für Lutz als Mann?«

»Ja?«

»Nein«, sagte Katharina.

Die Gerölllawine, die Elfie vom Herzen fiel, hätte in den Alpen sicher Katastrophenalarm ausgelöst. »Dann ist’s ja gut. Ich hole Laura.«

Elfie verschwand im Inneren des Gebäudes. Katharina entschloss sich, Lutz jetzt jeden Morgen reinzuschicken, um Laura zum Kindergarten zu bringen. Sollte Elfie ihn doch weichkochen.

Es dauerte einen Moment, bis die Kindergärtnerin wieder erschien, mit Laura an der Hand. Die Vierjährige war bereits fertig angezogen und trug ihren kleinen Rucksack. Sie sah sehr unglücklich aus. Katharina ging in die Hocke.

»Hallo, Laura. Was bist du denn so traurig?«

»Ach, die Kinder haben sich heute ein wenig gestritten«, sagte Elfie LaSalle leichthin.

»Ach ja? Und worüber?«

»Weiß nicht. Bin zu spät dazugekommen.«

Katharina sah wieder zu Laura: »Worüber habt ihr euch denn gestritten, Laura?«

Laura antwortete nicht. Sie klammerte sich nur an Katharinas Hals und zog mit einem Schluchzen Luft durch die Nase. Katharina hob sie hoch. Meine Güte, war das Kind schwer. »Entschuldige, aber du wirst laufen müssen.«

Sie setzte Laura wieder ab. Das Mädchen zog sie zum Auto, krabbelte wortlos in den Kindersitz und starrte aus dem Fenster. Katharina erinnerte sich an ihre eigene Kindergartenzeit. Kinder konnten grausam sein. Kurzentschlossen kletterte sie zu Laura auf die Rückbank.

»Komm schon, Laura. Was ist passiert?«

Laura begann wieder zu schluchzen. »Torben hat mich gehauen.«

Katharina strich ihr sanft über das Haar: »Warum denn?«

»Der ist doof. Der hat gesagt, sein Papa hat gesagt, Mama ist eine Schlampe. Die treibts mit jedem.« Laura sah Katharina fragend an: »Das ist was ganz Schlimmes, oder?«

»Das hat er wirklich gesagt?«

Laura nickte und starrte wieder ins Leere.

»Hast du ihn auch gehauen?«

»Er hat mich immer weggehalten, so mit der Hand. Er ist viel größer als ich.«

Katharina kannte das: Das hatten die größeren Kinder bei ihr auch immer gemacht. Den ausgestreckten Arm an die Stirn und einfach wegdrücken. Wie feige!

Dicke Tränen kullerten über Lauras Wangen. »Das stimmt doch nicht, was der Torben gesagt hat, oder?«

»Natürlich nicht, Laura«, antwortete Katharina rasch.

»Der Torben ist doof.« Das kleine Mädchen starrte wieder düster ins Leere.

Katharina kletterte von der Rückbank Sie wollte sich schon auf den Fahrersitz schwingen, doch dann lenkte sie ihre Schritte noch einmal die Treppe zur Kindergartenvilla hoch. Es konnte nicht schaden, der Familie von Torben mal auf den Zahn zu fühlen.

***

Elfie LaSalle musste sie beobachtet haben, denn die Tür ging auf, kaum dass Katharina geläutet hatte: »Ja?«

»Ich wüsste gerne den vollständigen Namen von Torben. Und seine Adresse.«

»Wegen einer kleinen Rangelei?«

»Laut Laura hat Torben gesagt: Sein Vater hat gesagt – ich zitiere –, ›Lauras Mutter ist eine Schlampe, die es mit jedem treibt‹.«

»Das hat er gesagt? Warum hat denn Laura nicht –?«

»Unwichtig. – Ich weiß inzwischen genau, dass Melanie Wahrigs Tod kein Unfall war. Und dazu möchte ich den Vater ein wenig befragen.«

Elfie LaSalle wurde blass. Sie lief ins Gebäude und kam eine Minute später mit einem Zettel zurück. »Eigentlich darf ich das ja nicht.«

»Keine Sorge. Ich werde es nicht weitersagen. – Wissen Sie etwas über Torbens Eltern?«

Elfie LaSalle sah auf den Boden und schwieg.

»Ja?«, drängte Katharina.

»Torbens Mutter kommt manchmal mit Sonnenbrille, um Torben hier abzugeben. – Einmal hat sie auch ihr Bein nachgezogen.«

»Sie meinen, Torbens Vater schlägt seine Frau?«

»Aber das wissen Sie nicht von mir.«

***

Die Adresse, die Elfie Katharina gegeben hatte, lag nicht weit weg im Westend: eine kleine, akkurat renovierte Villa. Vor dem Haus stand ein neuer Porsche Cayenne. »Prof. Thomas Hartmann. Architekt. BdA« stand auf einem Messingschild am Eingangstor.

Katharina bat Hans, auf Laura aufzupassen, und ging mit Lutz zur Eingangstür. Sie klingelte. Die Tür wurde rasch geöffnet. Vor Katharina stand eine mittelgroße Frau in einem schwarzen Kostüm. Ein Luftzug wehte das Halstuch der Frau beiseite und offenbarte zwei hässliche Prellungen auf dem rechten Schlüsselbein.

Katharina streckte der Frau ihren Ausweis für den Polizeiparkplatz entgegen und ließ ihn sofort wieder verschwinden. »Katharina Klein. Kriminalkommissariat 11. – Wir möchten mit den Eltern von Torben Hartmann sprechen«, sagte sie streng und setzte einen Fuß in die Tür. Dann deutete sie auf Lutz. »Das ist mein Kollege Wernecke. – Dürfen wir reinkommen?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, gab sie Lutz ein Zeichen, und sie traten in den Hausflur.

»Ich bin Monika Hartmann. Torbens Mutter«, stellte die Frau sich eingeschüchtert vor.

»Wir würden auch gern Ihren Mann sprechen.«

»Er ist in seinem Atelier.«

»Dann holen Sie ihn«, sagte Katharina schroff. Aber das war nicht nötig. Eine Doppeltür schwang auf, und ein großer, breitschultriger Mann kam hindurch. Er hatte einen Dreitagebart und drahtige graue Locken; zu Flanellhemd und Jeans trug er wildlederne Halbschuhe, aber keine Strümpfe.

»Ja?«, fragte er herrisch.

»Katharina Klein. Kriminalpolizei«, sagte Katharina knapp. »Können wir irgendwo ungestört reden?«

Sie machte einen Schritt nach vorne. Lutz verschränkte die Arme. Der Auftritt zeigte Wirkung.

»Vielleicht im Konferenzzimmer«, schlug Thomas Hartmann sehr viel freundlicher vor. Er ging ihnen voran durch eine zweite Doppeltür. Um einen geschwungenen Glastisch standen mehrere Stühle, die so unbequem waren, wie sie aussahen. Lutz blieb an der Tür stehen, die Arme immer noch verschränkt.

»Kennen Sie eine Melanie Wahrig?«, fragte Katharina, nachdem sie sich gesetzt hatten.

Das Ehepaar sah sich überrascht an. Das genügte Katharina fast schon als Antwort.

»Ihre Tochter Laura geht mit Ihrem Sohn Torben zusammen in den Kindergarten.«

»Ja, und?«

„Torben soll heute zu Laura gesagt haben …« Katharina zog ein kleines Notizbuch aus ihrer Handtasche. Darin stand zwar nichts, aber während sie blätterte, beobachtete sie das Ehepaar, das zunehmend nervöser wurde. »Sie hätten gesagt – ich zitiere –, ›Melanie Wahrig ist eine Schlampe, die es mit jedem treibt.‹ – Stimmt das?«

Thomas Hartmann schrumpfte in seinen Stuhl hinein. »Das kann Torben nicht gehört haben.«

»So wie du es durch das Haus gebrüllt hast«, sagte seine Frau schnippisch.

Katharina tat so, als würde sie sich eine Notiz machen.

»Aber was hat die Kriminalpolizei damit zu tun?«, fragte Thomas Hartmann rasch. »Das war ein häuslicher Streit. Und Sie wissen ja, wie Kinder sind.«

»Melanie Wahrig wurde am Donnerstagabend schwer verletzt in ihrer Wohnung aufgefunden. Sie ist am Freitag verstorben.«

Thomas Hartmanns Unterlippe zitterte: »Sie ist tot?«

Katharina schlug das Notizbuch zu. »Wir können Fremdbeteiligung nicht ausschließen. Hatten Sie eine Affäre mit Melanie Wahrig?«

Thomas Hartmann nickte langsam. Seine Frau sah zur Seite.

»Dann möchte ich von Ihnen wissen, wo Sie am Donnerstag waren. – Sie beide!«

»Sie glauben doch nicht –«

»Wo waren Sie am Donnerstag?«, schnitt Katharina Frau Hartmann das Wort ab.

Thomas Hartmann richtete sich auf und verschränkte die Arme. »In Düsseldorf. Dort habe ich meine Professur. Ich bin erst am Freitag zurückgekommen.«

»Ich nehme an, dafür gibt es Zeugen?«

»Meine Studenten. – Moment, Sie glauben doch nicht, dass ich …? – Herrgott, ich habe einmal mit Melanie geschlafen. Und dann wollte sie nichts mehr von mir wissen.«

Katharina wandte sich an Monika Hartmann: »Wussten Sie davon?«

Die Frau hob den Kopf: »Ja. Mein Mann hat es mir gesagt.«

»Und Sie waren nicht eifersüchtig?«

»Nein.« Die Antwort kam viel zu schnell.

»Und warum haben Sie sich dann gestritten?«

»Wir haben uns nicht gestritten.«

»Sie sagten aber vorhin, Ihr Mann habe es so laut gebrüllt, dass man es im ganzen Haus hören konnte.«

Monika Hartmann lehnte sich zurück und schwieg.

Ihr Mann antwortete nach einer langen Pause: »Ja, wir haben uns deswegen gestritten.«

»Kam es dabei zu den Prellungen auf dem Schlüsselbein Ihrer Frau?«

»Ach die.« Monika Hartmann stieß einen Kiekser aus, der als Lacher keine große Karriere vor sich hatte. »Ich bin auf der Treppe ausgerutscht.«

Katharina hob die Augenbrauen. »Würden Sie mir jetzt sagen, wo Sie am Donnerstag waren?«

»Ich habe am Morgen Torben in den Kindergarten gebracht. Und danach war ich hier. Wir mussten noch ein Modell fertig bauen. Ich und zwei Studentinnen vom Städel.«

»Die können das sicher bezeugen?«

»Wollen Sie etwa sagen, dass ich Melanie Wahrig umgebracht habe?«

»Zeigen Sie mir mal Ihre Hände.«

»Was?«

»Ihre Hände. Bitte.«

Artig streckte Monika Hartmann ihre Hände aus. Sauber manikürt und winzig klein. Kleiner als die von Katharina. Damit war sie als Täterin so gut wie ausgeschlossen. Dennoch fragte Katharina: »Könnte ich dann DNA-Proben von Ihnen beiden haben?«

»Wozu?« Thomas Hartmann hob wieder den Kopf.

»Wir haben DNA-Spuren des Täters gefunden.« Katharina ließ den Satz kurz wirken, aber die beiden zeigten keine Reaktion. »So können wir Sie ganz sicher entlasten.«

Die beiden wirkten erleichtert. Katharina zog zwei Teststäbchen aus der Tasche und nahm von beiden einen Wangenabstrich. Dann stand sie auf. »Sie sollten Ihrem Sohn ein besseres Rollenmodell sein. Er hat heute Laura Wahrig nicht nur beschimpft, sondern auch geschlagen.«

»Was wollen Sie denn damit sagen?« Thomas Hartmann stand drohend auf.

Lutz ließ die Knöchel knacken: »Hasse Männer, die Frauen schlagen. Ist übrigens strafbar.«

Besser hätte es Katharina auch nicht formulieren können.

***

Kaum war die schwere Tür hinter Lutz und Katharina ins Schloss gefallen, hörten sie Thomas Hartmann schreien: »Torben! Komm sofort hierher!«

Lutz sah zu Katharina: »Glaubst du, die haben was mit dem Mord zu tun?«

Katharina runzelte die Stirn: »Was denkst du?«

»Ich bin zwar kein Polizist, aber wenn du mich fragst, wussten beide nichts von Melanie Wahrigs Tod.«

»Sehe ich auch so. Aber sicher ist sicher. Morgen lassen wir auch die DNA von Thomas Hartmann überprüfen.«

Lutz nickte.

Katharina sah zu dem großen Mann hoch: »Elfie hat übrigens nach dir gefragt.«

»Hmhm.«

»Und nach der Konkurrenz. Anderen Frauen.«

»Hmhm.«

»Und …«

»Hmhm. – Was und?«

»Nichts. Nicht so wichtig.«

»Was?«

Katharina war ein paar Schritte vorgegangen. Schwungvoll wollte sie in ihren Wagen steigen. Doch Lutz hielt sie auf: »Katharina!«

»Sie hält dich für schwul.«

Das zeigte Wirkung: »Was? Ich bin doch nicht …«

»Das habe ich ihr auch gesagt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mir geglaubt hat. Du weißt doch, wie Frauen manchmal sind.«

»Und jetzt? Ich meine …«

Männer. So viel Spaß hatte sie nicht mehr gehabt, seitdem sie Oswald von der Notrufzentrale bezichtigt hatte, ein latenter Hetero zu sein: »Tja, du wirst wohl mit ihr Tee trinken müssen.«

Katharina stieg in ihr Auto. Im Rückspiegel sah sie, wie Lutz zum Golf der beiden Leibwächter zurückstapfte. Durch die noch offene Tür hörte sie ihn murmeln: »Und wie ich mit ihr Tee trinken werde …«

Mission erfüllt.

Laura fragte vom Rücksitz: »Hast du Torbens Papa verhaftet?«

»Nein, Schatz.« Katharina drehte sich um. Laura starrte schmollend auf den Fußboden.

»Aber ich habe ihm ganz doll Angst gemacht. Der sagt so was bestimmt nie wieder über deine Mama.«

»Und wenn Torben mich wieder haut?«

»Dann haust du ganz fest zurück.«

»Das kann ich nicht. Er ist doch viel größer als ich.«

»Schau mal, viele Männer sind auch viel größer als ich. Aber ich haue die auch, wenn sie mich hauen.« War das pädagogisch geschickt? Wenigstens war es die Wahrheit.

»Echt?«

»Echt. So was muss man als Polizistin können.«

Laura versuchte zu lächeln. »Zeigst du mir, wie das geht?«

Katharina wollte sie erst vertrösten. Aber warum eigentlich nicht?

Sie startete den Motor, wendete schwungvoll über den gepflegten Rasen und fuhr aus der Einfahrt. An der nächsten Kreuzung bog sie ab. Richtung Bornheim. Zu Hiroshi Yamotos Dojo.

***

Laura lernte wirklich schnell. Katharina kniete vor ihr, drückte Lauras Kopf mit der Hand weg, doch Laura griff zu und drehte Katharina den Arm auf den Rücken.

»Sehr gut«, lobte Katharina das Mädchen, als sie sich wieder aufgerappelt hatte. Sie hatte eine harmlose Hebeltechnik ausgesucht, die diesem Torben einen ordentlichen Schrecken einjagen, ihn aber nicht ernsthaft verletzen würde.

Sie verneigte sich vor Laura, die sich ebenfalls ernst verbeugte.

»In dem Alter habe ich auch angefangen zu lernen.«

Katharina erschrak. Sie hatte nicht gemerkt, wie ihr Lehrer herangekommen war.

»Bist du ein Ritter?« Laura starrte Hiroshi unverhohlen neugierig an. Er trug seine Kendo-Rüstung. Den Helm hatte er unter den Arm geklemmt.

Hiroshi lächelte geehrt. »Nein. Kein Ritter. Obwohl meine Familie eine alte Samurai-Familie ist. Weißt du, was ein Samurai ist?«

Laura schüttelte neugierig den Kopf.

»Das ist ein Ritter, dort, wo ich herkomme. Aus Japan.«

»Echt? Dann bist du ja doch ein Ritter.«

»Nein. Samurais gibt es nicht mehr. Genauso wenig, wie es hier Ritter gibt. Leider.« Hiroshi wandte sich an Katharina: »Bereit, deine Lektion vom letzten Mal zu überprüfen?«

Es gab keine Widerrede. Katharina beruhigte Laura sicherheitshalber: »Pass auf: Wir üben nur. Das ist nicht echt. Verstehst du?«

Laura zuckte mit den Achseln. »Klar. Wie Ritter. Die müssen auch immer üben.«

Sie setzte sich artig an den Rand der Matte und sah den beiden neugierig zu.

Katharina konzentrierte sich, während sie ihren Helm aufsetzte und festband. Sie lockerte kurz die Arme und Schultern und schwang ihr Shinai ein paarmal probehalber durch die Luft. Es lag gut in der Hand. Sie verneigte sich vor ihrem Lehrer und ging in Kampfstellung.

Hiroshi griff sofort an. Doch Katharina blockte jeden Schlag sauber ab. Sie erzielte Punkt um Punkt und hielt sich ihren Lehrer dabei stets vom Leibe. Hiroshis Körperhaltung spannte sich. Er würde doch nicht selbst den Fehler begehen und zornig werden?

Er schoss vor und verwickelte sie in einen schnellen Schlagabtausch, der sie fast bis zum Rand der Matte trieb, bevor sie parieren konnte. Jetzt jagte sie ihn. Hiroshi wich einem Schlag aus, sprang zurück. Ohne Vorwarnung drehte er um und rannte mit erhobenem Schwert auf Laura zu.

Was sollte das denn? Keine Zeit zu überlegen.

Erst im letzten Augenblick konnte Katharina das Shinai ihres Lehrers blocken. Mit aller Kraft stieß sie Hiroshi zurück. Er stolperte. Katharina setzte ihm nach und ließ ihr Übungsschwert mit einem mächtigen Schlag auf das ihres Lehrers krachen. Hiroshis Shinai zerbarst. Bambusstreifen regneten auf ihren Lehrer herab, der sich auf den Rücken fallen ließ. Katharina hielt ihm ihr Schwert direkt vor die Maske. Den Bruchteil einer Sekunde später hörte sie es scharf klicken. Hans und Lutz standen neben ihr, ihre Pistolen im Anschlag.

Sie ließ das Schwert sinken: »Lasst gut sein. Das ist nur japanischer Humor.«

»Sehr witzig«, grummelte Hans, während die beiden ihre Waffen wieder wegsteckten. Katharina sah, dass sich ihr Lehrer schon wieder aufrappelte. Wachsam ging sie rückwärts zu Laura, während sie ihren Helm abnahm. Hiroshi im Auge behaltend, kniete sie sich neben das Mädchen, das totenblass neben der Matte saß. Sie legte einen Arm um sie. Laura ließ sich an sie sinken. »Es ist alles in Ordnung, Laura. Das war nur ein Witz.«

Auch Hiroshi nahm den Helm ab. Er sah ernst aus. »Kein Witz. Ein Test. – Schau mal auf deinen Brustpanzer.«

Katharina sah an sich herab. Über ihrer linken Brust steckte ein Wurfstern tief im festen Leder des Panzers. Sie zog ihn heraus.

»Und?«

»Im Kampf hätte das tödlich geendet.«

»Für uns beide«, erwiderte Katharina. »Jeder Samurai muss in der Lage sein, nach seiner Enthauptung noch den entscheidenden Schlag zu tun, wenn ich mich recht erinnere. Und ich denke, mein Schlag war ziemlich entscheidend.« Sie deutete auf die Splitter des Schwerts auf dem Boden.

»In der Tat. Ein präziser und starker Schlag. – Aber was wäre mit dir?«

»Was mit mir wäre, ist mir reichlich egal. Niemand greift in meiner Gegenwart ein Kind an.«

Hiroshi neigte anerkennend den Kopf. Dann sammelte er die Splitter seines Schwerts ein.

***

Zornig hatte Katharina sich umgezogen. Was hatte sich Hiroshi nur bei dieser Aktion gedacht? Als hätte Laura nicht schon genug mitgemacht.

Hans, Lutz, Laura und Hiroshi standen bereits im Büro des Lehrers. Hiroshi spielte mit einer seiner scharfen Klingen. Noch so eine Demonstration?

Als Katharina gleichfalls in das Büro kam, nahm Laura sie ganz fest an der Hand und versteckte sich hinter ihr.

Hans fragte gerade: »Und was, wenn Katharina nicht schnell genug gewesen wäre? Was, wenn Sie Laura getroffen hätten?«

Zur Antwort ließ Hiroshi die Klinge, die er in der Hand hielt, durch die Luft sausen. Sie kam nur Millimeter von Hans’ Hals entfernt zum Stillstand.

»Ich glaube nicht, dass ich Laura getroffen hätte.« Hiroshi lächelte unverbindlich.

Ein Blitzen von Stahl: Das lange Stilett in Hans’ Hand war auf Hiroshis Kehle gerichtet. »Andernfalls wären Sie jetzt auch tot«, sagte er gleichermaßen freundlich.

Schweigend starrten sich die beiden Männer an.

Laura zupfte Katharina am Ärmel. »Sind das böse Männer?«

Katharina lächelte beruhigend, wie sie hoffte. »Nein. Das ist nur ein Spiel. Wie Männer es manchmal spielen.«

Laura schob die Unterlippe vor: »Doofes Spiel.« Besser konnte man es nicht zusammenfassen. Die Anwesenden lachten.

»Da hast du recht, Laura.« Hiroshi steckte sein Schwert weg. Hans behielt den seltsamen Japaner zwar im Auge, schob aber das Stilett wieder in die Scheide, die um seinen Arm geschnallt war.

Hiroshi verneigte sich vor Laura: »Ich entschuldige mich für die Angst, die ich dir bereitet habe.«

Auch Laura verneigte sich großmütig. »Schon gut.«

Dann wandte sich Hiroshi an Katharina. »Setz dich.« Er deutete auf eines der Kissen vor dem kleinen Teetisch. »Ich habe etwas für dich. – Nicht, dass du glaubst, ich hätte deinen Geburtstag vergessen. Also bitte: Setz dich.«

Hiroshi ging zu einem Schrank, aus dem er ein langes, in ein Seidentuch gewickeltes Paket nahm.

»Etwas wie dieses hier habe ich in den fünfzig Jahren, in denen ich unterrichte, erst zweimal verschenkt. – Heute hast du dich als würdig erwiesen.« Er legte das Paket vor Katharina auf den niedrigen Teetisch. »Mach es auf!«

Katharina entfernte die Seide vorsichtig. Zum Vorschein kam etwas, das man auf den ersten Blick für einen schwarzen, leicht gebogenen Stab halten konnte. Auf den zweiten Blick erst sah Katharina die dünne Linie im Holz, wo die Scheide endete und der Handgriff begann. Ein Katana – ein japanisches Schwert.

Ehrfürchtig zog sie die Klinge aus ihrer Hülle. Beim Herausziehen klappte ein raffinierter Mechanismus das Tsuba, das Stichblatt, aus, das die Hand vor Schlägen schützte. Ehrfürchtig betrachtete Katharina das Schwert. Das Metall der Klinge glänzte bläulich und schien von innen zu leuchten. Scharf wie ein Rasiermesser, keine Frage.

»Ich habe es speziell für dich anfertigen lassen. Bei einem der besten Schmiede der Welt.«

»Sensei, ich weiß gar nicht … Danke.«

»Du hast es dir verdient. Aber jetzt stecke das Schwert weg.«

Sie gehorchte und schob die schimmernde Klinge langsam in die Scheide zurück.

»Es wird die Zeit kommen, da wirst du diese Klinge führen. Aber erst einmal werden wir mit einem ungeschliffenen Schwert üben. Du wirst sehen, welch elegante Waffe das ist.«

»Daran zweifele ich nicht, Sensei.«

»Vor dieser Waffe hat man Respekt.«

»Ich werde sie wohl dennoch nicht im Dienst tragen können.«

»Es wird der Tag kommen, wo du für dich selber kämpfen wirst.«

Katharina legte das Schwert andächtig vor sich auf den Tisch.

»Kurtz wäre sicher begeistert von der Idee. Leibwächter mit Schwertern«, sagte Lutz.

»Die Yakuza verschaffen sich bereits seit Jahrhunderten Respekt mit dem Schwert«, stimmte Hiroshi ihm zu.

***

Sie waren schon halb aus der Tür des Dojos, da drehte sich Katharina noch einmal um: »Sensei? Sie unterrichten seit fünfzig Jahren?«

Der kleine Japaner lachte. »Siebenundsiebzig ist ein gutes Alter, wie ich finde.«

***

Katharina hatte zwei Nachrichten auf ihrer Mailbox. Polanski und Frank Grüngoldt. Polanski bat sie dringend um Rückruf. Also tippte sie die Kurzwahltaste.

»Katharina! Endlich. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht.«

»Wieso? Haben Ihre Jungs mich nicht mehr im Visier?«

»Sie haben sie abgehängt. – Aber deswegen … Passen Sie auf. Der Mann, der Sie vorhin angegriffen hat, ist Andrej Chrabrijewskow.« Polanski musste den Namen geübt haben, denn er kam ihm fehlerfrei über die Lippen. »Ein Ex-KGBler, der offenbar als Killer arbeitet. Seine Pistole ist letzten Monat für einen Mord in Frankreich benutzt worden.«

Das konnte ja noch lustig werden. »Seit wann arbeiten die Russen und die Südamerikaner so eng zusammen?«

»Nicht die Südamerikaner. De Vega«, antwortete Polanski. »Es sieht so aus, als hätten die einen Deal abgeschlossen, schon vor einiger Zeit. – Das ist nicht gut, Katharina. Mit den Russen ist nicht zu spaßen.«

»Ich bin doch gut bewacht, oder?«

»Ja, aber dennoch sollten Sie vorsichtig sein. Das BKA übernimmt übrigens jetzt den Personenschutz. – Und halten Sie den Kopf in Deckung. Keine Extratouren. Versprochen?«

»Versprochen, Chef.«

»Irgendetwas Neues über Melanie Wahrig?«

»Viele Spuren, wenig Konkretes.«

»Bleiben Sie dran. Aber kein Risiko. Und keine Dummheiten. – Und sagen Sie nicht, ich würde Ihnen den ganzen Spaß verderben.«

***

»So eine richtig echte Ermittlung?«

Frank Grüngoldt starrte Katharina ungläubig an.

»Eine richtige Ermittlung, aber nicht offiziell. Deshalb frage ich Sie. – Melanie Wahrig ist meine Nachbarin. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ermordet wurde, kann es aber nicht beweisen. Das Einzige, was mir hilft, ist ein Geständnis. Aber dazu brauche ich einen Verdächtigen.«

»Und ich? Was soll ich tun?«

»Mir helfen, Zugang zum Computer von Melanie Wahrig zu bekommen.«

»Cool! Klar! Wo steht denn der Rechner?«

Katharina führte Frank Grüngoldt in Melanie Wahrigs Arbeitszimmer.

***

»Ganz was Feines«, sagte der Bürgermeisterinnenspross, nachdem er eine Weile über dem Rechner meditiert hatte. »Stick und Fingerabdruckscanner. Sicherer geht es fast nicht. Den Stick haben Sie nicht?«

»Nein. Leider nicht.«

Frank Grüngoldt versank erneut in Meditation über dem Rechner.

»Und?«, fragte Katharina nach einer Weile.

»Ich müsste was basteln. Doch dazu muss ich den Rechner mitnehmen. Hier habe ich nicht das Werkzeug.«

»Aber Sie kriegen das hin?«

»Klar. Ich muss den Schutz halt irgendwie überbrücken.«

»Und bis wann?«

»Hm, morgen Nachmittag sollte zu schaffen sein.«

»Danke. – Ach ja, falls Ihre Mutter fragt …«

Der Junge zwinkerte Katharina zu. »Schon klar. Das ist Ihr Rechner, und der hat eine kaputte Festplatte, die ich austauschen soll.«

Der Kleine lernte wirklich fix. Vielleicht konnte sie wirklich mal mit Polanski über einen Praktikumsplatz für ihn reden.

***

Jazz-Trilogie

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