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Round Trip Samstag, 1. Dezember 2007
Оглавление»Katharina wird meine neue Mama!«
Die so Auserkorene wünschte sich eine Spalte zum Verkriechen.
»Ach, Sie wollen das Kind adoptieren?«, erkundigte sich einer beiden Personenschützer vom BKA, die Katharina zum Frühstück eingeladen hatte.
»Katharina heiratet meinen Papa. Und dann fahren wir nach Brasilien!«, erläuterte Laura stolz ihren Plan.
»Sie sind verlobt? Glückwunsch! Ich dachte, Sie wären –«
»Ich bin nicht lesbisch!«, blaffte Katharina so laut, dass der Personenschützer fast vom Stuhl fiel.
»Single«, beendete er kleinlaut seinen Satz.
»Und wenn schon«, mischte sich sein Kollege ein. »Bei uns sind fast alle weiblichen Beamten lesbisch. Kein Problem damit. Verlust für die Männerwelt, Gewinn für das Team. Sagt unser Chef immer.«
»Wie dem auch sei: Ich bin nicht lesbisch.«
»Das hatten wir schon gehört.« Der Beamte bohrte sich theatralisch im Ohr. »Ach ja, es geht so ein Gerücht über Sie um: Sie haben wirklich zwei Killer weggepustet?«
»Ja. Leider.«
»Coole Aktion.«
»Deswegen werde ich jetzt ja auch gefeuert.«
Die Personenschützer sahen sich an, dann zuckten sie synchron mit den Schultern: »Kriminalpolizei! Bei uns hätten Sie ’ne Auszeichnung bekommen. – Und was machen Sie jetzt?«
»Sie geht mit mir und Papa nach Brasilien!« Laura begeisterte sich von Minute zu Minute mehr für ihren Plan.
Gott sei Dank klingelte in diesem Augenblick das Telefon: Andreas Amendt. »Torsten hat sich ziemlich beeilt. Er sagt, der ideale Vater wäre der mit der Probe, die mit Sven gekennzeichnet ist.«
Sven Langstroem. Der Fotograf von stop!. Er war hochgewachsen, kräftig, hatte sehr große Hände; das war Katharina aufgefallen, weil die Spiegelreflexkamera mit dem Großbild-Digitalaufsatz in seinen Händen klein und zerbrechlich gewirkt hatte. Körperlich war ihm die Tat durchaus zuzutrauen.
»Frau Klein?«, riss Amendt sie aus ihren Gedanken.
»Doch, ja. Wir sollten mit Sven sprechen.«
»Außerdem können wir später noch mal zu Paul Leydth fahren. Er hat sich wegen der Marberts umgehört.«
»Gut. Wir gabeln Sie gleich auf.«
»Momentan ist es noch etwas ungünstig. Vielleicht so in zwei Stunden? Bis dahin habe ich Svenja nach Hause gebracht.«
Katharina konnte sich auch nicht erklären, warum ihre Verabschiedung so frostig ausfiel. Amendt konnte doch so viele Frauen über Nacht bei sich behalten, wie er wollte.
***
Es gab nur einen Sven Langstroem im Telefonbuch. Er wohnte ganz in ihrer Nähe. Die Haustür war offen, und so stieg Katharina die Treppe hinauf. »Vorsicht, Fotograf« stand unter der Klingel. Katharina läutete, kurz darauf öffnete sich die Tür.
Wigo Bach starrte sie mindestens ebenso erstaunt an wie sie ihn: »Oh, hi. Das ist ja eine Überraschung! Was bringt dich hierher?«
»Ich müsste auch noch mit Sven sprechen. Wegen …«
»Wegen Melanie?« Wigos Miene verdüsterte sich.
»Reine Routine. Ich überprüfe alle Männer aus ihrer Umgebung.«
»Wer ist es denn, Honey?«, hörte sie die Stimme von Sven Langstroem aus der Wohnung.
»Katharina, Schatz. Du weißt doch …«
»Klar. Die süße Asiatin mit der Knarre.« Sven Langstroem tänzelte heran. Er trug nur ein lässig geschwungenes Handtuch um die Lenden: »Komm doch rein. Ich zieh mir rasch was an. Wigo? Bist du so lieb und machst Kaffee?«
Er gab Wigo einen Kuss auf den Mund und verschwand wieder im Bad.
Wigo führte Katharina verlegen in eine gemütlich eingerichtete Wohnküche und bot ihr Platz auf einem mit reichlich Kissen dekorierten Sofa an. Dann nahm er ein Glas aus dem Regal: »Macchiato?«
»Gern.«
Sven Langstroem hatte die gleiche Kaffeemaschine wie sie, stellte Katharina fest. Wigo kämpfte mit den Tasten, bis die Maschine endlich ein erlösendes Zischen von sich gab und das Glas mit Espresso und Milchschaum füllte. Er stellte das Glas auf eine Untertasse, legte einen langstieligen Löffel dazu und fischte schließlich noch zwei Schokoladenkekse aus einer großen Schale. Dieses Arrangement stellte er vor Katharina ab. Dann setzte er sich kurz in einen Sessel, stand aber gleich wieder auf und ging zur Kaffeemaschine. Espresso diesmal. Nach einer weiteren kurzen Servier-Ballett-Einlage blieb er dann endlich sitzen: »So.«
»Danke«, sagte Katharina amüsiert. »Du bist doch nicht etwa nervös?«
»Nee. Nur etwas umständlich. Tunte halt. – Apropos: Kannst du für dich behalten, dass Sven und ich ein Paar sind? Wäre nicht gut, wenn sich das in der Agentur herumspricht.«
»Klar. Kein Thema. Dann seid ihr wohl noch nicht so lange zusammen?«
»Drei Jahre.«
»Doch schon?«
»Ich weiß, für Schwulenbeziehungen ist das angeblich ein biblisches Alter.«
»Das meinte ich nicht. Nur wegen der Heimlichtuerei.«
»Man merkt uns das doch hoffentlich nicht an, oder? Beziehungen innerhalb der Agentur sind nicht gern gesehen. Hasko glaubt, das führt zu kreativer Inzucht.«
»Ehrlich gesagt hatte ich Sven für ...« Wie sagte man das denn jetzt am besten?
»... für 'ne Hete gehalten?« Wigo atmete auf. »Gott sei Dank.«
***
»Und? Was kann ich für dich tun?«, fragte Sven neugierig, kaum, dass er sich zu ihnen gesellt hatte. Er trug Jeans und ein Muscle-Shirt über dem gut trainierten Oberkörper.
»Verlust für die Damenwelt«, dachte Katharina und verkniff sich ein Kichern.
Sven lehnte den Kopf gegen Wigos Schulter. »Wieder ein Fotoshooting?«
»Hat Wigo dir noch nicht erzählt, wer ich bin?«
»Du hast uns doch gebeten, es nicht zu tun«, sagte Wigo gekränkt. »Nicht alle Schwulen tratschen.«
»Was nicht erzählt?« Sven richtete sich neugierig auf.
»Ich bin Kriminalpolizistin«, erklärte Katharina. »Und ich untersuche den Tod von Melanie Wahrig.«
»Wow«, sagte der große Mann beeindruckt. »Under cover?«
»Sozusagen.«
»Cool. Und jetzt willst du auch mit mir sprechen?«, fragte er mit kindlicher Neugier. »Bin ich verdächtig?«
Das dürfte das erste Mal sein, dass sich jemand darüber freute, von ihr verdächtigt zu werden. »Nun, wir haben in Melanies Wohnung DNA-Spuren –«
»Klar. Meine Spermaprobe.«
»Deine was?«, fragte Wigo entrüstet.
»Meine Spermaprobe. Melanie hat mich darum gebeten.«
»Und du hast …?«
»Lass doch erst mal die Kommissarin fragen.«
»Melanie hat dich um eine Spermaprobe gebeten?«, übernahm Katharina Wigos Frage.
»Klar. Suchte den optimalen Vater für ihr zweites Kind. Fand ich ’ne schöne Idee.«
»Und du sagst mir nichts davon?«, fragte Wigo, immer noch entrüstet.
»Ich wollte dich nicht kränken.«
»Aber du hast doch nicht mit Melanie …?«, fragte Wigo das, was Katharina auch auf der Zunge brannte.
»Geschlafen? Mit einer Frau?« Jetzt war es an Sven, entrüstet zu sein. »Nicht persönlich gemeint«, ergänzte er in Katharinas Richtung.
»Schon klar.« Katharina biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen.
»Und wie dann?«, bohrte Wigo nach.
»Handarbeit. Und ja, ich habe dabei an dich gedacht. – Wigo ist manchmal etwas eifersüchtig.«
Wigo ließ sich schmollend in seinen Sessel zurücksinken.
»Nun ja«, setzte Katharina an. »Melanie hat von deiner DNA-Probe ein Genprofil erstellen lassen. Du wärst der optimale Vater gewesen.«
»Wirklich?« Sven wirkte ehrlich erfreut.
»Wusstest du nichts davon?«
»Nee. Überhaupt nicht.« Er dachte kurz nach. »Moment! Deshalb wollte sie sich am letzten Donnerstag mit mir treffen.«
»Treffen?«
»Ja. Sie hat mich angerufen. Von wegen gute Nachrichten und so. Und ob sie mit mir sprechen kann. Ich hatte aber keine Zeit. War bis abends spät auf einem Shooting in Hanau. Stahlpressen fotografieren. Also haben wir uns für den nächsten Tag zum Frühstück verabredet. Sie kam aber nicht. Hab versucht, sie anzurufen, doch sie ist nicht ans Telefon gegangen.«
»Fandest du das nicht seltsam?«
»Bei Melanie? Nö. Die war ziemlich oft in ihre Arbeit versunken und hat dann alles um sich herum vergessen.«
»Und das Fotoshooting kann jemand bestätigen?«
»Ein Alibi?« Schon wieder diese kindliche Neugierde. »Klar. Mein Assistent, der Firmenchef der Stahlwalz AG, der Marketingleiter, die Kommunikationstante und so ungefähr hundert Arbeiter, die ich durch die Gegend gescheucht habe. Ziemlich enttäuschend. Nur Bierbäuche. Keine Muskeln.«
»Tja, dann kann ich dich wirklich mit ruhigem Gewissen von der Verdächtigenliste streichen.«
»Cool. – Siehst du, Wigo, so sieht ein Verhör aus. Er schreibt seit Jahren Krimis, die keiner drucken will.«
»Ich weiß. – Aber etwas anderes: Hast du sonst einen Verdacht?«
Sven zuckte mit den Achseln: »André. Das ist der Gewalt-Fan in der Agentur. Den würde ich auf jeden Fall befragen.«
***
Amendt hatte eine SMS geschickt, mit einer Adresse und der Bitte, ihn dort abzuholen. Katharina ließ es sich nicht nehmen, selbst an der Tür zu klingeln. Svenja Taboch musterte sie frostig: »Sie wollen den Andreas aufgabeln?«
In diesem Moment drängte sich Andreas Amendt auch schon aus der Tür: »Gehen wir?«
Svenja stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste den Arzt zum Abschied kräftig auf die Wange. Sie hätte den Mund erwischt, wenn er nicht in letzter Sekunde den Kopf zur Seite gedreht hätte. »Bis bald!«
»Bis bald.« Amendt hatte es eilig, die Treppe hinunterzukommen. Katharina konnte kaum folgen; der Knoten in ihrem Bauch schmerzte doch ziemlich.
***
Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ sich Amendt in die weichen Polster des Panzers sinken: »Endlich Ruhe. Die Frau kann reden! Ein Wasserfall ist nichts dagegen.«
»Reden?«
»Fast die ganze Nacht. Erst heute Morgen um drei hat das Schlafmittel endlich gewirkt. Und immer das gleiche Thema: Wie schön es wäre, wenn Johanna doch zu ihr kommt. Und dass ein Kind eine Familie brauche. Mit Mutter und Vater. Und wie schwer es doch ist, passende Männer kennenzulernen.«
»Und was haben Sie gesagt?«
»Was soll ich schon groß sagen? Ich hab zugestimmt. – Ich glaube, ich werde ihr Eric vorstellen. Den Neurologen, Sie erinnern sich? Der ist Single. Und leidensfähig.«
Katharina fühlte sich erleichtert. Warum auch immer.
***
Als wollte es Katharinas Laune widerspiegeln, hatte auf der Fahrt das Wetter aufgeklart. So bogen sie unter einem strahlend-blauen Spätherbsthimmel durch das große Tor, das zum Anwesen von Paul Leydth führte. Der Professor und seine Frau erwarteten sie schon auf dem kleinen Vorplatz.
»Andreas, du musst mir helfen!«, flehte Angelica Leydth dramatisch, kaum dass sie sich begrüßt hatten. »Eine Schülerin hat da Noten mitgebracht, mit einem Fingersatz, den ich einfach nicht durchschaue.« Sie fasste Andreas Amendt bei der Hand und zog ihn Richtung Haus. »Magst du auch mitkommen, Laura? Wir haben Kakao«, rief sie über die Schulter.
»Klar.« Laura hüpfte vergnügt hinter den beiden her.
»Das ist unsere Chance«, bühnenflüsterte Paul Leydth verschwörerisch zu Katharina. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen meine Autosammlung.«
Der Professor ging zügig auf die Garage zu. Katharina wollte folgen, doch ihre Beine gehorchten nicht. Das Garagentor war eingedrückt gewesen, als sie am Mittwoch weggefahren waren. Eine Folge der Explosion. Doch jetzt sah es aus wie neu. Nur auf dem Pflaster war noch ein großer, schwarzer Fleck. Viele der Steine waren zerbröckelt oder gebrochen.
Katharina spürte einen festen Kloß im Hals. Sie alle wären jetzt tot. Wenn sie nicht mit der Fernbedienung für die Zentralverriegelung gespielt hätte.
Nur aus purem Zufall waren sie noch am Leben. Sie. Andreas Amendt. Laura. Und wenn Hans und Lutz nicht in ihrem Auto gesessen hätten … Das war alles ihre Schuld!
Sie spürte, wie ihr Gesicht kalt wurde. Ein Arm legte sich um sie. »Sie dürfen übrigens ruhig weinen«, sagte der Professor sanft. »Ist das Beste bei Schock.«
Ein paar Minuten standen sie so, während Katharina die Tränen über die Wangen rannen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.
»Vielleicht sollten wir doch besser ins Haus gehen?«, schlug Paul Leydth schließlich vor.
Katharina riss sich mit aller Kraft zusammen: »Nein, ich würde die Sammlung wirklich gern sehen.«
»Richtig so. Seinen Ängsten muss man sich stellen. Kommen Sie.« Der Professor bot ihr seinen Arm; gemeinsam gingen sie zur Garage.
***
Mehr als zwanzig Autos. In mehreren Reihen hintereinander. Starke Scheinwerfer tauchten Paul Leydths Sammlung in gleißendes Licht.
»Das hier sind meine Alltagsfahrzeuge.« Der Professor deutete auf die erste Reihe. Ein Rolls-Royce Phantom, ein großer Lexus, ein Mercedes-Coupé und ein kleiner, roter, sauber restaurierter MG, Modell A. Paul Leydth strich über das Verdeck des kleinen Cabrios: »Damit fahre ich, wenn ich meine Frau ärgern will.«
Paul Leydth führte Katharina durch die Reihen der Fahrzeuge. Eine beachtliche Sammlung. Und beeindruckend gut in Schuss. Katharina ertappte sich dabei, neidisch zu sein.
Schließlich blieben sie in einer Ecke der Garage vor einem Auto stehen, das als einziges mit schwerem, grauem Tuch abdeckt war.
»Eigentlich wollte ich Ihnen vor allem das hier zeigen. Ich brauche Ihre fachkundige Meinung. Fassen Sie mal mit an?«
Sie wuchteten das Tuch zur Seite.
Darunter kam das Wrack eines Aston Martin DB 5 zum Vorschein. Die linke Front und die Seite waren eingedrückt, die Scheiben zersplittert; der Lack war stumpf; die Scheinwerfer hingen lose in ihren Halterungen; die Ledersitze waren spröde und farblos. Das war …
Katharina ließ die Finger über das schwere Metall streichen. Kaum Rost, die Blechteile ließen sich ausbeulen, der Rahmen war mit etwas Glück nicht verzogen, aber selbst wenn …
Dann gründlich abschleifen. Henry, ihr Mechaniker, würde schon den richtigen Lack auftreiben. Und innen alles wieder in Edelholz und Leder, wie im Original, vielleicht mit ein paar Zugeständnissen an die moderne Elektronik.
»Und?«, fragte der Professor neugierig. »Was denken Sie?«
»Er ist wunderschön.«
»Glauben Sie, er ist zu restaurieren?«
»Natürlich.« Katharina konnte ihren Blick immer noch nicht abwenden.
»Er hat meinem Bruder gehört. Und ich habe es bisher nicht übers Herz gebracht, ihn wegzugeben«, erklärte Paul Leydth.
»Ihrem Bruder?«
»Mein Bruder war das, was man früher einen Playboy nannte. Während ich Medizin studiert habe, hat er vor allem den Reichtum unserer Familie genossen. Mädchen, Drogen, schnelle Autos. Dieser hier war sein Liebling. Dann kam der Unfall. Und kurze Zeit später starb er in einer Hotelsuite in Monaco. Heroin kam damals im großen Stil nach Europa.«
»Das tut mir leid.«
»Es ist lange her. Und seitdem steht der Wagen hier herum. Ich konnte mich nicht überwinden, ihn reparieren zu lassen oder loszuwerden. Bis jetzt.«
»Sie wollen ihn verkaufen? Wirklich? – Sagen Sie mir den Preis und –«
»Er ist nicht zu verkaufen«, unterbrach sie der Professor.
»Aber Sie sagten doch gerade –«
»Ich schenke Ihnen den Wagen.«
»Bitte, Sie müssen mir den Wagen … Was?«
»Ich schenke Ihnen den Wagen«, wiederholte der Professor.
Katharina wusste nicht, ob sie wieder weinen, dem alten Mann um den Hals fallen oder hysterisch lachen sollte. Also blieb sie starr stehen und schwieg.
»Ich glaube, Sie sind eine würdige Besitzerin.«
»Aber Sie können mir doch nicht so einfach ein Auto –«
»Doch, ich kann.«
»Warum?«
»Wie ich schon sagte: weil Sie eine würdige Besitzerin sind. Und vielleicht, weil Sie mir das Leben gerettet haben. Wenn Sie mich nicht weggestoßen hätten, hätte mich das Dach des Minis erschlagen.«
»Aber das wäre gar nicht erst passiert, wenn –«
Der Professor packte Katharina an den Schultern und drehte sie zu sich. »Fangen Sie gar nicht erst damit an, sich Vorwürfe zu machen. An der Bombe hat nur ein Mensch Schuld: derjenige, der sie gelegt hat. Verstanden?«
Er wurde wieder zum freundlichen Großvater. »Lassen Sie mich einfach wissen, wo Sie den Wagen hinhaben wollen. – Zu Henry Mörich?«
»Sie kennen Henry?«
»Selbstverständlich. Gute Mechaniker für Oldtimer sind rar. Kommt einen Tag in der Woche her und hält meine Autos in Schuss. Er hat mir mal erzählt, dass eine Kriminalkommissarin ihm geholfen hat, ein neues Leben anzufangen. Weil sie so eine Autonärrin ist. Da war zwei und zwei leicht zusammenzuzählen. Also: zu Henry?«
Katharina war immer noch völlig perplex: »Wie kann ich Ihnen danken?«
»Indem Sie mir ein paar Minuten Ihrer Zeit opfern. Ich habe nämlich eine Bitte an Sie.«
»Natürlich? Jetzt?«
»Wunderbar. Warten Sie …«
Er blickte über seine Autoflotte und steuerte auf eine Stretch-Limousine zu: »Kommen Sie. Da drin ist es gemütlicher. Und wir können vielleicht was zu trinken gebrauchen.«
***
Sie hatten sich in den Fond der Limousine gesetzt, und Paul Leydth hatte zwei Gläser Whisky aus der kleinen Bar eingeschenkt. Sie stießen an, nahmen einen kleinen Schluck, dann lehnte sich der Professor zurück: »Was wissen Sie über Andreas Amendt?«
»Was sollte ich …?«
»Alles.«
Katharina begann zögernd: »Nun, er ist stellvertretender Leiter der Rechtsmedizin, gilt als extrem gut. Was ich bisher nur bestätigen kann. Er spielt Gitarre … Worauf wollen Sie hinaus?«
»Gehen Sie weiter zurück. Was war er, bevor er Rechtsmediziner wurde?«
»Neurologe. War er nicht ein Schüler von Ihnen?«
»Ja, in der Tat. Er hat bei mir promoviert. Gehen Sie noch weiter zurück!«
»Aus Ihren Erzählungen und aus denen von Marianne Aschhoff weiß ich, dass er praktisch bei Ihnen beiden aufgewachsen ist.«
»Richtig. Warum?«
»Weil seine Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen.«
»Das ist zumindest die offizielle Version, ja.«
»Wie meinen Sie das?«
»Später. Was ist Ihnen noch aufgefallen?«
»Er liebt Kinder. – Und er hasst Polizisten. Was schon ein wenig seltsam ist, in seinem Beruf.«
Paul Leydth nickte zustimmend. »Wissen Sie, warum?«
»Nur Vermutungen.«
»Heraus damit.«
»Er ist mal festgenommen worden. – Unter Mordverdacht.«
»Aber?«
»Da er nicht im Gefängnis sitzt …« Katharina stockte. Sie hatte völlig verdrängt, was Frauke ihr erzählt hatte.
»… ist er entweder unschuldig, oder die Beweise haben nicht ausgereicht«, führte der Professor ihren Gedanken zu Ende.
»Welches von beiden?«
»Ich glaube, dass er unschuldig ist. Aber das tut nichts zur Sache. – Ich werde Ihnen jetzt etwas erzählen, und ich möchte, dass Sie niemandem sagen, dass Sie davon wissen. Erst recht nicht Andreas.«
»Warum?«
»Mögen Sie ihn?«
Katharina spürte ein Kribbeln im Magen. »Ja«, sagte sie vorsichtig. »Ich mag ihn.«
»Er mag Sie auch. Erstaunlich genug bei Ihrem Beruf.«
Wollte der Professor sie etwa verkuppeln? Doch er fuhr fort: »Und was noch wichtiger ist: Er vertraut Ihnen. Das ist selten bei Andreas. Er traut so gut wie niemandem. Selbst mir nur in Grenzen.«
»Und ausgerechnet mir traut er?«
»So seltsam das für Sie klingen mag: ja.«
»Aber –«
»Lassen Sie mich erzählen. Dann werden Sie sehen, worauf ich hinauswill. Also: Ich kenne Andreas schon sehr lange. Nicht als Studenten. Sondern als Patienten.«
»Aber Sie sind doch …?«
»Neurologe und Psychiater. Ja. – Und nein. Er ist nicht verrückt. Zumindest nicht verrückter als Sie und ich.«
»Wie ist er zu Ihnen gekommen?«
»Durch den Tod seiner Eltern.« Der Professor schwieg. Offenbar wusste er nicht, was er als Nächstes sagen sollte.
»Ich nehme an, es war kein Unfall?«, fragte Katharina nach einer Weile.
»Nein.«
»Was ist passiert?«
»Seine Mutter hat seinen Vater umgebracht. Dann sich selbst. Andreas hat schwer verletzt überlebt. Damals war er elf. – Seine Mutter litt seit ihrer Pubertät an Schizophrenie. Die Ärzte dachten, sie hätten sie medikamentös gut eingestellt; sie hatte ihre Familie, die ihr Halt gab. Aber dann kam ein Rückfall. So ganz genau weiß niemand, was passiert ist. Auf jeden Fall nahm sie eines Nachts ein großes Messer und stach zu. Erst bei ihrem Sohn, dann bei ihrem Mann. Danach hat sie sich die Kehle durchgeschnitten.«
Katharina überlegte einen Moment. »Aber gewalttätige Psychotiker sind doch sehr selten, oder?«
»Richtig. Sie haben Erfahrungen damit?«
»Nur mit den armen Schweinen, die ich während meines Streifendienstes aufgesammelt habe. Harmlos. Meistens nur eine Bedrohung für sich selbst.« Katharina durchfuhr es eiskalt: »Wurde Andreas verdächtigt?«
»Damals nicht. Nein. Es war tatsächlich die Mutter, daran gab es keinen Zweifel.«
»Aber später?«
»Genau.«
»Wann? Und warum?«
»Hier endet meine Geschichte leider. Mehr möchte ich Ihnen nicht erzählen. Noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Was wissen Sie noch über Schizophrenie? Über die Ursachen?«, fragte der Professor zurück.
»Nicht viel. Die Familie spielt wohl eine Rolle, die Erziehung.«
»Die frühkindliche vor allem. Soweit die Medizin das sagen kann. Weiter!«
»Mehr … Doch, ich habe irgendwo gelesen, dass Schizophrenie erblich sein kann.«
»Genau. Offenbar spielt ein genetischer Faktor eine wichtige Rolle. – Sie ahnen, worauf ich hinauswill?«
»Nein … Moment. Doktor Amendt ist … Nein. Oder doch?«
Der Professor nickte zögernd. »Es ist zumindest seine größte Angst, ja. Dass er die Krankheit seiner Mutter geerbt hat.«
Katharina traute sich kaum zu fragen: »Und? Was glauben Sie?«
»Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er keine psychotische Veranlagung hat.«
Katharina atmete erleichtert auf.
»Aber er ist anderer Meinung«, fügte der Professor hinzu. »Und ich muss leider sagen, dass aus seiner Sicht einiges dafürspricht.«
Katharina ließ den Satz einsinken. Vor ihrem inneren Auge griffen die Puzzleteile ineinander: »Der andere Mord. Der, wegen dem er verhaftet wurde.«
»Richtig. Er hat keine Erinnerung an die Tat. Obwohl er am Tatort gewesen sein muss. So viel steht fest.«
»Aber? Was ist damals passiert?«
»Das wiederum … Wie schon gesagt, ich glaube fest … Nein, ich bin überzeugt, dass er unschuldig ist. Aber ich möchte, dass Sie sich davon nicht beeinflussen lassen.«
»Dazu müsste ich aber wissen –«
»Das wird er Ihnen selbst erzählen. Eines Tages. Und damit kommen wir zu dem Gefallen, um den ich Sie bitten möchte.«
»Ich soll seine Unschuld beweisen?«
»Nein. Ich möchte, dass Sie ihm zuhören. Und dann all Ihren Instinkt und kriminalistischen Sachverstand darauf verwenden, die Wahrheit in Erfahrung zu bringen.«
»Aber –?«
»Es geht mir nur um die Wahrheit, Frau Klein. Wir brauchen Klarheit. Nur dann kann Andreas dieses Kapitel in seinem Leben endlich abschließen.«
Katharinas Nerven flatterten: »Und wenn er es doch war?«
»Dann ist das die Wahrheit. Und nur darauf kommt es an.«
***
Die Garage war durch einen Gang mit dem Keller des Haupthauses verbunden. Durch diesen Gang führte Paul Leydth Katharina jetzt, während sie versuchte, das eben Gehörte zu verdauen.
War Andreas Amendt wirklich ein Mörder? Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen. Doch vielleicht lag sie falsch. Vielleicht war er wirklich schizophren. Aber, selbst wenn: Schizophrene wurden fast nie gewalttätig. Eher war die Gewaltrate unter ihnen geringer als in der Normalbevölkerung. Aber es gab immer Ausnahmen, natürlich.
Katharina blieb stehen: »Ist er deshalb Rechtsmediziner geworden? Um die Wahrheit zu finden?«
»Ja. Zum Teil.« Paul Leydth drehte sich zu ihr um. »Und natürlich auch zur Selbstkasteiung.«
»Er hält sich für schuldig?«
Der Professor zuckte mit den Schultern. »Sein Verstand sollte Nein sagen ...«
»Aber im Kampf Weltbild gegen Fakten verlieren die Fakten, meinen Sie?«
»›Im Kampf Weltbild gegen Fakten ...‹ Das haben Sie gut formuliert. Das kommt sofort in meine Lehrsatzsammlung.« Der Professor wurde wieder ernst. »Ein Teil von ihm glaubt, schuldig zu sein. Doch das soll er Ihnen alles selbst erzählen.«
»Und Sie möchten wirklich nur, dass ich mir seine Geschichte anhöre?«
»Und die Wahrheit herausfinden sollten Sie auch. Das wäre der Bonus. – So, wir sind da. Das war der Geheimgang unseres Anwesens. Sehr praktisch, wenn es regnet. Oder wenn wir als Jugendliche heimlich das Haus verlassen wollten.«
Er wuchtete eine Tür auf, die in einen Abstellkeller führte. Gummistiefel standen auf dem Boden, Regenmäntel hingen an den Wänden, ein paar Gartenwerkzeuge lagen in den Regalen.
»Die Leidenschaft meiner Frau, das Gärtnern. Dabei können wir uns nun wirklich Personal leisten. Aber wie sagt sie? ›Unkrautjäten lehrt Demut.‹ Vor allem macht es Blasen an den Händen. Aber wenigstens habe ich es nach der Gartenarbeit nicht weit zu meinem Lieblingsvergnügen.«
Paul Leydth führte Katharina durch einen kleinen, edel tapezierten Gang, der aussah wie der Eingang zu einem ...
»Das hier ist mein Kino.« Der Professor öffnete eine altmodisch verglaste Tür und tastete nach einem Lichtschalter. Sie standen in einem kleinem Kinosaal mit sechs Sitzreihen, Breitleinwand und einem modernen Surroundsystem. Der Saal machte direkt Lust, sich mit Popcorn hinzusetzen und einen Film zu genießen.
Der Professor hatte ihre Gedanken erraten: »Besser ein anderes Mal. Frau Kammersängerin und Andreas werden uns schon ungeduldig erwarten.«
***
Laura saß beinebaumelnd auf dem Sofa in dem kleinen Salon, in dem sie auch das letzte Mal gesessen hatten, vor sich eine große Tasse Kakao, eine Serviette artig über ihren Schoß gebreitet.
Andreas Amendt mühte sich am Flügel ab, während Angelica Leydth ihm über die Schulter schaute. Das Stück klang … modern. Der Arzt spielte einen dissonanten Schlussakkord und blickte auf.
»Dieser Perversling von Komponist ist wirklich ein Fall für die Sitte.« Er massierte sich die Hände. »Wer schreibt denn so was? Das ist doch bestimmt strafbar.«
»Das ist von einem Studenten der Musikhochschule«, erklärte Angelica Leydth. »Soll Teil seines Diploms werden. Und meine Schülerin soll die Hauptpartie singen. Aber genug für heute. Ich glaube, ich lasse den Komponisten besser selbst antanzen.«
***
»So, so, die Marberts. Im Nachhinein wundert es mich nicht, dass die Spur zu denen führt«, begann Paul Leydth, nachdem sie endlich alle um den kleinen Kaffeetisch saßen. »Zum idyllischen Glück fehlt den beiden wirklich nur noch ein Kind. Und weder er noch sie haben die Zeit, sich selbst um die Produktion zu kümmern.«
»Werden Kinder denn produziert?«, fragte Laura neugierig. »Wie denn?«
»Ich erklär’s dir später«, erwiderte Katharina rasch. Hoffentlich vergaß Laura ihre Frage wieder. Fürs Erste zumindest schien sie zufrieden und widmete sich wieder ihrem Kakao, an dem sie so dezent nippte wie eine englische Prinzessin an ihrem Afternoon Tea.
Professor Leydth dozierte: »Also: Die Marberts sind das, was wir ›neues Geld‹ nennen können. Beide haben ein wenig geerbt und das Geld geschickt angelegt. Während des New-Economy-Booms sind sie richtig reich geworden und waren klug genug, ihr Geld in Sicherheit zu bringen, bevor der Crash kam. Sie sind beide Ende dreißig und hauptberuflich Geschäftsleute. Ihnen gehören zwei der wichtigsten PR-Agenturen des Landes. Aber ihre Stärke ist die Lobby-Arbeit. Und da wird es für euch interessant.«
»Henthen braucht andere Gesetze, um weiterforschen zu können, nicht wahr?«, fragte Katharina. »Das hatten wir ja schon beim letzten Mal vermutet.«
»Ja, aber jetzt haben wir die Bestätigung: Die Marberts nehmen momentan massiven Einfluss auf die Ethik-Kommission, auf das Ministerium für Bildung und Forschung und auf die entsprechenden Ausschüsse. Sie wollen unbedingt durchsetzen, dass die Gesetze zur Stammzellen- und Embryonenforschung gelockert werden.«
»Und wie geht so eine Einflussnahme vor sich?«
»Zunächst einmal die übliche Lobby-Arbeit: Gespräche, Vorträge, Eingaben. Positionspapiere von Experten wie Henthen.«
»Das reicht?«
»Nicht immer. Und dann greifen die Marberts zu den seit Jahrhunderten erprobten Methoden der seriösen Geschäftswelt: Bestechung, Bedrohung, Erpressung.«
»Illegal?«
»Nicht bei uns. Dafür haben sie und andere gesorgt. Sie dürfen sich das auch nicht so vorstellen, dass in dunkler Nacht Koffer mit Geld den Besitzer wechseln.«
»Sondern?«
»Gut honorierte Vorträge. Aufsichtsratsposten. Die Marberts verfügen über ein Netzwerk, mit dessen Hilfe sie Menschen in praktisch jede Position hieven können. Sie wollen Innenministerin werden? Oder Professorin? Die Marberts sind Ihre Ansprechpartner. Wenn Sie den Preis zahlen können.«
»Preis?«
»Einfluss ist die Währung, in der sich die Marberts bezahlen lassen. Ihr System ist dabei selbsterhaltend und selbststeigernd, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Je mehr Menschen ihretwegen in den richtigen Positionen sind, desto stärker wächst der Einfluss der Marberts?«
»Richtig.«
»Aber Sie sagten auch Drohung und Erpressung. Das ist doch illegal, oder nicht?«
»Wenn es belegbar wäre. Aber es ist einfach, die Karrieren von Menschen nachhaltig zu zerstören: Ein paar harmlose Urlaubsfotos zum falschen Zeitpunkt an die Presse lanciert, das große Exklusiv-Interview der Ex-Geliebten, oder ein einfacher Tipp an den richtigen Börsianer über etwaige Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen eines Unternehmens, und schon geht eine Karriere den Bach runter. Meine Familie hat jahrhundertelang so Politik gemacht. Kein Erbe, auf das ich stolz bin. Aber die Marberts sind unsere Meister.«
»Warum das?«
»Sie haben keine Feinde. Zumindest keine, die sie ernsthaft bedrohen könnten.«
»Wie haben sie das denn geschafft?«
»Indem sie für ihre Opfer sorgen. Als Minister geschasst? Hier ist der Aufsichtsratsposten. Oder die Botschaft eines schönen, sonnigen Landes. Böse Zungen sagen: ›Es kann dir nichts Besseres passieren, als von den Marberts unter Beschuss genommen zu werden.‹«
»Das ist doch absurd.«
»Glauben Sie mir, ich habe mich oft bei dem Gedanken ertappt, dass die Verrückten in meiner Praxis gesünder sind als die Welt von Macht und Politik, in der auch meine Familie zu Hause war.«
»Und wenn wir jetzt mit den Marberts sprechen, werden Sie uns vermutlich drohen, oder?«
»Schlimmer. Sie werden versuchen, euch als Freunde zu gewinnen.«
***
Das Anwesen der Marberts lag nicht weit entfernt von Paul Leydths Villa. Vom streng bewachten Tor führte eine Privatstraße durch einen großzügigen englischen Park auf einen Glas-, Stahl- und Beton-Neubau zu. »Ich habe eine Vision«, musste der Architekt verkündet haben. »Ich sehe ein postmodernes Sanssouci.«
Ein britischer Butler geleitete Katharina und Andreas Amendt würdevoll durch die Säle dieses Schlosses in ein Büro, dessen Dimensionen mit weitläufig zu beschreiben eine Untertreibung wäre. Ein Elektroroller lehnte an der Wand neben der Tür. Sehr sinnvoll. Sonst würden die Bewohner des Schlosses ihren Tag wohl nur mit dem Weg zum Büro und zurück verbringen.
»Kriminalhauptkommissarin Klein? Professor Doktor Amendt? Endlich lernen wir uns einmal kennen.« Ein schlanker, mittelgroßer Mann mit Frettchen-Gesicht kam um den großen Schreibtisch herum auf sie zu und streckte ihnen mit einem Teflon-Lächeln die Hand entgegen. »Ulf Marbert. Meine Frau wird auch gleich bei uns sein. – Aber nehmen Sie doch Platz.«
Die Sitzecke stammte aus der Designschule Neue Unbequemlichkeit. Nur mit Mühe fand Katharina eine halbwegs erträgliche Sitzposition.
»Ich weiß, nicht sehr rückenfreundlich. Dafür passend zur übrigen Einrichtung.« Ulf Marbert wandte sich an den Butler, der schweigend neben der Tür gewartet hatte. »Ich darf Ihnen doch etwas anbieten? – James. Kaffee und Refreshments, bitte.«
»Sehr wohl.« Der Butler glitt davon.
»Und womit kann ich Ihnen …? – Ach, Monica, sehr schön. Das sind Kriminalhauptkommissarin Klein und Doktor Andreas Amendt.«
Drei Monate im Jahr Wellness-Farm, Fitness, tägliche Kosmetik und operative Optimierungen im sechsstelligen Preisbereich schüttelten ihnen die Hand und nahmen Platz. Monica Marberts Augen erinnerten Katharina an Zielerfassungssysteme.
»Nun, womit können wir Ihnen helfen?«, fragte Ulf Marbert freundlich.
Katharina begann vorsichtig: »Wir untersuchen gerade den Tod einer Patientin von Doktor Henthen. Und wir haben erfahren, dass er Sie als Adoptiveltern für das Kind der Toten vorgeschlagen hat.«
»Ja, das hat er. Der gute Henthen. Enger Freund der Familie.«
»Und wir fragen uns –«
»Nicht so schüchtern. Hat Henthen uns ein Wunschkind erzeugt?« Ulf Marbert lächelte noch immer.
»Hat er?«, fragte Katharina.
»Ja. Das kann man so sagen. Die beste Mutter, genetisch gesprochen, und den besten Vater: gesund, Nobelpreisträger, musisch begabt. Bei uns wird das Kind die beste Zukunft bekommen, die man sich vorstellen kann. Sie sollten nur mal das Kinderzimmer sehen, das wir haben entwerfen lassen. Und nur Topp-Personal von Anfang an.«
»Sie wissen aber schon, dass Kinderhandel strafbar ist?«
»Wer spricht denn von Handel? Es war eine Absprache, wie man sie unter Erwachsenen trifft.«
»Sie haben die Mutter nicht bezahlt?«
»Wir haben die Webdesignerin Alexandra Taboch dafür bezahlt, unsere Firmenwebsite auf den neuesten Stand zu bringen. Fürstlich natürlich. Da wollte sie uns den kleinen Gefallen gern erweisen.«
»Offenbar nicht.«
»Ach, eine kleine Meinungsänderung. Kein Problem.«
»Deswegen ist sie jetzt ja auch tot«, sagte Andreas Amendt.
»Das ist höchst bedauerlich, hat aber mit unserer Absprache nichts zu tun. Ein tragisches Unglück, wie Sie ja wissen.«
»Meiner Meinung nach nicht.«
»Ach, kommen Sie, Doktor Amendt! Selbst eine Koryphäe wie Sie kann sich mal irren. Als Rechtsmediziner müssen Sie die Dinge ja immer von der strafrechtlichen Seite aus betrachten. Da kann man schon mal die Fakten überinterpretieren, nicht wahr?«
»Aber –«
»Ich lege für unseren Freund Markus Henthen die Hand ins Feuer. Und mein Wort hat sicherlich Gewicht. Keine Sorge.«
Andreas Amendt hätte seinerseits wohl gerne nicht nur eine Hand um den Hals von Ulf Marbert gelegt. Katharina konnte es ihm nicht verdenken.
»Nun ist aber das Verfahren, dass Henthen für die Erzeugung des Kindes angewandt hat …«, setzte sie an.
»Illegal, meinen Sie? Ich bitte Sie. Die Gesetzesänderung wird kommen, muss kommen, wenn es mit unserem Land aufwärts gehen soll. Kein Richter in diesem Land wird ihn deswegen belangen. Alle werden davon profitieren. Auch Sie übrigens, Frau Klein.«
»Ich?«
»In Ihrem Portfolio finden sich reichlich Biotechnologie-Aktien.«
»Woher wissen Sie das?«
»Nun, wir haben natürlich mitbekommen, dass Sie sich für Henthen interessieren. Da lag die Vermutung nahe, dass Sie irgendwann hier auftauchen würden. Außerdem ist es unser Geschäft, über jeden Frankfurter mit einem Vermögen in zweistelliger Millionenhöhe Bescheid zu wissen.« Er wandte sich an Andreas Amendt. »Ja, da sind Sie überrascht, wie? Frau Klein zelebriert die neue Bescheidenheit. Aber sie gehört zu den reicheren Bürgern dieser Stadt. Eine Schande, dass das Vermögen so brachliegt. Was könnten Sie nicht alles bewirken, Frau Klein? Kriminalitätsbekämpfung zum Beispiel.«
»Ich glaube, ich leiste meinen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung ganz gut, danke.«
Ulf Marbert lachte jovial: »Mikro-Management. Ein Fall nach dem anderen. Absolut ineffizient. Wir sollten uns einmal zusammensetzen. Vielleicht nach Ihrer Anhörung, wenn Sie den Kopf wieder freihaben?«
»Woher wissen Sie von meiner Anhörung?«
»Informationen sind unser Kapital. Es gibt wenig in dieser Stadt, was wir nicht wissen.«
Wie Antonio Kurtz. Aber der hielt sich wenigstens aus der Politik raus. Oder etwa nicht? Katharina musste ihn bei Gelegenheit fragen.
»Viel Erfolg«, wünschte Ulf Marbert frohen Mutes. »Ach ja, wir könnten Ihnen behilflich sein.«
»Wie das?«
»Wir haben ja nicht nur Informationen über Sie. Wir könnten Ihnen ein paar recht interessante Akten zur Verfügung stellen.«
»Und dafür wollen Sie vermutlich, dass ich Henthen vom Haken lasse?«
»Nicht doch. Das wird sich von selbst erledigen. Sie werden sehen. – Nein, einen Ansprechpartner im Polizeipräsidium kann man immer brauchen. Jemanden, der uns zu schätzen weiß.«
»Ich bin eine einfache Kriminalkommissarin.«
»Kriminalhauptkommissarin. Und Sie sind jung, Sie sind begabt: Man könnte meinen, Sie sind auf dem Weg nach oben. Auch dabei können wir helfen.«
»Ganz selbstlos?«
»Natürlich nicht. Kriminalität ist weder gut für Geschäft noch für die Gesellschaft. Deswegen liegt uns natürlich an einer effizienten Strafverfolgung. Und dafür braucht es die richtigen Leute an den richtigen Positionen.«
So funktionierte also Bestechung ohne Bestechung. Katharina erhob sich: »Nun, dann wollen wir Sie nicht länger aufhalten.«
»Ich hoffe doch, dass wir Ihnen weitergeholfen haben.«
»Doch, durchaus. Herzlichen Dank.«
»Ach, Frau Klein? Eine Sache noch.« Monica Marbert fixierte Katharina mit ihren Scharfschützenaugen: »Einflussnahme funktioniert in alle Richtungen.«
***
»Danke«, sagte Katharina schließlich.
»Für was?«
»Dafür, dass Sie nicht fragen.«
Andreas Amendt hatte bis jetzt geschwiegen. Er saß neben Katharina im Fond des Panzers, während sie auf ihr nächstes Ziel zusteuerten.
»Wonach sollte ich denn fragen?«
»Ob ich wirklich reich bin, zum Beispiel.«
»Ach, ehrlich gesagt wusste ich das schon. Paul hat es mir erzählt.« Er zögerte. »Auch von Ihrer Familie. Tut mir leid.«
»Es ist lange her«, sagte Katharina nach einem Moment des Schweigens. »Normalerweise …«
»Normalerweise fragen die Menschen, was Sie mit dem Geld machen? Warum Sie so bescheiden leben?«
»Interessiert Sie das nicht?«
»Ich will Sie nicht nerven. Außerdem kann ich mir den Grund denken.«
»Ja?«
»Sie sparen. Falls Sie mal das Geld brauchen, um die Mörder Ihrer Familie zu jagen.«
Treffer. »Wie kommen Sie darauf?«
»Ich würde es genauso machen. Ich mutmaße mal, dass Sie deswegen auch zur Polizei gegangen sind?«
Schon wieder richtig. War sie so durchschaubar? Katharina fragte zurück: »Und Sie? Warum sind Sie Rechtsmediziner geworden?«
»Warum wollen Sie das wissen?«, fragte er erstaunlich sanft.
»Nun, ich weiß, dass Sie eigentlich Neurologe waren. Und wohl kein ganz schlechter.«
»Hat Paul Ihnen das erzählt?«
»Ja. Aber das stand auch schon in dem Rundschreiben, dass Sie als neuen Rechtsmediziner ankündigte. Also?«
»Neurologie ist oft genug reine Mängelverwaltung. Symptomarbeit.«
»Und die Rechtsmedizin ist da anders?«
»Meine jetzigen Patienten jammern wenigstens nicht ununterbrochen. Außerdem … Sie erinnern sich vielleicht an das, was Paul vorhin gesagt hat: Manchmal hat man den Eindruck, dass die Verrückten, mit denen wir es zu tun haben, normaler sind als der Rest der Welt.« Er verschränkte die Arme und sah aus dem Fenster.
Nach einer Weile sagte Katharina: »Ich kann das nachvollziehen. In der Ausbildung bin ich Streife gefahren, und dann war ich erst mal bei den Eigentumsdelikten. Diebstahl und so. Da hatte ich es mit Menschen zu tun, die auch nur überleben wollten, irgendwie.«
»Hm.« Andreas Amendt räusperte sich. »Dann müsste Sie ja das Angebot gereizt haben, dass Ulf Marbert Ihnen gemacht hat.«
»Nein. Menschen wie er, die so denken und handeln … Wenn Sie mich fragen, warum ich meinen Reichtum nicht lebe …«
»Ich frage Sie nicht.«
»Nun, ich antworte Ihnen trotzdem. Ich will nicht so sein wie Ulf Marbert.«
»Sie könnten so sein wie Paul Leydth.«
»Alt und weise?«
»Ein Auto- und Zeichentrickfilm-Narr.«
***
Seiner Adresse nach wohnte André Meyer in einem schmucken Einfamilienhaus. Doch dort öffnete nur eine Zofe, die ihnen mit französischem Akzent erklärte, dass »die ’errschaften weilten noch in die Wochenende«.
Nach diesem erfolglosen Intermezzo hatten sie Andreas Amendt nach Hause gefahren. Er war auf der Fahrt bereits mehrfach eingenickt; offenbar hatte ihn Svenja Tabochs Beredsamkeit wirklich arg geschlaucht. Er verabschiedete sich dankbar und schlich in seinen Hausflur. Katharina hoffte, dass er wenigstens den Weg in seine Wohnung finden würde, bevor er endgültig einschlief.
***
»Frau Klein?«
Der Mann trat so plötzlich aus der Hofeinfahrt von Katharinas Haus, dass Hans und Lutz sofort vor Katharina sprangen und in ihre Jacken griffen. Aber Laura schlängelt sich zwischen den beiden durch: »Papa!«
Das also war Lauras Vater. Katharina musterte den Mann, der seine Tochter mit Schwung auf den Arm nahm: graumeliertes Haar, sauber gestutzter Bart, sonnengegerbte Haut, blaugraue Augen. Was hatte Elfie angedeutet? Er wusste wohl sein Aussehen beim weiblichen Geschlecht gekonnt einzusetzen.
Laura auf einem Arm balancierend, streckte der Mann Katharina die Hand hin: »Tom Wahrig!«
Der Händedruck war fest und kühl. Die Hand war kräftig … und klein. Nicht viel größer als Katharinas.
»Und die anderen sind unsere Leibwächter!«, erklärte Laura fröhlich.
»Leibwächter?« Tom Wahrigs Blick verdüsterte sich.
»Lange Geschichte«, sagte Katharina rasch. »Wollen Sie mit reinkommen?«
***
»Tut mir leid, dass ich erst jetzt auftauche.« Tom Wahrig und Katharina saßen am Küchentisch. Laura hatte sich ins Gästezimmer verzogen. Packen.
»Aber das Satellitentelefon an Bord hatte einen Wasserschaden. Bin in einen Sturm geraten. Und bis ich einen Hafen erreicht hatte, wo ich es reparieren lassen konnte, war ich nicht erreichbar.«
»Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich das fragen muss: Aber kann das jemand bezeugen?«, fragte Katharina.
»Ein Alibi? Ist Melanie etwa …?«
»Höchstwahrscheinlich. – Bitte beantworten Sie meine Frage.«
Es brauchte eine Weile, bis sich Tom Wahrig wieder gefangen hatte. Endlich sagte er, immer noch stockend: »Natürlich. Meine Crew. Wir waren fast drei Wochen auf dem Wasser. – Ich werde doch nicht verdächtigt? Das ist absurd.«
»Sie werden verstehen, dass wir erst einmal jeden befragen müssen.«
»Aber ausgerechnet mich? Ich wollte nie etwas anderes für Melanie, als dass sie glücklich wird.«
»Wussten Sie, dass sie sich ein zweites Kind wünschte?«, fragte Katharina.
Tom Wahrig war nicht überrascht. »Klar. Wir haben es ja auch noch mal versucht. Leider hat sie das Kind verloren.«
»Nach der Trennung?«
»Ja. Wir waren weiterhin gute Freunde.«
»Wussten Sie, dass Melanie ziemliche Anstrengungen unternommen hat, einen optimalen Vater zu finden?«
»Natürlich.«
»Sie hatten also nichts dagegen?«
»Nein. Ich habe ihr sogar angeboten, die Vaterschaft anzuerkennen. Ich wollte auch immer ein zweites Kind, wissen Sie?«
»Haben Sie eine Vorstellung davon, was Melanie genau unternommen hat, um einen passenden Vater zu finden?«
»Sie wird wohl herumgefragt haben.«
»Nicht ganz. Sie hat … Nun ja, sie hat mit den Kandidaten Affären begonnen.«
»Oh je, das passt. – Melanie hat immer Angst gehabt, sich irgendwie zu blamieren. Und lieber den … nun, den nonverbalen Weg gewählt. Weglaufen. Oder in diesem Fall … Meinen Sie, dass einer der Männer …?«
»Das ist momentan unsere Vermutung, ja.«
»Arme Socke. Wird sich in sie verliebt haben.«
»Warum arm?«
»Weil er keine Chance bei ihr hatte. Melanie hatte endlich die Liebe ihres Lebens gefunden.«
»Wissen Sie, wer das war?«
»Eine Arbeitskollegin.«
»Melanie war …?«
»Lesbisch. Ja.«
War dies das Puzzlestück, das Katharina gefehlt hatte? Was hatte Paul Leydth gesagt? »Es könnte auch eine Frau sein.«
»Wissen Sie, wer die Kollegin war?«, fragte Katharina rasch.
»Hilfe, mein Namensgedächtnis! Eine Sylvia, Sarah … So ein knuddeliger Typ. Kräftig, aber hübsch – wissen Sie, was ich meine?«
»Sandra Beckmann. Klar. Ich kenne sie.« Verdammt, schalt Katharina sich. Sie war blind gewesen. »Tante Sandra«! »Kann ganz toll Pfannkuchen machen zum Frühstück«! »War so mit Mama wie die Frauke mit dir«! Sie hätte noch mehr auf Lauras Worte achten sollen.
»Und Sie?«, fragte sie schließlich. »Wie haben Sie es herausgefunden? Und vor allem …«
Tom Wahrig zuckte mit den Achseln: »Jenseits leicht gekränkter männlicher Eitelkeit … Melanie war immer meine beste Freundin, wissen Sie? Schon in der Schule. Ich habe es wohl geahnt, noch bevor sie es mir eines Tages gestanden hat. Und ich habe sie ermutigt.«
»Ermutigt?«
»Melanie kam aus einem erzkonservativen Elternhaus. Deswegen haben wir auch so früh geheiratet. Weil sie da rauswollte. Und mit der Zeit kam sie wohl immer mehr hinter ihre eigentliche sexuelle Identität. Und dann hat sie sich richtig verliebt.«
»Und Sie haben das unterstützt?«
»Natürlich. Ich wollte immer nur, dass sie glücklich wird.«
Das war die Wahrheit, das spürte Katharina. Die Karten waren neu gemischt.
»Tun Sie mir einen Gefallen?«, fragte Tom Wahrig ernst, nachdem sie eine Weile schweigend am Küchentisch gesessen hatten. »Kriegen Sie den, der das getan hat.«
***
Gemeinsam waren Tom Wahrig und Katharina schließlich ins Gästezimmer gegangen und hatten Laura beim Packen geholfen.
»Gehen wir wirklich nach Brasilien, Papa?«
»Ja. Du wirst sehen, da wird es dir gefallen.«
»Kann Katharina mitkommen?«, setzte Laura ihren Masterplan in Gang. »Weißt du, Papa, sie ist nämlich auch alleine.«
»Aha!« Tom Wahrig schmunzelte in sich hinein.
»Und da könnt ihr doch …«
»Ich glaube, Frau Klein kann nicht so einfach weg. Sie hat doch ihren Beruf.«
»Aber es gibt doch auch in Brasilien Polizisten.«
»Ach Laura, ich kann doch nicht so einfach mit euch weggehen«, sagte Katharina.
Das kleine Mädchen setzte sich aufs Bett und ließ den Kopf hängen. »Ich will aber, dass du meine neue Mama wirst.«
»So einfach ist das nicht. Melanie ist deine Mama. Die ist ganz traurig, wenn du sie einfach so vergisst.«
»Meinst du?«
»Ganz sicher.«
»Kannst du nicht trotzdem mitkommen?«
Katharina schwieg. Doch dann hatte sie eine Idee. »Ich muss doch erst noch mein Versprechen einlösen.«
»Versprechen?«, fragte das kleine Mädchen zaghaft.
»Weißt du nicht mehr, was ich dir versprochen habe?«
»Doch. Dass du die bösen Männer fängst, die das mit Mama waren.«
»Genau. Die muss ich erst mal fangen.«
»Dauert das lange?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht.«
»Okay.«
Das kleine Mädchen schloss Katharina in die Arme.
***
Mit hängendem Kopf hatte Laura den kleinen Rucksack geschultert und sich Zon aus dem Lande Yan unter den Arm geklemmt, während Tom Wahrig die restlichen Taschen nahm. Katharina brachte die beiden zu Tür.
Zum Abschied sah Laura noch mal auf: »Kommst du uns wenigstens besuchen?«
»Wenn ich darf.«
»Natürlich«, antwortete Tom Wahrig. »Wenn mein Haus fertig umgebaut ist, sind Sie jederzeit herzlich willkommen.«
***
Stille.
Katharina saß im Wohnzimmer und versuchte nachzudenken. Doch diese Stille war wirklich bedrückend. Laura war doch nicht den ganzen Tag Topfdeckel gegeneinanderschlagend durch die Wohnung gezogen?
Schließlich hielt Katharina die Stille nicht mehr aus. Sie konnte ebenso gut arbeiten. Also rief sie Wigo Bach an.
»Hi Wigo, ich bin’s, Katharina.«
»Oh hi! Wie geht’s? Hast du André schon verhaftet?«
»Noch nicht. Aber kannst du mir die Nummer von Sandra Beckmann geben?«
»Klar. Sie ist doch nicht etwa verdächtig? Ohne sie können wir die Agentur knicken.«
»Nein, nein. Keine Sorge. Und entschuldige die späte Störung.«
»Kein Problem. Sven und ich wollen ohnehin gleich noch losziehen.«
»Na dann viel Spaß.«
Sie legte auf und wählte die Nummer von Sandra Beckmann. Nur die Mailbox. Katharina bat um Rückruf.
Und jetzt? Diese Stille machte sie wahnsinnig.
Auf gut Glück wählte sie die Nummer von Andreas Amendt. Auch dort meldete sich nur der Anrufbeantworter. Sie hinterließ keine Nachricht.
Was jetzt? Sie ging in die Küche und spielte mit Hans und Lutz eine Runde Mensch-ärgere-dich-nicht. Aber ohne Laura machte es einfach keinen Spaß.
***