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Testament (1226)

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Nach den eigenen Worten dieses Textes handelt es sich um das geistige Vermächtnis des Franziskus, das der Verfasser in engstem Zusammenhang mit der Ordensregel, als eine Art Lesehilfe und persönlichen Kommentar derselben, gesehen hat.19 Der Text ist in zahlreichen Handschriften überliefert, die eine Unzahl von Varianten aufweisen, so daß eine kritische Edition, wie sie ESSER dennoch versucht hat,20 ein sehr schwieriges Unterfangen ist. Der älteste erhaltene Textzeuge ist der Codex 338 der Biblioteca Comunale von Assisi, ein Sammelband, der im gleichen Faszikel weitere Opuscula des Franziskus und darüber hinaus noch andere Schriften franziskanischer Provenienz enthält. Der Faszikel mit den Opuscula wird von ESSER auf die Mitte des 13. Jahrhunderts, also etwa 25 Jahre nach der Entstehung des Dokumentes und dem Tode des Franziskus, datiert.21 Der älteste Beweis für die Existenz des Testamentes ist das Zitat in der ersten Celano-Legende über den Aufenthalt des Franziskus bei den Aussätzigen.22 Diese erste Biographie des Franziskus wurde wohl 1229 abgeschlossen, doch kann das Zitat, das ziemlich am Anfang steht, bereits im Jahre 1228 niedergeschrieben sein. Zweiter Beleg ist sodann die Bulle »Quo elongati« des Papstes Gregor IX. vom 28. September 1230, in der die Verbindlichkeit des Testamentes als Richtlinie für die Brüder aufgehoben wurde.23 In der gleichen Bulle wird auch gesagt, daß Franziskus das Testament in seinen letzten Lebenstagen verfaßt habe.24

Nachdem das Testament des Franziskus, trotz päpstlich verordneter Ungültigkeit, Jahrunderte lang für echt gehalten und auch in der modernen Franziskus-Forschung fast einmütig als das authentischste aller Werke des Franziskus angesehen wurde,25 hat in neuester Zeit ein (allerdings intelligenter) Außenseiter der Forschung die Echtheit in zwei seiner insgesamt vier anonymen Publikationen energisch bestritten. Es handelt sich um DOMENICO BASILI OFM Conv., seit vielen Jahren Custode des von Bruder Elias erbauten Konvents zu Cortona und unermüdlich um die Rehabilitation des im Chor der Kirche S. Francesco bestatteten großen Franziskaners bemüht.26 Es sind vor allem vier Gründe, die BASILI gegen die Echtheit des Testamentes ins Feld führt: 1. In seinem unmittelbar nach dem Tode des Franziskus verfaßten Rundbrief erwähnt Elias das Testament nicht; 2. die Sätze 30–33 mit ihren Strafbestimmungen gegen Brüder, die das Offizium nicht beten oder »nicht katholisch« sind, stehen in krassem Widerspruch zu dem brüderlichen und verzeihenden Geist, wie er sich etwa in dem Brief an einen Minister27 und in dem Brief an alle Gläubigen28 äußert, aber auch zu den milderen Bestimmungen der Regula bullata von 1223;29 3. das Testament ist auf dem Generalkapitel an Pfingsten 1227 noch unbekannt; es taucht erst vier Jahre nach dem Tode des Franziskus (1230) auf, als Gregor IX. um eine Entscheidung gebeten wird; 4. von dem Originaltext des Testamentes, das 1230 vom Papst aufgehoben wurde, existiert keine Handschrift aus dem 13. Jahrhundert; BASILI nimmt an, daß das jetzt vorliegende Testament in Kreisen der Spiritualen am Ende des 13. Jahrhunderts entstanden sei.30 Auch bereits in der ersten Fassung des Testamentes sieht er die plumpe Fälschung eines rigoristischen Zelanten, der auf diesem Wege der Regula non bullata wieder zur Geltung verhelfen wollte.31

Man wird nicht umhin können zuzugeben, daß BASILI zumindest mit den drei zuletzt genannten Argumenten den Finger zielsicher auf die schwachen Punkte in der Beweisführung für die Echtheit des Testamentes gelegt hat. Vor allem ist die von ESSER in der Mitte des 13. Jahrhunderts angesetzte Entstehung des die Schriften des Franziskus enthaltenden Faszikels des Codex 338 der Biblioteca Comunale von Assisi nicht zweifelsfrei beweisbar. ESSER schließt aus der Tatsache, daß das Testament (fol. 16r–18r) unmittelbar auf die Regel (fol. 12r–15v) folgt, die Niederschrift müsse vor den Armutsstreitigkeiten der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und dem Generalat des heiligen Bonaventura (1258–1274) erfolgt sein.32

Wie immer die älteste Handschrift zu datieren ist, so ist aus der Bulle »Quo elongati« zu schließen, daß Gregor IX. die entscheidenden Passagen des Testamentes vorlagen. Daß Franziskus es nicht dem Bruder Elias diktiert oder übergeben hat, sondern tatsächlich einem aus dem Kreise der Zelanti, vielleicht Bruder Leo, wäre verständlich und naheliegend. BASILI spielt auch die Erwähnung in der ersten Celano-Legende herunter, indem er annimmt, daß im Jahre 1228 noch eine mündliche Überlieferung einiger Anfangssätze des Testamentes kursierte.33 Was schließlich die Rigorismen des Inhalts betrifft, so sind bekanntlich harte und fanatische Züge des Franziskus auch in den Lebensbeschreibungen überliefert.34 Demnach wird man weiterhin an der Echtheit des Testamentes festhalten können, ohne es freilich zu überschätzen und es von vornherein zum Basistext und Maßstab gegenüber anderen Überlieferungen zu erheben.

Franziskus von Assisi

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