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10. Die beiden Lebensbeschreibungen des heiligen Bonaventura (Leg. mai., Leg. min.)

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Die beiden Lebensbeschreibungen des heiligen Bonaventura129 gehören wie die Trilogie des Thomas von Celano zu den »offiziellen« Franziskus-Biographien; d.h. es handelt sich um Arbeiten, die von Autoritäten der Kirche oder des Ordens in Auftrag gegeben wurden. Im Falle der Legenda maior ist es das Generalkapitel von Narbonne (1260), das den seit 1257 amtierenden Generalminister Bonaventura von Bagnoregio beauftragte, ein neues und offizielles »Leben des heiligen Franziskus« zu schreiben, das die zahlreichen damals schon existierenden Legenden ersetzen sollte. Der Frieden innerhalb des Ordens war zu dieser Zeit bereits erheblich gestört durch den Gegensatz zwischen den »Zelanten« (Spiritualen) und der in der Interpretation der Ordensregel laxeren Mehrheit, der »Kommunität«. Der Wunsch der Ordensleitung nach einer einzigen verbindlichen Biographie des Franziskus war wohl auch von der Hoffnung getragen, die auseinanderstrebenden Parteien zusammenzuhalten.

Die Legenda minor ist nichts anderes als die abgekürzte Fassung der Legenda maior. Sie war für den Gebrauch innerhalb des Chorgebetes bestimmt und ist, entsprechend den ersten sieben Tagen der Oktav des Franziskus-Festes (4.–11. Oktober), in sieben Kapitel eingeteilt, von denen jedes neun Lektionen umfaßt. Am achten Tag wurde das Offizium des 4. Oktober wiederholt.

Bonaventura hat beide Legenden in den Jahren 1260–1262 in Paris geschrieben. Sie lagen auf dem Generalkapitel von Pisa (20. Mai 1263) abgeschlossen vor. Auf dem nächsten Generalkapitel, das drei Jahre später (16. Mai 1266) in Paris tagte, wurde der verhängnisvolle Beschluß gefaßt, die älteren Franziskus-Legenden zu vernichten und nur noch die Legenda des Bonaventura als legitime Lebensbeschreibung innerhalb und außerhalb des Ordens zu dulden.130

Obgleich Bonaventura im Prolog der Leg. mai. den Eindruck zu erwecken sucht, er verdanke seine wichtigsten Informationen den noch lebenden Gefährten des Franziskus, so ist sein Werk doch im wesentlichen eine Kompilation aus den drei Büchern des Thomas von Celano. Hinzu kommen einige wenige Berichte von Augenzeugen, wie der des Bruders Illuminatus über den Besuch des Franziskus beim Sultan (Leg. mai. IX,8) und die Erscheinung des Seraphen (ebd. XIII,4), sowie der des Papstes Alexander IV., der persönlich die Stigmata gesehen hatte (ebd. XIII,8). Dagegen hat Bonaventura die in den nicht-offiziellen Legenden enthaltenen Sondertraditionen durchweg beiseite gelassen.

Die Leg. mai., obwohl ein Werk von hohem literarischem Rang, trägt doch das Gepräge einer überaus kirchenfrommen Hagiographie an sich. Angesichts der massiven und tendenziösen Geschichtsklittereien, die sie enthält, erscheint die Apologie von M. BIHL, die Bonaventura eine lobenswerte moderatio zuschreibt, doch ein wenig fragwürdig.131

Eine deutsche Ausgabe hat S. CLASEN herausgebracht unter dem Titel: Franziskus. Engel des sechsten Siegels. Sein Leben nach den Schriften des heiligen Bonaventura (Franziskanische Quellenschriften, Bd. 7), Werl 1962.

Der Nachfolger des Bonaventura im Amt des Generalministers, Hieronymus von Ascoli (1274–1279), der spätere Papst Nikolaus IV. (1288–1292), wies, wohl im Bewußtsein des Ungenügens der Leg. mai., das zu Padua im Jahre 1276 tagende Generalkapitel schriftlich an, erneut über die denkwürdigen Taten des Franziskus und der anderen heiligen Brüder Nachforschungen anzustellen und ihm die Ergebnisse mitzuteilen.132

Fast wertlos als Quelle für das Leben des Franziskus ist der »Liber de laudibus«, den der Sekretär Bonaventuras, Bernhard von Bessa, als Ergänzung der Leg. mai. verfaßt hat. Das Werk ist im wesentlichen eine Sammlung von Erbauungs- und Wundergeschichten eher oberflächlichen Charakters.133

Franziskus von Assisi

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