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2.2 Beobachter und Hirnforschung

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In einem seiner Vorträge1 berichtet Gerald Hüther – Leiter der neurobiologischen Grundlagenforschung der Universitätsklinik Göttingen – von einem bemerkenswerten Experiment, dessen überraschendes Resultat zeigt, wie sehr sich die Hirnaktivitäten eines zielorientiert Handelnden und eines wachen Beobachters unterscheiden. Es wird mithilfe der computergestützten Positronen-Emissions-Tomografie durchgeführt, mit der sich die Aktivität im Gehirn bildlich darstellen lässt:

Ein Mann wird in einen Computertomografen geschoben. Er trägt eine Videobrille, die ihm ermöglicht, ein Computerspiel zu spielen. Als Erstes soll er im Rahmen dieses Spiels ein Auto über eine Rennstrecke so schnell wie möglich ins Ziel steuern. Im zweiten Teil des Experimentes wird er gebeten, nur die Rolle des Beifahrers und Beobachters zu spielen, das heißt, nichts zu machen, sondern nur die Strecke und das Geschehen zu beobachten. Das Ergebnis ist sehr interessant: Während im ersten Teil des Experiments die Bilder des Computertomografen belegen, dass nur sehr wenige Bereiche in seinem Gehirn arbeiten, zeigen die Bilder des zweiten Teils eine umfassende Aktivität weiterer Gehirnareale.

Gerald Hüther zieht daraus den Schluss, dass wir, um möglichst schnell, effektiv und in eintrainierter Weise an ein Ziel zu gelangen, unser Gehirn nur sehr eingeschränkt benutzen, wohingegen beim aufmerksamen Beobachten das Gehirn in viel umfassenderer Weise aktiviert wird. Der wache Beobachter fordert sein Gehirn mehr als der auf sein Ziel fixierte Zielstreber und fördert dadurch die Entwicklung seines Gehirns. Er verhält sich „hirntechnisch“ gesehen günstiger, denn das Gehirn entwickelt sich so, wie es benutzt wird.2 Der wache Beobachter erzeugt also im Laufe der Zeit ein flexibles Gehirn mit komplexeren Verschaltungen, während der Zielstreber sein Gehirn nur sehr eingeschränkt nutzt und entwickelt.

In seinem Buch „Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn“, das leicht verständlich geschrieben ist und sich an eine breite Öffentlichkeit wendet, rät Gerald Hüther zu einem Leben in Achtsamkeit, denn Unachtsamkeit sei eine Haltung, die wenig Hirn beanspruche, wohingegen Achtsamkeit eine ganz wesentliche Unterhaltungs- und Wartungsmaßnahme für das menschliche Gehirn darstelle.3

„Was die wahren Propheten und Seher von den falschen unterscheidet, ist der Umstand, dass es ihnen im Lauf ihrer Entwicklung gelungen ist, all ihre Sinne, und zwar sowohl die zur Wahrnehmung von Veränderungen in ihrer äußeren Welt als auch die zur Wahrnehmung dessen, was in ihnen geschieht, gleichzeitig zu schärfen, und dass sie die Fähigkeit entwickelt haben, all diese Sinne gleichzeitig und gleichwertig zu gebrauchen. Sie haben damit die höchste Stufe der Wahrnehmungsfähigkeit eines menschlichen Gehirns erreicht.“4

Gerald Hüther spricht von der Stufenleiter der Wahrnehmung, auf der wir nach oben gelangen, indem wir uns für bestimmte Wahrnehmungen sensibilisieren und so unsere Sinne „schärfen“.5 Dies geschehe, wenn wir all diejenigen neuronalen Verschaltungen besonders häufig und intensiv aktivierten, die an der Annahme, Verarbeitung und Abspeicherung gewisser Sinneseindrücke beteiligt seien, denn dann würden diese Verschaltungen auch besonders gut herausgeformt und würden leichter aktivierbar als andere.6

„Der Abstieg auf der Stufenleiter der Wahrnehmung funktioniert von allein; hinauf jedoch geht es nur, wenn man auch dorthin will.“7

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