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2.5 Innehalten und Wahrnehmung

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Die im letzten Abschnitt beschriebene Veränderung unseres Zustandes und unseres Verhaltens könnte man als „Innehalten“ bezeichnen. Wie wir gesehen haben, braucht ein solches Innehalten nicht notwendigerweise Zeit. Es geschieht – genau wie eine Wahrnehmung – im Augenblick und muss kein Anhalten oder Stillstehen zur Folge haben. Unverzichtbar für das Innehalten hingegen ist die Aufmerksamkeit.

Betrachten wir noch einmal den oben beschriebenen Weg zum Bahnhof, um zu erkennen, wie eng Innehalten und Wahrnehmung miteinander verknüpft sind. Durch das Öffnen des Blicks halten wir inne – wir lösen uns vom Zielstreben –, und durch das Erwachen des Beobachters in uns – was bereits ein Innehalten vom unbedingten Zielstreben bedeutet – erinnern wir uns daran, offener zu schauen. Ein so verstandenes Innehalten und Wahrnehmen bedingen und entsprechen einander.

Innehalten und Wahrnehmen sind vor allem geistige Prozesse. Sie geschehen blitzschnell und verändern – im wahrsten Sinne des Wortes – unsere Sicht auf die Dinge und damit unser Verhalten. Wir können jederzeit innehalten und in der oben beschriebenen Weise offen wahrnehmen, es bedarf dazu keiner Vorbereitung. Es ist allerdings möglich, dass wir in einem geschäftigen Alltag nicht die Kraft haben, achtsam genug zu sein, um als wache Beobachter das Innehalten zu lernen. In diesem Fall kann ein entschleunigtes Leben mit häufigeren Auszeiten durch Wandern und Urlaubstage (Kapitel 3), ein Bewusstseinstraining wie z.B. Zen-Meditation (Kapitel 3.3) oder Unterricht in Alexander-Technik (Kapitel 6) uns die nötigen grundlegenden Erfahrungen dafür vermitteln, einen Lernprozess anzustoßen, der unser Leben in fundamentaler Weise verändert.

Um Innehalten zu trainieren, ist es förderlich, sich Zeit zu nehmen und sein Tun zu verlangsamen. Dadurch können wir leichter bei uns bleiben und Raum für die Wahrnehmung schaffen. Kleine Pausen, in denen wir alles Tätigsein stoppen, helfen ebenfalls dabei, den wachen Beobachter in uns zu erwecken, offen zu schauen und zu lauschen. Indem wir in dieser Weise unser Aktivsein unterbrechen, entsteht durch das Anhalten der Aktivität ein Innehalten, das Raum gewährt für ein Gewahrwerden des gegenwärtigen Augenblicks.

Je vertrauter wir mit dem Innehalten werden, desto eher wird es uns gelingen, es auch in einem turbulenten Alltag zu praktizieren. Das ist das eigentliche Geheimnis des Innehaltens: dass es keine Zeit benötigt und doch augenblicklich einen anderen Zustand – ein Gewahrwerden – in uns entstehen lässt. Es handelt sich also um eine Art Perspektivenwechsel, der jedoch nicht nur als eine wichtige und wertvolle Einsicht erlebt wird, sondern den Charakter unseres Handelns und unser Leben verwandelt.

Der genannte Perspektivenwechsel ist der Wechsel von einem rein praktischen Umgang mit den Dingen – sie nur zu benutzen, „um zu …“ – hin zu einem Verhalten, das den gegenwärtigen Moment und alle Dinge und Menschen, die uns gerade begegnen, in den Mittelpunkt stellt, gemäß dem berühmten Wort Meister Eckharts, die wichtigste Stunde sei immer die Gegenwart und der bedeutendste Mensch sei immer der, der uns gerade gegenüberstehe. Es handelt sich dabei um den grundlegenden Wechsel von der Zielfixiertheit zur Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen Augenblick. Meister Eckhart nennt ein Drittes: das notwendigste Werk, das immer die Liebe sei. Der Einblick 9 wird uns in überraschender Weise zeigen, wie eng alle drei hirntechnisch betrachtet zusammenhängen.

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