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2.7 Im Kontakt mit unserem Wesenskern
ОглавлениеVerweilen wir noch einen Moment bei der Mystik und schauen wir, wie Meister Eckhart (1260–1328), der vielleicht bekannteste deutsche Mystiker, und Angelus Silesius (1624–1677), Dichter des „Cherubinischen Wandersmanns“, einer bekannten Sammlung eindringlicher Kurzgedichte, – in den Worten ihrer Zeit das Innehalten als wesentlichen Bestandteil der spirituellen Suche beschrieben haben. Diese Suche nach unserem Wesenskern ist in der Mystik die Suche nach Gott. Der „Ort“ dieser „Suche“ ist immer der gegenwärtige Moment: das Sein und die Stille. Doch bedenken wir, dass all diese Worte unzureichende Umschreibungen sind, denn natürlich gibt es weder einen Ort noch eine Suche, denn das Gesuchte ist bereits da: im gegenwärtigen Moment und in uns.
Angelus Silesius verweist den Menschen auf das einfache Dasein, das ohne Wollen, Wissen und Unruhe ist:
„Halt an, wo läufst du hin, der Himmel ist in dir: Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.“17 „Gott ist die ew´ge Ruhá, weil er nichts sucht noch will; Willst du ingleichen nichts, so bist du eben viel.“18 „Wie selig ist der Mensch, der weder will noch weiß.“19
Er kennt die Bedeutung der Stille und des Hier und Jetzt, das er „Nun“ nennt:
„Mensch, so du willst das Sein der Ewigkeit aussprechen, So mußt du dich zuvor des Redens ganz entbrechen.“20 „Du mußt ganz lauter sein und stehn in einem Nun.“21
Für Meister Eckehart ist das Sein, der Zustand eines Menschen, wichtiger als seine „Werke“, selbst wenn es um „fromme Werke“ geht. Er führt uns damit vom Denken und Tun zum bewussten Dasein, indem wir „von Gottes Gegenwart leuchten“:
„Die Menschen sollten nicht soviel nachdenken, was sie tun sollen, sie sollten aber bedenken, was sie sind.“22
„Bist du gerecht, so sind auch deine Werke gerecht. Denke nicht, dein Heil zu setzen auf ein Tun: man muß es setzen auf ein Sein. Denn die Werke heiligen uns nicht, sondern wir müssen die Werke heiligen. Und seien´s noch so fromme Werke, sie heiligen darum, weil wir sie verrichten, uns auch nicht im mindesten: sondern soweit wir Sein und Wesen haben, soweit heiligen wir all unser Tun, gleich ob Essen, Schlafen, Wachen oder was sonst.“ 23
„Also soll auch der Mensch von Gottes Gegenwart leuchten ohne besondere Bemühung, vielmehr soll er die Dinge in ihrer wahren Gestalt sehen und ihrer gänzlich ledig bleiben.“24
Betrachten wir diese Hinweise, die Angelus Silesius und Meister Eckhart uns geben, so erkennen wir, wie sehr unser heutiges Leben vom entgegengesetzten Pol geprägt ist. Die starke Ausprägung der Unrast, des Lärms, der Reizüberflutung und der inneren Unruhe erweckt in immer mehr Menschen die Sehnsucht nach Stille und einem Leben im gegenwärtigen Augenblick. Dabei erscheinen die Schriften der Mystiker in einem neuen Licht. Unser Verlangen nach Stille und innerer Ruhe ist mehr, als nur der Wunsch nach einer Erholung von einem beschleunigten Leben, es führt uns zur uralten Suche nach unserem Wesenskern.