16
Der Antragsteller, dessen Bewerbung erfolglos war, muss glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO),
– | dass die Auslese unter den in die Auswahlerwägungen Einzubeziehenden in verfahrens- oder in materiellrechtlicher Hinsicht nicht fehlerfrei getroffen worden sei und |
– | dass er bei ordnungsgemäßem Vorgehen und Zugrundelegung rechtlich bedenkenfreier Maßstäbe einen besseren Rang hätte erreichen müssen und dass er damit statt des einen oder anderen erfolgreichen Mitbewerbers zumindest möglicherweise zum Zuge gekommen wäre.[5] |
17
Übersicht über gängige Verfahrensrügen (Checkliste)
Der Antragsteller meint, seine Bewerbung sei zu Unrecht wegen Fristversäumnis unbeachtet geblieben:
Die Bewerbungsfrist ist keine Ausschlussfrist*1, sodass es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn liegt, ob er eine verspätete Bewerbung (bei Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und in Würdigung etwaiger in seiner Sphäre liegender Gründe für die Fristversäumnis*2) noch berücksichtigt oder sie zurückweist. Weil es im Allgemeinen und gerade hier im öffentlichen Interesse liegt, dass der Bewerberkreis zum Stichtag möglichst feststeht*3, wird sich gewöhnlich die (begründungsbedürftige*4) Zurückweisung einer verspätet eingegangenen Bewerbung (unter Absehen von einer Sachprüfung) je nach Lage der Dinge damit rechtfertigen lassen, dass das Besetzungsverfahren schon nennenswert fortgeschritten sei oder dass es schon Entscheidungsreife dergestalt erreicht habe, dass die Auswahlentscheidung unmittelbar bevorstehe oder gar getroffen sei.*5
Der Antragsteller beanstandet, dass er aus dem Bewerberkreis vorab ausgeschlossen worden sei, weil die zuständige Behörde der unzutreffenden Ansicht gewesen sei, dass er eine notwendige (Vor-)Bildung nicht besitze: Hierzu ist auf Rn. 8 f. zu verweisen.
Der Antragsteller, der im Zeitpunkt seiner Bewerbung eine normativ vorgeschriebene Höchstaltersgrenze überschritten hatte, hält diese Grenze für mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und beruft sich außerdem auf einen (durch Rechtsverordnung geregelten) Ausnahmetatbestand:
Die normative Festsetzung von Höchstaltersgrenzen, deren Überschreiten eine Einstellung ausschließt, widerspricht vom Ansatz her weder Art. 33 Abs. 2 GG noch dem einschlägigen Europarecht. Die jeweilige Höchstaltersgrenze für den Zugang zum Beamtendienst ist unter der Voraussetzung rechtswirksam, „dass ihrer Festlegung ein angemessener Ausgleich zwischen der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangschance nach unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien und dem in Art. 33 Abs. 5 GG angelegten Interesse des Dienstherrn an einer langen Lebensarbeitszeit zu Grunde liegt“.*6 Das Bundesverwaltungsgericht*7 hat eine Höchstaltersgrenze von unter 25 Jahren für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes des Landes Berlin für mit höherrangigem Recht vereinbar erklärt; der Europäische Gerichtshof*8 ist der Ansicht, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG*9 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen sei, dass er einer innerstaatlichen Regelung, die das Höchstalter für die Einstellung in die Laufbahn des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes auf 30 Jahre festlege, nicht entgegenstehe.*10 Ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt, der die Einstellung lebensälterer Bewerber etwa mit Rücksicht auf eine für die Verwendung in der Laufbahn förderliche abgeschlossene Berufsausbildung zulässt, ist naturgemäß eine Frage des Einzelfalles.
Der Antragsteller bemängelt die Einstiegsprüfung oder die Abwicklung eines vorgeschalteten Auswahlverfahrens:*11
Bei Einstiegsprüfungen treten innere Zusammenhänge zwischen Prüfungs- und Beamtenrecht in Erscheinung.*12 Besondere Beachtung gebührt hier wie auch bei Auswahlverfahren im Übrigen, etwa bei Auswahlinterviews oder strukturierten Auswahlgesprächen, vor allem dem Topos der Chancengleichheit („Fairness“).*13 Insbesondere ist es unverzichtbar, dass die äußeren Bedingungen für sämtliche in das jeweilige (Prüfungs- oder Präsentations-)Verfahren einbezogenen Bewerber vergleichbar sind und dass der Einschätzung sämtlicher Bewerber vergleichbare Bewertungskriterien und -maßstäbe zugrunde gelegt werden. Soweit Assessment Center-Verfahren als Erkenntnismittel herangezogen werden*14, muss namentlich Sorge dafür getragen werden, dass die (auf der Grundlage einer laufbahnbezogenen Anforderungsanalyse zu entwickelnden) Regeln für die Auswertung, Interpretation und Entscheidung vorab festgelegt und in ausführlichen Verfahrenshinweisen (Manualen) verlautbart werden, damit verschiedene, unabhängige Beurteiler in gleicher Weise vorgehen und zu vergleichbaren, intersubjektiv nachprüfbaren Ergebnissen und Urteilen kommen können.*15
Anmerkungen:
*1 | BVerwGE 145, 185 (juris Rn. 30); vgl. ferner NRW OVG NVwZ-RR 2011, 700 (juris Rn. 6 f.) m.w.N. |
*2 | Siehe auch NRW OVG v. 24.6.2004 – 6 B 1114/04 – juris Rn. 9 ff. m.w.N. |
*3 | Vgl. BVerwG 30.1.2014 – 5 B 44.13 – juris Rn. 9 (zur Berücksichtigung einer nach Ablauf der Bewerbungsfrist angezeigten Schwerbehinderung). |
*4 | BVerwGE 145, 185 (juris Rn. 31) mit Hinweis auf BVerwG v. 30.4.2012 – 2 VR 6.11 – und NRW OVG NVwZ-RR 2011, 700. |
*5 | BVerwGE 145, 185 (juris Rn. 30 f.); siehe ferner LSA OVG ZBR 2014, 65 (juris Rn. 7). Vgl. dazu im Einzelnen Anhang 1 Rn. 39 ff. |
*6 | BVerwGE 142, 59 (juris Rn. 16) mit Hinweis auf BVerwGE 113, 143. Siehe auch BVerfGE 139, 19 (juris Rn. 90): „Damit der Gesetzgeber den Unwägbarkeiten bei der Festlegung des Wertes von Versorgungsansprüchen Rechnung tragen kann, ist ihm auch bei der Einführung und Ausgestaltung von Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte ein Gestaltungsspielraum einzuräumen (Hinweis auf BVerwGE 143, 59, 63 ff.). Sein Umfang ergibt sich aus den … Erfordernissen des Systems der Beamtenversorgung und den Grenzen von Art. 33 Abs. 2 GG sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch hat er die Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG zu beachten. Dies entspricht dem Sinn des Alimentationsprinzips, nach dem die Versorgung nicht im synallagmatischen Verhältnis zu einer in Jahren bemessenen Dienstzeit steht, sondern ebenso wie die Dienstbezüge Gegenleistung dafür ist, dass der Beamte sein ganzes Arbeitsleben bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Dienst des Staates stellt …“ |
*7 | NVwZ 2010, 251 (juris Rn. 21 ff.). Zu einer Ausnahme beim Überschreiten der laufbahnrechtlichen Altersgrenze für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienst VG Potsdam v. 28.4.2016 – VG 2 K 1342/15 – BeckRS 2016, 47964. |
*9 | ABl. EG Nr. L 303 S. 16. |
*10 | Vgl. EuGH NJW 2011, 3209 (daselbst Rn. 81) und NVwZ 2011, 1249 (daselbst Rn. 61, 73 f. und 80 f.); siehe auch BVerwG 26.3.2012 – 2 B 26.11 – juris Rn. 19 f. |
*11 | Siehe dazu oben Rn. 7. |
*12 | Zum Prüfungsrecht siehe Schnellenbach in: Hartmer/Detmer, Kap. XII Rn. 37 ff. |
*14 | Vgl. im Einzelnen Bieler/Lorse Rn. 27. |
*15 | Siehe dazu Anhang 2 Rn. 169 ff. m.w.N. Zur Pflicht der für die Auswahl von Bewerbern für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zuständigen Behörde, eine anhand eines Testverfahrens und eines Assessment Center getroffene Auswahlentscheidung so zu begründen, dass der Betroffene eine hinreichende Möglichkeit erhält, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, vgl. NRW OVG NVwZ-RR 2010, 159 (juris Rn. 9). |
18
Übersicht über gängige Rügen materiellrechtlicher Art (Checkliste)
Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass die ihn betreffende Eignungsfeststellung in der Sache selbst unrichtig sei, sei es, dass ihm die Eignung überhaupt abgesprochen, sei es, dass ihm nur ein aus seiner Sicht zu niedriger Platz in der nach Eignungsgraden geordneten Bewerberliste zuerkannt worden sei:
Bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der behördlichen Eignungseinschätzung ist zum einen die Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn (mit der Rechtsfolge einer reduzierten Kontrolldichte) in Betracht zu ziehen*1, zum anderen aber zu berücksichtigen, dass die Verlagerung des primären Konkurrentenrechtsschutzes in das „Vorfeld“ der Stellenbesetzung nach dem Muster des etablierten Verfahrensmodells auch hier eine gründliche und anspruchsvolle, d.h. eine nicht nur „summarische“ Sachprüfung verlangt, die – zumindest was die Interessensphäre übergangener Bewerber anlangt – nicht hinter den Anforderungen zurückstehen darf, die insoweit in Hauptsacheverfahren zu stellen sind.*2
Der Antragsteller hält dafür, dass der Hilfskriteriengebrauch des Dienstherrn ihn rechtswidrig benachteilige:
Soweit der Dienstherr nicht allgemein oder im Einzelfall auf ein verpöntes Hilfskriterium*3 abstellt, etwa den Heimat- oder den Studien- oder Examensort der/des Bewerber/s in seine diesbezüglichen Überlegungen einbezieht*4, wird es regelmäßig nur darauf ankommen, ob er sich in seiner Verwaltungspraxis bei der Bestimmung der Relevanz und der Reihenfolge, in der er Hilfskriterien heranzieht, konsequent verhält.*5
Anmerkungen:
*1 | Siehe bereits oben Rn. 7. |
*2 | Siehe in diesem Zusammenhang BVerfG NVwZ 2003, 200 (juris Rn. 9 ff.) und NVwZ 2004, 95 (juris Rn. 14 ff.); ferner BVerwGE 138, 102 (juris Rn:31 f.) sowie indessen auch Anhang 8 Rn. 7. |
*4 | Vgl. Menger VerwArch 73 (1982), 86 (99 ff.). |
*5 | BVerwG NVwZ 2003, 1397 (juris Rn. 15); vgl. auch Schnellenbach ZBR 1997, 169 (174) m.w.N. Zur Durchbrechung einer Verwaltungspraxis NRW OVG DVBl. 2002, 212 (juris Rn. 16 ff.) m.w.N. |