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Abstrakte Kunst

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Die Mädchen werden abgelenkt, als Lisa das Café betritt. Zur selben Zeit kommt Kurt aus dem hinteren Raum, in dem die Diskussion stattfand. Iris und Marion schmunzeln aufgrund der grotesk anmutenden Situation. Sie drehen sich weg, um nicht erkannt zu werden, beobachten aber aus den Augenwinkeln die Begegnung ihrer beiden Lehrer.

„Herr Nollendorf, welch ein Zufall.“ Lisa geht auf Kurt zu. Der scheint jedoch in Gedanken ganz woanders zu sein und läuft beinah an Lisa vorbei. Schließlich bemerkt er sie doch.

„Fräulein Hollstein! Sie hier?“

„Was wundert Sie daran?“

„Was? Ach nichts“, antwortet er immer noch etwas verwirrt. Plötzlich greift er ihren Arm und zieht sie zu einem freien Tisch. „Ich muss unbedingt mit Ihnen reden. Setzen Sie sich doch bitte.“

Lisa setzt sich und blickt ihn erwartungsvoll an.

„Die Kunst …“, beginnt er. „Meinen Sie nicht auch, dass Kunst und Realität nicht deckungsgleich sind? Künstler können so viel ausdrücken und thematisieren. Das muss doch nicht zwangsläufig ein gegenständliches Abbild sein.“

„Das fragen Sie mich, obwohl ich nicht mehr male und früher nur Landschaften – fast nur Landschaften?“

„Ich weiß nicht, ich bin mir plötzlich nicht mehr sicher, ob wir richtig liegen.“

„Das Gegenständliche hat doch längst seine Entsprechung in der Fotografie oder im Film. Da kann sich die Kunst doch anderen Aufgaben widmen. Obwohl ich mich damit schwer tue.“

„Da haben Sie Recht. Aber wir sollten das Gegenständliche dennoch nicht ignorieren.“

„Woher dieses plötzliche Umdenken?“

„Wir, der Künstlerkreis, hatten eine Diskussion. Es ging eigentlich darum, ob es richtig ist, sich den Formen und Farben zu widmen, solange gesellschaftliche Themen wie z.B. die Wiedervereinigung nicht gelöst sind.“

Lisa lächelt plötzlich.

„Ja?“, fragt er hoffnungsvoll.

„Ihr Problem ist das Ausschließliche. Vielleicht ein Problem der Männer: Entweder – oder. Warum geht nicht beides? Sie bilden Fronten und eine Seite soll die richtige sein.“

„Warum nicht beides? Ach Sie kennen den Kunstbetrieb nicht. Wir können nicht sagen, dass alles geht.“

„Warum nicht? Es gibt Käufer, die das Abstrakte lieben und andere, die lieber eine Kollwitz kaufen.“

Kurt mustert Lisa eindringlich. Er hat sie unterschätzt – die Landschafterin. Sie kennt sich zwar nicht aus, aber kann ein Problem lösen bzw. feststellen, dass es eigentlich keines ist.

Die Mädchen zahlen und stehen auf. Lisa bemerkt sie und winkt ihnen zu.

„Das ist die Iris aus meiner Klasse. Die andere kenne ich nicht.“

„Sie ist die Neue, Marion.“

„Marion? Sie scheint sich angefreundet zu haben.“

„Iris ist eine nette Schülerin, keine falsche Wahl. Wenn es doch nur so einfach wäre.“

„Was meinen Sie?“

„Wenn die Künstler das Nebeneinander verschiedener Richtungen und Auffassungen tolerieren würden. Es gibt richtige Grabenkämpfe. An der Akademie z.B. wettert ein konservativer Professor unermüdlich gegen den Verlust der Werte. Einige Studenten folgen ihm blindlings, weil sie um ihre klassische Karriere fürchten, andere drohen mit Boykott, wenn keine neuen Lehrstoffe unterrichtet werden.“

„Und der Leiter, ihr Onkel, Professor Nollendorf?“

„Er ist eigentlich ziemlich aufgeschlossen, aber gegen die herrschende Sturheit lässt sich schwerlich etwas ausrichten. Sie müssten ihn mal kennen lernen.“

„Warum nicht?“

„Nächste Woche wäre eine Gelegenheit, da …“

„Was ist nächste Woche?“

„Ich werde Ihnen Bescheid geben. Aber jetzt muss ich mal schauen, ob sich meine Kollegen wieder beruhigt haben. “

„Noch eine Frage, Herr Nollendorf.“

„Ja?“

„Was sind Sie eigentlich? Lehrer, Galerist oder Künstler?“

„Mit ihren Worten, Frau Kollegin. Muss sich das ausschließen?“

„Geschenkt!“

Kurt verabschiedet sich und Lisa blickt ihm amüsiert hinterher. Ein interessanter Kerl, denkt sie. Einer, wie er ihr noch nicht begegnet ist. Gebildet, unterhaltsam, bzw. mitteilsam und das Herz am rechten Fleck. So ein Quatsch! Was denkt sie da? Sie hat die Hefte der Schülerinnen dabei. Die Rolle der Frau im Beruf. Was hat sie da für eine Klasse? Sie ist gespannt. Das erste Heft.

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