Читать книгу Immer Ärger mit den Dämonen! Gruselroman Großband 3 Romane 9/2021 - Hendrik M. Bekker - Страница 11

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Am frühen Nachmittag erreichten sie Gent. Das Lager des Museums lag etwas außerhalb in einem Betonklotz aus den siebziger Jahren. Unten an der Rezeption saß niemand, nur eine Klingel war dort. Als Joe schellte, erschien aus einem der Büros am Flur eine junge Frau. Ihr Dutt löste sich zusehends auf, während sie auf sie zueilte. Dabei sagte sie etwas auf Niederländisch, das Joe nicht verstand.

„Sprechen Sie Englisch, Frau ...?“, fragte er selbst auf Englisch. Die Rezepzionistin hielt inne.

„Frau Burtaal“, erwiderte sie ebenfalls in einem perfekten Englisch. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Wir sind hier wegen des Todes von Jacques LaCroix“, erklärte Valera. Frau Burtaal sah von einer zum anderen.

„Ach, Sie sind von der Polizei? Wieso sprechen Sie dann nur Englisch?“

„Nicht Ihre Polizei“, sagte Joe ruhig. Valera hielt ihren Personalausweis hoch und machte eine kleine Bewegung mit der Hand: kein starker Zauber, nur ein leichter Verwechslungsspruch. Die Frau sah nun nicht den Personalausweis, sondern einen Dienstausweis von Interpol – jedenfalls so, wie sie ihn sich vorstellte. Valera mochte diesen Zauber, denn er ließ die Leute glauben etwas zu sehen, ohne dass sie groß nachhelfen musste. Wenn die Leute nicht wussten, wie etwas aussah, machte das nichts. Sie sahen sowieso das, was sie wollten.

„Ach, Interpol. Wieso denn das?“, fragte sie überrascht.

„Ich würde das ungern jetzt ausführen und muss Sie bitten, Stillschweigen zu bewahren, Frau Burtaal“, erklärte Joe ruhig. „Wir befinden uns mitten in Ermittlungen, wenn Sie verstehen. Ich kann dazu keine Aussagen machen.“

„Selbstverständlich“, erwiderte Frau Burtaal und ihre Stimme war nun beinahe ein verschwörerisches Flüstern.

„Zeigen Sie uns, wo LaCroix gefunden wurde?“

„Sicher“, sagte sie und schluckte. „Aber es wurde noch nicht endgültig aufgeräumt. Da kommt noch ein ... Tatortreiniger, heißt es.“

„Natürlich.“

Die Empfangsdame führte sie durch einige Gänge hin und her, bis sie schlussendlich in einem kühlen Raum voller Regale standen. Der Raum hatte keine Fenster, nur Neonröhren beleuchteten ihn. Was auch immer in den Regalen war, alles war in kleine unscheinbare Pappkartons verpackt und mit akkurater Handschrift versehen. Neuere Kartons hatten aufgeklebte Beschriftungen, die maschinengeschrieben waren.

Joe nickte Valera zu. „Du siehst dich hier um, während ich mit Frau Burtaal rede?“

Sie nickte.

Während Joe hinausging, sah sich Valera ein wenig um. Es war kühl in dem Raum. Ihr dunkles Top wärmte sie hier nicht ausreichend. Draußen war es erheblich wärmer gewesen. Sie rieb sich die kalten Arme.

Der Boden war dunkelrot vom getrockneten Blut. Ein unangenehmer Geruch hing in der Luft. Hier und dort waren Markierungen von den Spurensicherungsleuten zu erkennen. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf die magischen Energien um sie herum.

Was war geschehen?, fragte sie sich. Sie spürte Fetzen von Magie wie einen schwachen Duft in der Luft. Sie hingen an unterschiedlichen Gegenständen, doch keiner war besonders auffällig. Aber sie spürte, dass hier jemand gewaltsam gestorben war. Mit magischen Wellen verhielt es sich ähnlich wie mit einem Stein, den man ins stille Wasser wirft: Es wurden Wellen erzeugt, die alles durcheinanderbrachten.

Sie seufzte und öffnete die Augen. So kam sie nicht weiter. Wenn es einen magischen Gegenstand gab, mit dem das alles zusammenhing, war er weg.

Sie trat vor die Tür des Raums, wo sich Joe gerade schildern ließ, was Frau Burtaal wusste.

„Na ja, und abends war er dann immer noch eingestempelt. Also, wir haben unten so eine elektronisches System. Da ist so ein Kasten an der Wand, du hast als Mitarbeiter eine Karte. Man zieht die Karte drüber, wenn wir kommen und gehen. Also wollte ich mal nachschauen. Der Letzte macht hier halt das Licht aus“, sagte sie gerade. „Und dann ... fand ich ihn.“

„Das war sicher ein Schock“, stellte Valera fest. Frau Burtaal verschränkte die Arme.

„Hmm“, nickte sie und schniefte einmal leicht. „So gut kannte ich ihn nicht, aber ... Gott, das sah aus wie beim Schlachtfest!“

„Dann haben Sie die Polizei alarmiert?“

„Genau.“

Valera musterte die Frau . „Sagen Sie, fehlte etwas?“

„Bitte?“

„Nun, wurde etwas gestohlen?“

Die junge Frau nickte langsam. „Ja. Wir haben das auch schon gemeldet. So wie es aussieht, wurde eine Lampe gestohlen, aus Persien, mehr als achthundert Jahre alt. Lampe meint natürlich eine Öllampe, also mehr wie eine kleine Kanne.“

„Wären Sie so freundlich, uns ein Bild davon zu zeigen?“

„Natürlich.“ Sie hielt kurz inne. „Sollten Sie das nicht von der Polizei hier vor Ort bekommen?“

„Sicher“, sagte Valera und Joe bemerkte die leichte Handbewegung, die sie ausführte, um ihren Worten mit Magie mehr Nachdruck zu verleihen. „Aber Sie kennen das doch. Da geht es um Zuständigkeiten, und bis man da mal was weitergeleitet bekommt.“

„Sicher, sicher“, nickte Frau Burtaal. Sie verschwand in einem Büro. Ein Drucker erwachte knirschend zum Leben.

„Ich denke, was immer es auch war - es ist weg“, erklärte Valera leise an Joe gewandt. „Ich spüre, dass dort jemand gewaltsam getötet wurde. Magie war im Spiel.“

„Hilft uns das?“, fragte er ernst. „Ich hatte gehofft, du findest eine Spur.“

„Ich befürchte“, erwiderte sie und zwinkerte ihm zu, „dass du hier gute alte Ermittlerarbeit leisten musst.“

Er seufzte. In diesem Augenblick erschien die Sekretärin Frau Burtaal erneut mit einem DIN-A4-Ausdruck.

„Hier, die fehlte. Bisher ist sie nirgendwo aufgetaucht. Der Mörder muss sie mitgenommen haben.“ Auf dem Foto war eine Öllampe zu sehen, die reichlich mit verschlungenen Zeichen verziert war.

„Eine Wunderlampe?“, fragte Joe und Valera warf ihm einen warnenden Blick zu. Frau Burtaal sah ihn irritiert an.

„Nein“, sagte sie. „Das ist eine Öllampe.“

„Sie sieht schon etwas nach Aladin aus“, erklärte Joe und Valera verdrehte die Augen leicht.

„Ja, na ja. Etwas“, stimmte die Forscherin zu. „Sie gehört zum Nachlass von Fritz von Smedeke. Er hat seinen Lebensabend in Gent verbracht, weil er hier Verwandtschaft hatte. Sein Enkel hat sie dem Museum vermacht. Der Großvater, also Fritz von Smedeke, hatte sie erworben, als er für die preußische Armee in der Osttürkei unterwegs war.“

„Danke. Wie wertvoll, denken Sie, ist sie?“, fragte Joe und nahm das Bild.

„Sehr“, erklärte Frau Burtaal, die Sekretärin. „Das ist ein sehr schönes Stück, da denke ich an fünf- oder sogar sechsstellige Beträge – je nachdem, ob man noch zum historischen Wert einen Liebhaberwert addiert.“ Sie beugte sich vor. „Wissen Sie ... Sie sind nicht von hier, oder?“

„Nein“, erwiderte Joe ruhig. „Wieso?“

„Na ja, es gibt da so Gemunkel.“

„Aha. Was für ein Gemunkel? Manchmal weiß man erst hinterher, was sich als hilfreich herausstellt, wissen Sie?“, erwiderte Valera verschwörerisch und senkte ebenfalls vertraulich die Stimme.

Die andere Frau spielte mit einer verirrten Haarsträhne. „Na ja“, sagte sie gedehnt. „Also, es gab einige Sachbeschädigungen in der Stadt. Erst vor Kurzem. Seit ...“

„Seit?“

„Na ja, also mit dem Diebstahl und den Sachbeschädigungen sind da so Zigeuner angekommen. ‚Blidakutz‘ heißen die. Sie haben ein Zirkuszelt am Rand der Stadt und gastieren hier seit einer Woche.“

„Und der Zusammenhang ist ...?“, fragte Joe ehrlich verwirrt. Sie senkte den Blick.

„Na ja, also sicher sind nicht alle Zigeuner Diebe! Oder Sinti, egal. Jedenfalls passt es zeitlich zusammen. Da heißt es auch, dass ein Penner verschwunden ist. Vielleicht haben sie den weggeschafft? Ich meine, die sind in ein paar Wochen weg und dann kann man das nie wieder aufklären. Meine Tante sagte immer, denen kann man nicht trauen.“

„Hmm“, brummte Joe. 'Was für eine seriöse Quelle, Ihre Tante ...', fügte er in Gedanken verächtlich hinzu. Er hatte keine Lust, sich das weiter anzuhören.

„Gut, danke für den Hinweis“, sagte er. Er warf Valera einen Blick zu. „Hast du noch was?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. Sie verabschiedeten sich und gingen zurück zu ihrem Wagen. Im Range Rover sah sich Valera noch einmal das Bild der Öllampe an.

„Sagt dir das was?“, fragte Joe.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich mach ein Foto und schick es dem Orden. Vielleicht findet ja da einer was heraus.“

„Tu das“, erwiderte Joe und blickte nachdenklich aus dem Fenster. „Meinst du, wir sollten da mal vorbeisehen?“

„Wo?“

„Bei den Zigeunern.“

„Sagt man nicht, Sinti oder Roma heißt das nun?“, fragte Valera und schüttelte in gespieltem Ernst den Kopf.

„Von mir aus. Aber wir könnten da mal hin.“

„Wieso? Ich denke nicht, dass sie die Lampe gestohlen haben.“

„Darum geht es nicht. Soweit ich das verstanden habe, haben sie mit dem Verschwinden der Penner zu tun. Oder darf ich das auch nicht mehr sagen? Sind das jetzt Urban Sleeper?“, fragte Joe und Valera lächelte.

„Na ja“, räumte sie ein. „Wir können ja mal vorbeifahren.“

„Vielleicht gibt es ja doch jemanden, der magisch begabt ist. Du weißt, manchmal ist jemand nicht ausgebildet. Er zaubert dann unbeabsichtigt. Wenn jemand zaubern kann, kann er auch Verwünschungen aussprechen. Leichte Zauber ...“, erklärte Joe.

Valera nickte, war aber eindeutig nicht überzeugt. Sie zog ihr Top zurecht. „Ist so ein Bauchgefühl, was?“, erwiderte sie.

Joe startete den Wagen. „Vertrau ich immer drauf“, erklärte er. „Hab dich dadurch gefunden.“

Eine kurze Abfrage im Netz half ihnen, einen Zeitungsartikel zu finden. Dieser berichtete von den Zigeunern, die ihr Lager am Rand der Stadt auf einer alten Industriebrache bezogen hatten.

„Sieh an, ich hab die besagten Zigeuner gefunden“, sagte Valera bei ihrer Netzrecherche, während Joe den Wagen fuhr. „Zudem ist es doch richtig, also Zigeuner zu sagen ist richtig.“

„Bitte?“

„Na, hier steht auch ein kleines Interview mit dem Leiter der Schausteller-Truppe, Joseph Blidakutz. Der erklärt, er wäre kein Sinti und kein Roma. Es gäbe noch mehr Zigeunergruppen und zudem gäbe es das Verbot, mit Außenstehenden über ihre Sprache zu kommunizieren. Zigeuner wäre kein Wort ihrer Sprache, Sinti schon.“

„Ach“, brummte Joe. „Wieder was gelernt. Gut, lots mich da mal hin.“

Sie erreichten die Industriebrache, die weiträumig abgesperrt war. Hunderte Wagen standen dort und gaben dem Ganzen etwas von einem unerlaubten Campingplatz. Hier und dort standen schwere Lkws neben Bauwagen und ganz normalen Campingwagen. Ein umgebauter Gelenkbus war ebenfalls dort, genauso wie ein alter T2 Transporter von VW.

„Das ist mal eine Flotte. Sicher hundert Leute leben hier“, flüsterte Valera. Sie stellten den Wagen am Rand des Lagers ab und stiegen aus.

„Denkst du, wir haben es mit einem Therianthropiekranken zu tun?“, fragte Joe nachdenklich.

„Einem was?“

„Einem Menschen, der sich in ein Mischwesen verwandeln kann.“

„Ach so“, sagte sie und zuckte die Schultern. „Ich glaube nicht. Meist kommt sowas durch Infektionen, wie bei Werwölfen, oder durch Geburt, wie bei den Kretorka. Ich denke nicht, dass es so war. Sowas ist nicht ... magisch. Verstehst du?“

„Nicht ganz“, gab Joe zu.

„Na ja, es ist eine andere Form von Magie, als ich dort festgestellt habe“, erklärte Valera, während sie auf das Lager zugingen.

„Okay“, bestätigte Joe und kratzte sich am Bart.

Sie näherten sich dem Lager, als ein junger Mann auf sie zukam.

„Das ist Privatgelände“, erklärte er in gebrochenem Französisch. Joe konnte es gut genug, um zu verstehen. „Wenn Sie zur Show wollen, müssen Sie der Beschilderung folgen. Da sind mehrere Felder, die als Parkplatz dienen. Es beginnt erst in zwei Stunden.“ Er trug ein helles Hemd und eine schwarze Weste zu einer Schlaghose. Der Mann war breit gebaut und hatte eine tönende Stimme, die befehlsgewohnt klang.

„Joe Gemmer“, stellte sich Joe vor. „Wir sind nicht wegen der Show hier, Herr ...?“

Er sprach Englisch und der Mann erwiderte ebenfalls auf Englisch: „Joseph Blidakutz, mir gehört das alles hier. Was wollen Sie denn hier, wenn nicht zur Show?“

„Wir sind im Rahmen von Ermittlungen hier ...“, setzte Valera vorsichtig an, doch Joseph fuhr ihr dazwischen.

„Ja, natürlich! Sie verlieren einen Penner und die Zigeuner haben ihn gefressen, was? Ich hab’s Ihrem Kollegen von der Straßenpolizei schon gesagt und ich sag’s Ihnen nochmal: Wir waren es nicht! Wir haben keine Ahnung, was mit den Pennern passiert ist!“

Er wurde rot, während er sprach, er schien sehr erregt.

Joe hob beschwichtigend die Hände. „Hören Sie, wir wollen Ihnen wirklich nichts am Zeug flicken“, erklärte er. „Wir untersuchen ein paar seltsame Vorgänge hier in der Gegend. Mehr nicht.“

„Ja, seltsame Vorgänge, so nennen Sie das!“

„Ich ...“, setzte Joe noch einmal an, doch Joseph Blidakutz unterbrach ihn.

„Verlassen Sie bitte das Gelände“, sagte das Zigeuneroberhaupt nun gefährlich ruhig. „Wir haben das Hausrecht und ich mache davon Gebrauch. Haben Sie das verstanden?“ Er knackte bedrohlich mit den Fingerknöcheln.

Joe warf Valera einen Blick zu. Der war eindeutig: Gehen wir!

Joe zog eine Karte, auf der seine Handynummer stand, und gab sie Joseph.

„Rufen Sie an, wenn doch etwas Ungewöhnliches passiert. Man kann nie wissen.“

„Ja, und jetzt runter hier, aber zackig!“, knurrte Joseph und steckte die Karte achtlos in seine Westentasche.


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