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ОглавлениеGanz lässig ist Frau Heerten. Sie würdigt das Pelzkrägelchen, das in der Schlange an der Wursttheke steht, keines Blickes, schnappt sich eine Flasche Ei, ei, ei Verpoorten und stellt sich an die Kasse.
»Nein. Die Frau Heerten«, sagt eine Stimme hinter ihr. Mit ganz langem Ei: Neieiein. So ein Nein mit drei Eis ist ganz klar ein Ja. »Ja, die Frau Heerten«, sagt so ein Nein. Und schon wird Frau Heerten aus der Schlange gezogen, und die Neieiein-Frau drängt ihr ein Gespräch auf. Wie es ihr denn ginge und wie lange das denn nun schon wieder her sei, dass man sich gesehen habe, und nein, wie nett, dass man sich jetzt bei Fiedler … »Und wie geht es denn der kleinen Karin?«
»Die kleine Karin hat zwei Kinder und wohnt in Hamburg«, sagt Frau Heerten und überlegt fieberhaft, woher sie diese Vielschwätzerin eigentlich kennt. »Erinnern Sie sich noch an den Schuppi?«, fragt sie schließlich auf gut Glück.
»Klar«, sagt Frau Vielschwätzer, »das war doch der, der die Lehrer immer zur Weißglut gebracht hat. Hat sich im Klassenschrank versteckt und Faxen gemacht. Als er dann größer war, hat er es manchen Lehrern richtig schwergemacht, wenn sie sich auf Diskussionen mit ihm einließen. Nee, blöd war der nicht, aber schwierig. Immer die Unterschrift der Eltern gefälscht. Einmal hat er mit vier Kreuzen unterschrieben. ›Wieso vier?‹, hat der Lehrer gefragt. Das erste stehe für ›Doktor‹, hat er gesagt. Nein, was war der ulkig. Hat ja gleich bei uns nebenan gewohnt.«
»Wissen Sie noch, wie der in Wirklichkeit hieß?«, fragt Frau Heerten.
Oha, gefährlich, einen Vielschwätzer etwas zu fragen. Sollte man nie tun. Das tritt eine Lawine los, du glaubst es nicht. Aber wenn man die vergammelte Identität eines Rabauken bei sich zu Hause auf dem Küchentisch liegen hat, ist das irgendwie verständlich.
Als Frau Vielschwätzer endlich leer geschwätzt ist, weiß Frau Heerten, dass Schuppi in echt Schupritschinski heißt, mal ganz groß als Fußballer rauskommen wollte, aber natürlich alles verkackt hat und dann als Arbeitsloser die schöne Wohnung am Amrumring hat aufgeben müssen, wo die Eltern doch alles für ihn getan hätten und ihm sogar die schöne Wohnung überlassen haben, als sie nach Düsseldorf gezogen sind. »War ja damals ganz narrisch nach der Karin, der Junge. Aber die wollte ihn natürlich nicht. Und dann wieder doch. Ein ewiges Hin und Her. Ist ja klar, ein Mädel wie Ihre Karin, die konnte was Besseres kriegen. Wie geht es denn der kleinen Karin?«
»Die kleine Karin hat zwei Kinder und wohnt in Hamburg«, sagt Frau Heerten und fügt hinzu: »Leider! Ich muss auch mal wieder …« Doch dann fällt ihr noch was ein. »Wo hat er denn damals Fußball gespielt, der Schuppi?«, fragt sie und tritt die nächste Lawine los.
Nach einer weiteren Viertelstunde weiß sie zum zweiten Mal, dass Schuppi als Arbeitsloser seine schöne Wohnung am Amrumring hat aufgeben müssen, wo doch seine Eltern nur das Beste für ihn gewollt hatten, aber sie erfährt immerhin auch, dass er meist am Nordmarksportfeld gebolzt hat, um ihre Karin zu vergessen. »Wie geht es ihr eigentlich, der kleinen Karin?«
»Die kleine Karin lebt mit Schuppi in Hamburg«, sagt Frau Heerten und geht.