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Hummeln im Hintern heißt das, glaub ich.

Ich bin natürlich weit davon entfernt, von einer Dame wie Frau Heerten zu behaupten, sie habe Hummeln im Hintern. Aber irgendwie ist sie ein bisschen … sagen wir mal, aufgedreht. Auf dem Küchentisch die Überreste eines Verblichenen der Tochter, in der Nachbarschaft ein Jürgen mit entfernter Gattin und im Wohnzimmer eine trotz Kinderbesuch weitgehend unversehrte Chaiselongue, so was kann eine Frau schon mal in Erregung versetzen.

Und was machen erregte Frauen? Richtig. Entweder fallen sie über den herren- beziehungsweise gattinnenlosen Nachbarn her, oder sie versuchen, sich abzulenken.

Frau Heerten gehört zur Sorte der Ablenker und macht erst mal das, was alle Frauen machen, um sich abzulenken: Sie putzt. Zieht das Schlafzimmer auf links, schrubbt den ohnehin blütenreinen Küchenfußboden und räumt endlich mal den Keller auf. Aber so ist das bei alleinstehenden Frauen in kleinen Reihenhäuslein, denen die dreckmachenden Angehörigen nach und nach abhandengekommen sind – frau ist schnell durch.

Da fällt ihr der Sperrsitz aus Schuppis Portemonnaie wieder ein. Genau! Kino. Das wäre eine gute Ablenkung. Sie geht in die Küche, wo die »Kieler Nachrichten« ungelesen ihrer Entsorgung ins Altpapier harren. Der Blick in die Rubrik »Was machen wir heute?« überzeugt sie allerdings davon, dass kinotechnisch für sie kaum was dabei ist. »Fack ju Göhte« scheidet von vornherein aus. Sie kann zu wenig Englisch. »Ziemlich beste Freunde« auch. Ein Mann im Rollstuhl lässt ungute Zukunftsvisionen in ihr aufsteigen. Weshalb turnt sie schließlich jeden Tag mit Staubwedel durch die Wohnung? Damit sie eben nicht an Rollstühle denken muss, in denen sie ohne das Geturne vielleicht eines Tages sitzen würde. »Drachenzähmen leicht gemacht« heißt ein anderer Film. Späteste Vorstellung siebzehn Uhr, also ein Kinderfilm. Hätte man sich bei dem Titel eigentlich denken können.

Frau Heerten sieht zur Uhr. Das wird heute nichts mehr werden. Außerdem ist sie für Kinderfilme nun doch schon ein bisschen zu alt. Für solch einen Besuch müsste sie ihre Enkelkinder an die Hand nehmen, sonst lässt man sie vielleicht gar nicht rein. Ein bisschen wie im Fahrstuhl, Kinder nur in Begleitung Erwachsener, nur eben andersrum: Altertümer nur in Begleitung von Hosenscheißern. Na, was soll’s? Um in ihrer Begleitung in einen Kinderfilm zu dürfen, dazu sind Mainzelmännchen und Wum nun doch noch zu klein. Außerdem sind sie in Hamburg, und Karin würde ihr ohnehin was husten.

Mia und Felix wären groß genug.

Dieser Gedanke huscht durch Frau Heertens Gehirn. Nur ganz flüchtig, gar kein richtiger Gedanke, mehr so ein Gedänkchen, ist auch gleich wieder um die Ecke, ditscht nur von innen ganz leicht an die Stirn, wird von dort zurückgeworfen und nimmt Fahrt auf. Mia und Felix wären groß genug. Sie könnten an der Hand ihrer Adoptiv-Großmutter zum Drachenzähmen gehen. Natürlich müssten die Eltern zustimmen. In diesem Fall Singular, also nur ein Elter. Ein Mann namens Jürgen.

Ich lasse es lieber, dir den Tanz zu schildern, den die Hummeln in Frau Heertens Allerwertestem aufführen. Aber da ist was los, sage ich dir.

Abrupt reißt sie sich von der Zeitung los, geht zum Kühlschrank und dreht die Temperatur auf null. Ablenker tun so was. Die tauen lieber den Kühlschrank ab und misten das Gefrierfach aus, als sich dummen Gedanken auszusetzen. Aber es geschieht, was immer geschieht: Erst denkt man, es dauert Stunden, wenn nicht Tage, bis der Kühlschrank auch inwendig glänzt wie ein frisch eingecremter Kinderpopo. Doch irgendwann ist auch diese arbeitsame Arbeit getan.

Was nun? Frau Heerten legt die Hände in den Schoß. Und nimmt sie wieder heraus. Rückt das Väschen auf dem Küchentisch zurecht. Was es wohl im Fernsehen gibt? Sie greift zur Lesebrille und zum Zettel: »MAUNZI, WO …« Nein, das ist nicht die Fernsehzeitung. Sie geht ins Wohnzimmer und schaltet die Glotze an. Was gibt es wohl nach den Nachrichten? Zurück in der Küche, wirft sie erneut einen Blick auf den Maunzi-Zettel, was die Hummeln wieder starten lässt. Vielleicht sollte sie …

Nein, tu es nicht!

Doch. Sie tut’s.

Nimmt den »MAUNZI, WO BIST DU?«-Zettel der Kinder, geht ins Wohnzimmer, wählt die Telefonnummer von Jürgen und horcht auf das Tut-tut-tut.

Kieler Bagaluten

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