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Der Elefant und die drei Wünsche

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Ich hätte meine Kolumne längst abgeben müssen. Trotzdem starrte ich seit einer Stunde auf das leere Dokument in meinem Laptop und grübelte über dies und das. Deshalb störte es mich auch nicht, als plötzlich der kleine goldfarbene Elefant aus Messing, den ich von einer Indienreise mitgebracht hatte und der seither seinen festen Platz auf meinem Schreibtisch hatte, anfing, mit mir zu sprechen: »Du tust mir leid. Ein wirklich erbärmliches Dasein, das du hier fristest. Ungekämmtes Haar, Schlafanzug, blasses Gesicht. Kein Wunder, dass du Single bist! Aus Mitleid erfülle ich dir drei Wünsche.«

Ich erschrak. War es wirklich so offensichtlich, dass ich mich diese Woche ein bisschen hatte gehen lassen? Unangenehm. »Das ist wegen meiner Trennung, die hat mich ein bisschen runtergezogen«, entgegnete ich schwach und versuchte, mich zu rechtfertigen: »Sonst bin ich überhaupt nicht so.«

Der Elefant hob seinen Rüssel, als wollte er mich aufmuntern. »Drei Wünsche, Süße. Schieß los. Ich hab nicht ewig Zeit.«

Ich überlegte kurz. Hatte ich abgelaufene Milch getrunken? Hatte mir jemand halluzinogene Pilze in den Kaffee gemixt? Ach, egal. So eine Chance bekam man schließlich nicht alle Tage. »Ich wünsche mir, dass du meinen Artikel fertig schreibst. Und am besten auch das ganze Buch, an dem ich gerade arbeite.«

Der Elefant stieß ein spöttisches »Torööö« aus. »Dann wärst du aber arbeitslos und hättest gar keine Aufgaben mehr. Was bleibt dir denn dann noch?«

Ich seufzte. Auch wieder wahr. »Aber der Druck wäre weg und ich könnte in Ruhe netflixen oder ein Bad nehmen.«

»Früher oder später käme ein neuer Auftrag«, entgegnete der Elefant. »Und Binge-Watching macht dumm.«

Das sah ich sogar ein. Prokrastination war sonst überhaupt nicht mein Ding. Aber heute, da fühlte ich mich einfach antriebslos. »Dann wünsche ich mir, dass ich nächste Woche nicht allein auf diese blöde Hochzeit gehen muss.«

Der Elefant kam ein paar Schritte näher. »Wieso wäre das eine Erleichterung?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Die fragen mich da bestimmt alle über meinem Ex-Freund aus. Und ich komme mir vor wie die allerletzte Loserin.«

»Sorry, ich bin kein Therapeut. Also, machen wir’s kurz: ICH werde kommenden Samstag mit dir auf diese Hochzeit gehen. Einen Rat möchte ich dir vorher aber noch geben: Die vermeintlichen Insignien eines gelungenen Erwachsenenlebens sind keineswegs zu verwechseln mit geistiger Reife, einem gefestigten Selbstwertgefühl, Intelligenz und Erfolg. Verstehst du, was ich dir sagen will? Du kennst die Beweggründe der anderen Menschen nicht. Vielleicht wollen sie sich selbst etwas beweisen, etwas darstellen, was sie gar nicht sind, oder einfach nur einen Haken auf ihrer Liste machen. Das alles sagt wenig bis rein gar nichts über die Qualität ihrer Beziehung aus. Du weißt nämlich nicht, was hinter verschlossenen Türen vor sich geht.«

Ich dachte schmunzelnd an die irre Scheidungsschlacht zwischen Johnny Depp und Amber Heard, in der es um Kokain, Kloppereien und Kot im Ehebett gegangen war. Jedes noch so kleine entwürdigende Detail ihrer kaputten Ehe wurde 2020 vor Gericht ausgebreitet. Dabei hatte alle Welt stets angenommen, dass es sich bei diesem Couple um eins der heißesten handelte, das Hollywood je gesehen hatte. Allerdings war das genaue Gegenteil der Fall gewesen: Bei einem Streit soll Heard zwei Wodkaflaschen nach ihrem Gatten geworfen und ihm dabei eine Fingerkuppe abgetrennt haben. Depp wiederum soll gedroht haben, ihren Hund in die Mikrowelle zu stecken. Und an ihrem 30. Geburtstag soll sie vor lauter Wut darüber, dass er zu spät zur Party erschien, ein Häufchen ins gemeinsame Ehebett gemacht haben. Noch Fragen?

Der Elefant stampfte ungeduldig mit seinem rechten Vorderfuß auf. »Hallo, Erde an Henriette. Dein zweiter Wunsch?«

Ich räusperte mich. »Kannst du mir meinen Traummann herbeizaubern, der auch unsterblich in mich verliebt ist?«

Daraufhin bekam ich erneut ein verächtliches Schnaufen zu hören. »Klar kann ich das, aber möchtest du wirklich mit einem Mann zusammen sein, den ich dir auf dem Silbertablett serviere? Das kannst du doch genauso gut selbst regeln. Bist ja schließlich ein heißer Feger.«

So langsam fing das Rüsseltier an, mir auf den Senkel zu gehen.

»Ich würde gerne mal auf dir um die Alster reiten.«

»Wie peinlich.«

»Für wen?«

»Uns beide. Ich bin doch kein Zirkustier!«

»Dann wünsche ich mir eben, dass du mich auf der Stelle nach Hawaii beamst.«

Der Elefant kräuselte seinen kleinen Rüssel und schüttelte die Schlappohren. »Deine Kolumne schreibt sich am anderen Ende der Welt auch nicht schneller.«

»Aber vielleicht lerne ich einen interessanten Mann kennen!«

»Das mit Sicherheit. Den Cop, der dich festnimmt, weil du keine ESTA-Reisegenehmigung hast.«

»Oh Mann. Dann halt nicht. Ich muss jetzt auch weiterarbeiten. Nach Hawaii komme ich zur Not auch ohne dich.«

»Na bitte!«, freute sich der Elefant. »Und genauso liegt auch die Erfüllung all deiner weiteren Wünsche ganz allein in deinen eigenen Händen.«

Nun war ich doch beeindruckt. Der Elefant verstand sein Handwerk. »Danke schön«, flüsterte ich und widmete mich wieder meiner Arbeit.

Ihr könnt mich mal so nehmen, wie ich bin

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