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Die Hintergründe der Fälschungen

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Im Dezember 1960 schrieb der als freier Kunsthändler und Vermittler in Italien tätige Kenner und Kunstliebhaber Harold W. Parsons einen Brief an die amerikanische Presse, in dem er darlegte, warum die Stücke falsch sein mussten. Er hatte unter anderem den oben erwähnten fehlenden Daumen des Großen Kriegers im Hause Fioravantis in Rom gesehen, was dafür sprach, dass zwischen diesem und der Figur – entgegen den fruchtlosen Nachforschungen Richters – doch ein Zusammenhang bestand.

Am 5. Januar 1961 wurde Fioravanti zum amerikanischen Konsul in Rom gebracht, wo er ein Geständnis unterschrieb und als Beweis seiner Autorschaft den fehlenden Daumen des Großen Kriegers präsentierte, den er als Souvenir behalten hatte. Von Bothmer wurde daraufhin im Februar 1961 von seinem Museum mit einem Abguss der Hand der Figur nach Rom geschickt, wo er feststellen musste, dass der abgebrochene Daumen in die entsprechende Fehlstelle der Hand passte. Von Bothmer warf zwar zu Recht noch ein, der Daumen könne ja eventuell echt und alt sein und Fioravanti ihn bei der Entdeckung der Figur lediglich heimlich entwendet haben – allerdings erzählte ihm Fioravanti daraufhin nicht nur detailliert, wie die Stücke hergestellt worden waren, sondern berichtete auch die Hintergründe.

Die Gebrüder Pio und Alfonso Riccardi und drei ihrer insgesamt sechs Söhne waren Goldschmiede und Modelleure und hatten mit den Kunsthändlern Domenico Fuschini und Pietro Stettiner zusammengearbeitet, die bei ihnen immer wieder zunächst gefälschte Scherben antiker Keramik und dann gleich ganze Gefäße bestellten, um sie zu verkaufen. Als sie sahen, wie lukrativ das Ganze war, beschlossen sie, anspruchsvollere Objekte zu fälschen.

Ansporn und Inspiration bezogen sie dabei aus der Nachricht, dass das British Museum 1871 einen großen etruskischen, farbig gefassten Terrakotta-Sarkophag gekauft hatte, der von Fuschini zum Verkauf angeboten worden war. Das Stück, nach seinem vermeintlichen Fundort getauft auf den Namen Cerveteri-Sarkophag, bewirkte eine Sensation und wurde als Schöpfung einer bislang unbekannten etruskischen Werkstatt aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert gefeiert. Was die Riccardis nicht wissen konnten, war, dass es sich hierbei um eine (erst im Januar 1936 enttarnte) Fälschung handelte, die Enrico Pennelli, ein im Louvre arbeitender italienischer „Restaurator“ und Modelleur, nach einem echten etruskischen Vorbild gearbeitet und zusammen mit seinem Bruder Pietro als Original lanciert hatte. Die Riccardis konzipierten ihre anvisierten Fälschungen daher als Schwesterwerke aus eben jener angeblichen etruskischen Werkstatt, die anscheinend auch schon den Sarkophag hergestellt hatte (daher lässt sich zwischen ihren Figuren und denen des Sarkophags auch eine gewisse Ähnlichkeit beobachten). Hier regte also eine Fälschung nicht nur eine andere Fälschung an, sondern inspirierte auch konkret deren Erscheinungsbild.

Der erste Versuch der Riccardis ging jedoch, sowohl hinsichtlich des Materials wie auch des Objektes, in eine völlig andere Richtung, denn sie schufen 1908 einen großen Bronzestreitwagen – wahrscheinlich ebenfalls angeregt durch ein konkretes Vorbild, den 1903 entdeckten etruskischen Streitwagen aus Monteleone (New York, Metropolitan Museum, spätes 6. Jh. v. Chr.). Fuschini meldeten den „Fund“ an das British Museum in London, wo man das angeblich in einem alten etruskischen Lager bei Orvieto gefundene Objekt 1912 ankaufte. Ein Vergleich zwischen dem 1903 entdeckten, originalen und dem von den Riccardis geschaffenen Streitwagen zeigt zwar, dass dieser von dem echten Pendant in Größe und Form vollkommen abweicht und eher wie ein römischer Streitwagen aussieht, doch dem Museum fielen diese Differenzen nicht auf.

Nach diesem ersten Erfolg starb Pio Riccardi überraschend, weshalb sein Bruder Alfonso sich mit dem Bildhauer Alfredo Fioravanti zusammentat; beide beschlossen, nun etwas in der Art des Cerveteri-Sarkophags herzustellen und lieferten daraufhin sukzessive die drei „etruskischen“ Krieger. Wie schon im Fall der Tiara des Saitaphernes geschehen, lieferten auch Riccardi und Fioravanti den Archäologen in Form der in den Fälschungen aufgegriffenen Vorbilder die Vergleichsobjekte, welche von den Experten dann willfährig als Bestandteile des historischen Referenzrahmens für die „etruskischen“ Statuen aufgegriffen und gedeutet wurden: etruskische Vasen, der Zeus von Dodona, „etruskische“ Sarkophage et cetera.

Allerdings hatten die beiden Fälscher relativ wenig Ahnung von etruskischer Kunst und deren Technik. Schon zuvor hatten sie eklatante Fehler gemacht, indem sie beispielsweise die Gefäße bereits vor dem Brennen zerbrochen hatten, was sich anschließend leicht feststellen ließ und natürlich verdächtig war, denn warum hätte ein antiker Töpfer ein beschädigtes Gefäß überhaupt noch in den Brennofen schieben sollen? Auch hatten die Etrusker den Ton stets so lange geknetet, bis er ganz fein und dünn wurde, während das Material von Riccardi und Fioravanti roh und dick blieb: Der zuerst gefundene kolossale Krieger geriet sogar zu schwer, um sein eigenes Gewicht zu tragen, da der Ton ihrer Skulpturen teilweise viermal so dick wie derjenige echter etruskischer Figuren war – hierauf hatte sich auch Cellinis oben zitierter Vergleich mit den dickwandigen Perroni-Bierflaschen bezogen.

Hinzu kamen weitere Indizien: In den echten Skulpturen lassen sich stets mehrere Löcher finden, an denen die heiße Luft beim Brennvorgang und Auskühlen austreten kann. Da die beiden Fälscher ihre Figuren jedoch stets vor dem Brennvorgang in einzelne Teile zerlegten, diese dann brannten und die Figur dann wieder zusammenmontierten, weisen ihre Skulpturen im besten Fall gerade einmal ein Loch auf. Auch dies fiel einem Experten wie Cellini negativ auf, der wusste, dass eine Skulptur bei den Etruskern erst als Ganzes modelliert und auch gebrannt wurde, während Riccardi und Fioravanti in Ermangelung eines Ofens, der groß genug für die Figuren war, zu dem Hilfsmittel der Zerstückelung gegriffen hatten. Das verleitete Cellini mit seiner Vorliebe für griffige Metaphern zu der Äußerung, von den Fälschern seien „statt des ganzen Ochsen Beefsteakes“ gebraten worden. Auch in Bezug auf die Fundstelle machten die beiden Fälscher Fehler, denn sie behaupteten, dass man am Fundort einer Figur noch deren Sockel sehen könne – etruskische Statuen haben jedoch keine Sockel, da sie stets in einem architektonischen Kontext, etwa auf einem Dach oder im Tympanon, Verwendung fanden.

Gelegentlich kam den Fälschern ihr eigenes Ungeschick sogar zu Hilfe. Als sie beispielsweise vorhatten, den Alten Krieger vollständig mit einem vor dem Körper gehaltenen Schild zu liefern, wurde der Arm mit dem Schild aufgrund der dicken Modellierung zu schwer, und sie konnten sich zudem über die genaue Armhaltung nicht einigen, sodass sie beschlossen, den rechten Arm ganz wegzulassen. Dadurch gewann die Statue letzten Endes nur an Glaubwürdigkeit, denn antike Skulpturen werden selten in vollständigem Erhaltungszustand gefunden.

Im Nachhinein erklärte sich aus den Aussagen Fioravantis auch die eine oder andere Merkwürdigkeit der Figuren. An dem Großen Krieger war schon Richter aufgefallen, dass der rechte Arm eigentlich zu groß und die Oberschenkel zu dick seien. Nun verstand man auch den Grund dafür. Erst während der Arbeit an der von unten nach oben aufmodellierten Statue hatten die Fälscher bemerkt, dass diese zu hoch für ihr Atelier geraten würde, weshalb die Figur ab der Hüfte eigentümlich gedrungen und mit einem viel zu großen Kopf und rechten Arm ausgeführt wurde. Letzteren hatte die Kuratorin Richter mit dem Hinweis entschuldigt, er sei von einem zu rekonstruierenden Schild verdeckt gewesen.

Aufgrund von Fioravantis Geständnis, das durch entsprechende Untersuchungen bestätigt wurde, publizierten von Bothmer und Noble 1961 in derselben Reihe der Metropolitan Museum of Art Papers, in der Richter und Binns 24 Jahre zuvor ihren Beitrag veröffentlicht hatten, eine Studie, in der die drei Statuen als Fälschungen ausgewiesen werden.

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