Читать книгу Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots - Herbert Huesmann - Страница 31
Le café de l’avenue calme und Hugos Wohnung – Hugos Abschied von „ihr“
ОглавлениеAls „sie“ und Hugo kurz vor ihrer Abreise nach Brasilien noch einmal im „café de l’avenue calme“ – ihrem üblichen Treffpunkt – zusammenkommen, sprechen sie zunächst über die „réunions du dimanche“ des Quartetts, die auf „ihre“ Anregung zurückgehen.1 Als Hugo „ihr“ gesteht, dass er nur „ihretwegen“ daran teilnehme,2 antwortet sie sinngemäß, dass dies für die anderen genauso gelte.3 Im Übrigen erklärt „sie“, dass „sie“ der „regards de biais“, konkret: der ihm, Hugo, geltenden Verdächtigungen ihres Mannes François, der amusierten Beobachterattitude ihres Bruders Vincent und seiner, Hugos, zur Verschleierung seiner Verliebtheit vorgetäuschten Kälte überdrüssig geworden sei und die sonntägliche Veranstaltung, die es nicht länger geben werde, für reine Heuchelei halte.4 Nicht ein einziges Mal habe „sie“ den Eindruck gehabt, dass er in „sie“ verliebt gewesen sei, nie habe er mit „ihr“ aufbrechen (partir) wollen und sich für „sie“ Zeit genommen. Als Hugo erwidert, dass „sie“ nie bereit gewesen sei, das Ende eines Nachmittags mit ihm in seiner Wohnung zu verbringen, fragt „sie“ ihn, ob er beim „Verliebtsein“ sofort „an das Bett denke“.5 Als Hugo auf „ihre“ Frage, ob er jeden Sonntag mit dieser Hoffnung gekommen sei, mit „Nein“ antwortet, demütigt und verletzt sie ihn mit schneidenden Worten.6 Völlig überrascht, aber zugleich sehr glücklich reagiert Hugo, als „sie“ ihm in eben diesem Moment vorschlägt: „C’est bien ça que tu veux, alors écoute, viens, emmène-moi chez toi.“7 In seiner Wohnung, so scheint es, beglückt sie ihn, indem sie sich ihm hingibt und ihm sagt, ihn zu lieben, doch bereits beim Abschiedskuss wird ihm klar, dass „[c]ette rencontre était faite pour s’effacer et s’il la retenait, ce serait pour subir l’humiliation brûlante de s’être laissé duper.“8 Und als sie bei einem – angeblich unter Zeitdruck getätigten – Anruf am Tag danach den Eindruck erweckt, als wolle sie das Geschehene ungeschehen machen, gelangt Hugo, wie die von der Erzählinstanz gewählte Form der internen Fokalisierung eindeutig zu erkennen gibt, zu einer für ihn ernüchternden Schlussfolgerung:
Beaucoup à faire, songeait-il à présent, préparer des bagages pour deux semaines ne dure pas des journées entières, et elle n’avait rien d’autre à faire. Tout était faux, depuis le début, le hasard du café n’était pas un hasard, elle l’avait attiré comme les sirènes ensorcellent les marins par leur chant, faux, la musique, tout, jusqu’à la visite chez lui, il avait vu une victoire, ce n’était que défaite, la reddition totale, après lui avoir donné cela, elle ne devait plus rien, elle avait réglé ses dettes avant de partir. Quelles dettes? Il n’en avait aucune idée. La route était barrée et derrière l’éboulis attendait le néant.9
So wird Hugos Wohnung zu einem Ort des Betrugs und des Selbstbetrugs. Aus der von ihm erhofften Erwiderung seiner Liebe wird eine ihn demütigende Pervertierung intimer Nähe. Bereits im Moment „ihres“ übereilten Abschieds steigen Vorahnungen einer abgrundtiefen, unendlichen Leere in ihm auf,10 die sich wie ein düsterer Schatten über sein Leben legen.