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Kapitel 15 Kriminalpolizei
Оглавление»Ich habe vorgestern mit dem Mädchen gesprochen, das damals bei der Explosion in Aachen verletzt wurde.« Claudia und Kurt saßen beim Frühstück im Wintergarten.
»Ja. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass sie aus dem Koma erwacht ist. Was hast du damit zu tun?« Er biss in sein Marmeladenbrot.
Kurt Hüffner war Mitte dreißig und maß stolze einhundertneunzig Zentimeter. Mit seinen breiten Schultern und den schmalen Hüften war er ein Bild von Mann. Unter seinen mittelblonden Haaren schauten neugierige grüne Augen aus ansprechenden jungenhaften Zügen. Er war Maschinenbauingenieur und Physiker. Die Landschaft und Menschen, die ihn umgaben, prägten ihn von Jugend an. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass er mit Zahlen und den Naturgesetzen jonglierte. Dazu kam seine unkonventionelle Einstellung zum Leben und den Menschen, die ihn umgaben. Sobald er auf der Szene erschien, nahm er die Menschen für sich ein. Und … Kurt war unglaublich neugierig. In sein Leben gehörte der Ururgroßvater Arnold Winter, Nöll genannt. Ein ehemaliger Polizist, der stolze achtundneunzig Jahre zählte und immer noch mit dem Fahrrad durch die Gegend fuhr.
»Ganz blöd. Dengler bat mich, sie zu befragen. Und jetzt geht mir das Mädel nicht mehr aus dem Kopf.« Sie schalt sich selbst für ihre Blödheit. Konnte sie denn nie Feierabend machen.
»Die sind über tausend Ecken verwandt mit mir. Irgendein Bruder Nölls steckt da drin. Ich habe aber nur ein paar mal in meinem Leben mit denen gesprochen. Und? Hat dir die Kleine weiterhelfen können?«
»Im Grunde nicht. Sie hat keine Erinnerung. Hinzu kommt, dass sie ihre Sprechfähigkeit verloren hat. Aber irgendetwas, was ich nicht packen kann, steckt dahinter. Das Mädchen weiß etwas.«
»Was soll sie schon wissen? Machst wohl wieder aus einer Mücke einen Elefanten«, meinte er gutmütig lächelnd.
»Nein. Da bin ich mir sicher.« Sie wusste, dass er sie nicht aufzog. Kurt war immer voller Sorge, wenn sie ihre Anwandlungen bekam, wie er es nannte. Außerdem wusste er, dass es dann meist gefährlich wurde. »Ich habe gestern ein wenig recherchiert. Zur Familie selbst gibt es nichts Brauchbares im Internet. Nur der Großvater erscheint, Nikolaus van Basten.«
»Klaus van Basten.« Kurt setzte sich interessiert gerade. »Den kenne ich. Klar. Die Tochter hat den Peter Winter, das ist der Cousin hundertsten Grades, geheiratet. Jana ist also die Enkelin von van Basten.« Er zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. »Das gibt natürlich ein anderes Bild.«
»Was weißt du, was ich nicht weiß.« Claudia beobachtete ihn aufmerksam.
»Im Grunde nichts. Alles nur Gerüchte. Der soll mal mit Okkultismus in Verbindung gestanden haben. Nein«, er wehrte einen Einwurf Claudias ab. Wie immer, wählte er nicht den einfachen Weg der Erklärung, sondern holte bei Adam und Eva aus. »Kein Satanskult. Wie soll ich dir das erklären?«, er kratzte sich am Ohr. Ein Zeichen, das er nachdachte. »Machen wir es so … im Mittelalter unterschied man damals wahrnehmbare Qualitäten der Dinge wie Farbe oder Geschmack von nicht wahrnehmbaren okkulten Qualitäten wie dem Magnetismus, den Einflüssen der Sterne, im Sinne der Astrologie, und den Heilkräften verschiedener Substanzen, die nur indirekt über ihre Effekte erfahrbar sind. Die mittelalterliche Scholastik war der Meinung, dass die okkulten Qualitäten im Unterschied zu den direkt wahrnehmbaren, nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein könnten. Als die Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert begann, auch Erscheinungen wie den Magnetismus zu untersuchen, erhielt die Rede von okkulten Qualitäten eine abwertende Bedeutung, da sie im Zusammenhang mit der scholastischen Ansicht der Unerforschbarkeit gesehen wurde. Ich weiß, das hört sich spinnert an.«
»Nein, überhaupt nicht. Auf der Polizeiakademie hatten wir uns auch damit beschäftigt. Das nicht Wahrnehmbare.« Claudia nickte ihm auffordernd zu.
»In meinem Job habe ich häufiger mit nicht erklärlichen Phänomenen zu tun. Insbesondere mit Materie und Energie und deren Wechselwirkungen in Raum und Zeit. Aber lassen wir das. Van Basten ist es gelungen, ein theoretisches Phänomen, aus dem Experimentalstadium, in eine Anwendung zu bringen. Was genau, weiß ich nicht. Es unterliegt strenger Geheimhaltung«.
»Schade. Ich wäre ein ganzes Stück weiter, wenn ich wüsste, was genau er entdeckt hat.« Die Enttäuschung stand ihr aufs Gesicht geschrieben.
»Ich weiß nur so viel, dass er mit seiner Theorie, die scheinbar keine mehr ist, Gehirnwellen beeinflussen kann.«
»Gehirnwellen? Du spinnst.« Sie schüttelte ungläubig mit dem Kopf.
»Hab ich dir doch vorhin gesagt.« Sein Mund lächelte, doch seine Augen blieben ernst. »Nein. Tatsache. Er war jahrelang in der Psychiatrie. Die Regierung hatte ihn kaltgestellt und seine Ergebnisse ins Fantastische gerückt.«
»Weshalb sollte die Regierung einen Spinner kaltstellen?«
»Weil scheinbar doch etwas an seiner Arbeit stimmte.« Kurt stand auf und ging zur Küche hinüber. Er blieb stehen. Er wusste nicht mehr, was er wollte.
»Ich werde Maria darauf ansetzen.« Sie bekam seine Verwirrung nicht mit.
»Was hast du gesagt?«
»Ich lasse Maria recherchieren. Mit deinen Informationen wird sie etwas anfangen können.« Sie unterbrach ihre Rede. Kurt stand der Schweiß auf der Stirn. Er sah fürchterlich aus. »Was ist los? Bist du krank?«
»Ich … ich …«, er brach ab und stützte eine Hand auf die Arbeitsplatte.
Sie fasste ihn beim Arm und führte ihn zu seinem Stuhl zurück. »Soll ich einen Arzt rufen?«
»Nein. Schon gut.« Tatsächlich ging es ihm besser. Die Augen waren wieder klar und der Schweiß lief auch nicht mehr übers Gesicht. »Ich war einen Moment nicht hier. Ich weiß auch nicht.« Er hieb hilflos mit der Faust durch die Luft. »Ich hatte das schon einmal. Damals war ich auch mit den Forschungsergebnissen van Bastens beschäftigt. Vielmehr hatte ich mir überlegt, was er wohl entdeckt haben mag. Und jetzt wieder.«
»Du weißt«, erwiderte sie aufgebracht, »dass eine solche Denkverbindung wahnwitzig ist. Selbst in diesem Voodoo Dorf hier.« Claudia war mehr verwirrt, als erschrocken. Seit sie hier wohnte, traten so viele, sie wollte es mit seinen Worten, Phänomene, nennen, zutage. Jetzt fing ihr Kurti auch noch an. Sie schrak unvermittelt aus ihren Gedanken, als Edgar bellte. Der Dackel hatte seinen Platz auf der Fußbodenheizung verlassen und musste mal raus. Sie öffnete die Türe zum Hof und schon flitzte er hinaus.
»Lass uns heute nach Geilenkirchen fahren«, bemerkte Kurt. »Dort ist heute Nikolausmarkt und es sollen Franzosen, aus der Partnerstadt dort sein. Sie bieten Spezialitäten aus ihrer Region an.«
»Klar. Machen wir«, sagte sie, erfreut darüber, dass das Thema beendet war.
*