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XXI MAN GEHT AN BORD

ES WAR schon fast sechs Uhr, aber nur eine graue, unvollkommen, neblige Morgendämmerung, als wir uns dem Kai näherten.

"Da laufen ein paar Matrosen vor uns her, wenn ich das richtig sehe," sagte ich zu Queequeg, "'s können keine Schatten sein, die vergeh'n bei Sonnenaufgang, nehm' ich an; los denn!"

"Halt!" rief eine Stimme, deren Inhaber, welcher im selben Moment hinter uns auftauchte und seine Hände auf die Schultern legte, sich dann zwischen uns drängte, und, sich im unsicheren Zwielicht etwas vorbeugend, befremdlich von Queequeg zu mir hinaufschaute. Es war Elijah.

"An Bord gehen? Hände weg da, wollt ihr wohl," sagte ich.

"Schau, du," sagte Queequeg und schüttelte die Hand ab, "geh weg!"

"Dann geht ihr also nicht an Bord?"

"Doch, das tun wir," sagte ich, "doch was gehts euch an? Wisst ihr, Mr. Elijah, dass ich euch zu einem gewissen Maß als impertinent empfinde?"

"Nein, - nein, nein; dessen war ich mir nicht bewusst," sagte Elijah und schaute mit unerklärlichen Blicken langsam und erstaunt von mir zu Queequeg hin.

"Elijah," sagte ich, "ihr würdet meinem Freund und mir einen Gefallen tun, wenn ihr euch zurückziehen würdet. Wir sind unterwegs zum Indischen und Pazifischen Ozean, und würden es vorziehen, von euch nicht aufgehalten zu werden."

"Ihr würdet, würdet ihr? Und vorm Frühstück schon zurück sein?"

"Er ist verrückt, Queequeg," sagte ich, "komm."

"Holloa408!" rief der haltende Elijah und winkte uns zurück, kaum dass wir uns ein paar Schritte entfernt hatten.

"Kümmer' dich nicht um ihn," sagte ich, "komm, los, Queequeg."

Aber er schlich sich doch wieder an uns heran und sagte, als er urplötzlich seine Hand auf meine Schulter legte - "Habt ihr wohl vor Kurzem etwas zu diesem Schiff hingehen sehen, das aussah wie ein paar Männer?"

Angerührt von dieser einfachen, sachlichen Frage antwortete ich und sagte, "Ja, ich dacht' ich säh' fünf Mann, aber's war zu schummrig, um sicher zu sein."

"Sehr schummrig, sehr schummrig," sagte Elijah. "Guten Morgen euch auch."

Wieder einmal verließen wir ihn; und eben genauso stahl er sich wieder hinter uns her; und sprach, als er meine Schulter erneut berührte, "schaut einmal, ob ihr sie finden könnt, ja?"

"Wen finden?"

"Schönen Morgen euch! Guten Morgen euch!" entgegnete er und entfernte sich. "Oh! Ich wollt' euch noch warnen vor - doch egal, egal - 's ist alles eins, und wohl auch erblich bedingt; - scharfer Frost, diesen Morgen, nicht wahr? Auf Wiedersehen euch. Werd' euch wohl nicht so bald wiederseh'n, schätz' ich mal; bis zur Grand Jury409." Mit diesen obskuren Worten entfernte er sich nun doch zuletzt und ließ mich aber für den Moment in nicht geringem Erstaunen über seine verzweifelte Dreistigkeit.

Dann endlich betraten wir das Deck der Pequod und fanden alles in tiefster Stille vor, nicht eine Seele rührte sich. Der Kabineneingang war von innen verriegelt; alle Ladeluken verschlossen und mit Tauwerksrollen überhäuft. Auf unserem Weg weiter zum Vorschiff410 fanden wir einen geöffneten Lukendeckel. Als wir ein Licht scheinen sahen, gingen wir hinunter, nur um dort einen alten Takler in einem zerfledderten Affenjäckchen vorzufinden. Er hatte sich in voller Länge auf zwei Kisten geworfen, das Gesicht nach unten in seine gefalteten Arme geschmiegt. Der tiefste Schlummer wiegte ihn.


Abbildung 41: Vorschiff (Gemeinfrei) (W)

"Diese Matrosen, die wir da gesehen haben, Queequeg, wohin mögen sie verschwunden sein?" sagte ich und schaute unsicher auf den Schläfer. Doch schien's sich so zu verhalten, dass Queequeg, als wir uns noch auf dem Kai befanden, überhaupt nicht wahrgenommen hatte, worauf ich jetzt anspielte; daher hätte ich auch angenommen, mich optisch einer Täuschung ergeben zu haben, wäre da nicht Elijahs anderenfalls unerklärliche Frage gewesen. Aber ich verfolgte den Gedanken nicht weiter; und machte, wieder auf den Schläfer deutend, die scherzhafte Anmerkung an Queequeg, wir sollten besser bei der Leiche sitzen411; und richtete den Wunsch an ihn, er möge sich doch dementsprechend niederlassen. Also legte er seine Hand auf des Schläfers Rückseite, ganz so, als ob er fühlen wolle, ob es auch weich genug zum Sitzen sei; woraufhin er ohne weiteres Federlesen auf ihm Platz nahm.

"Grundgütiger! Queequeg, setz dich doch nicht dorthin," sagte ich.

"Och, ganz gut Sitzplatz," sagte Queequeg, "so mach' Leut’ in mein' Land; tut nicht sein Gesicht weh."

"Gesicht!" sagte ich, das nennst du sein Gesicht? Sehr wohlwollende Haltung, das; doch hör' wie schwer er atmet; er windet sich hoch; steh' auf Queequeg, du bist zu schwer, es zerschmirgelt dem armen Kerl das Gesicht. Steh jetzt aber auf Queequeg! Schau, gleich wirft er dich runter. Ich wüsst' gern, warum er nicht wach wird."

Queequeg bewegte sich also bis knapp über den Kopf des Schläfers hinaus und nahm dort wieder Platz und entzündete seine Tomahawkpfeife. Ich saß bei den Füßen. Wir reichten die Pfeife über den Schläfer vom einen zum anderen. Queequeg gab mir auf seine gebrochene Art und Weise bei der Befragung zu verstehen, dass in seinem Land der König, die Häuptlinge und die großen Leute im Allgemeinen in Ermangelung von Sitzbänken und Sofas aller Art die Gewohnheit hatten, einige der unteren Reihen ihrer Bevölkerung als Ottomanen zu mästen; und um ein Haus in dieser Hinsicht bequem einzurichten, brauchte man nur acht oder zehn faule Gesellen aufzukaufen und sie in den Salons und Nischen herumliegen zu lassen. Nebenbei sind sie auf einem Ausflug sehr komfortabel; so viel besser als diese Gartenstühle, die man zu Wanderstöcken umrüsten kann; angelegentlich konnte so ein Häuptling ja nun auch seinem Untergebenen befehlen, unter einem schattigen Baum an einer feuchten sumpfigen Stelle als Sofa zu dienen.

Während wir uns über solcherart Dinge unterhielten, schwang Queequeg jedes Mal, wenn er den Tomahawk von mir erhielt, die Axtseite über dem Kopf des Schläfers.

"Wozu dient jetzt das, Queequeg?"

"Ganza leicht töta; oh! Ganza leicht!"

Er fuhr fort mit seinen wilden Erinnerungen um die Tomahawkpfeife, welche ihren beiden Nutzungen gerecht geworden zu sein schien, seinen Feinden die Köpfe einzuschlagen und seine Seele zu trösten, als wir direkt durch den Schläfer angesprochen wurden. Der strenge Dunst füllte inzwischen die eingeengte Höhle aus und begann ihn zu wecken. Er atmete mit einer Art Dumpfheit ein und schien dann ein Problem in der Nase zu bekommen, drehte sich einoder zweimal um die eigene Achse, um dann aufzusitzen und sich die Augen zu reiben.

"Halloa!" Schnaufte er am Ende, "wer mögt denn wohl ihr Raucher sein?"

"Angeheuerte Männer," antwortete ich, "wann segelt sie denn?"

"Aye, aye, so fahrt ihr also mit, nicht wahr? Sie segelt heut'. Der Kapitän ist letzte Nacht an Bord gekommen."

"Welcher Kapitän? - Ahab?"

"Wer denn wohl sonst?"

Gerade wollte ich ihm weitere Fragen Ahab betreffend stellen, als wir ein Geräusch an Deck hörten.

"Halloa! Starbuck regt sich," sagte der Takler. "Er ist ein lebhafter erster Offizier, ein guter und frommer Mann, aber jetzt ist er ganz bissig, und ich muss zu ihm eilen.” Mit diesen Worten ging er an Deck und wir folgten.

Inzwischen war es ein klarer Sonnenaufgang geworden. Die Mannschaft kam bald zu zweit und bald zu dritt an Bord; die Takler rührten sich, die Maate waren emsig beschäftigt; und immer noch brachten einige Landratten die verschiedensten allerletzten Sachen an Bord. Währenddessen blieb Kapitän Ahab unsichtbar in seiner Kajüte eingeschlossen.

408 Holloa: ein Ausruf unter Seeleuten. Gewöhnlich wird dies in Bezug auf jemanden gesagt, der euch ruft. Es bedeutet "Ich bin hier; ich bin bereit." (M)

409 Grand Jury: in diesem Fall die Trennung der guten von den bösen Seelen durch Jesus Christus beim Jüngsten Gericht. (M) Das Jüngste Gericht (auch Endgericht, Apokalypse, Jüngster Tag, Nacht ohne Morgen, Letztes Gericht, Gottes Gericht oder Weltgericht) stellt die antike bzw. alttestamentliche endzeitliche Vorstellung der abrahamitischen Religionen von einem das Weltgeschehen abschließenden göttlichen Gericht dar. Es ist als Gericht aller Lebenden und Toten eng mit der Idee der Auferstehung verknüpft und muss vom individuellen Partikulargericht über die einzelne Seele unterschieden werden. (W)

410 Vorschiff: der vordere Teil eines Schiffes unter Deck, der gewöhnlich als Mannschaftsraum genutzt wird. (M) Als Vorschiff bezeichnet man den gesamten vorderen, sich meist verjüngenden Teil eines Schiffes. Dazu gehören sowohl das Deck als auch die unter Deck liegenden Schiffsräume. (W)

411 Bei der Leiche sitzen: Die ersten 24 Stunden nach dem Tod oder bis zur Beerdigung bei einem Toten bleiben, um der Seele Gesellschaft zu leisten und zu verhindern, dass sie vom Teufel geholt wird. (M)

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