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3.3. Ich brauche Gott … zum Wählen

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Während ich dies zu Papier brachte, hatten viele Länder die »Qual der Wahl«.

Für einige mag die Qual einer eigenen Entscheidung und Verantwortung zu übernehmen so groß sein, dass sie lieber einen »starken Mann« hätten, der ihnen alle Entscheidungen abnimmt. Andere wählen, was sie immer schon gewählt haben, ganz egal, welches Programm. Viele schauen sich die Gesichter und das Auftreten der Kandidaten an und machen, ähnlich einer Miss-Wahl, einen Sympathie-Event daraus. Und je nach Bedeutung einer Wahl oder nach »Lage der Nation« gehen manche gar nicht an die Urne, sondern überlassen es anderen, zu entscheiden.

Für mich sind das keine Optionen. Ich danke Gott, dass ich wählen kann und so viele Wahlmöglichkeiten habe. Nicht nur im politischen Bereich, sondern in allen anderen auch. Ich lebe in einem freien Land, kann sagen, schreiben, essen, wohnen, kaufen, reisen und machen was und wo ich will. Auch wenn es immer wieder gewisse Begrenzungen gibt, wenn meine Gesundheit nicht mitspielt, Geld und Zeit knapp sind und sich mir auch Wege verstellen – ich kann wählen und entscheiden.

Das ist ja nicht selbstverständlich.

In vielen Bereichen unserer Welt kämpfen die Menschen ums blanke Überleben und für das »tägliche Brot«. Da bleiben ihnen keine Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten. Kein Wunder, dass die westliche Welt mit ihrem reichhaltigen Angebot solchen Menschen wie ein Paradies erscheint.

Wählen zu können hat tatsächlich etwas Paradiesisches. Gott setzt den Menschen in jenen Garten, den wir Erde nennen, und stattet diesen unendlich reich aus (1. Mo. 2). Er lässt ihn wählen, wenn auch immer im Rahmen der vom Schöpfer gesetzten Möglichkeiten. Er lässt mich entscheiden. Ich muss Verantwortung übernehmen – aber ich darf es eben auch.

Wählen und Entscheiden als Privileg

Wählen zu können ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Wäre ich in Nordkorea geboren oder in einem anderen totalitären System, ich hätte keine Wahl. Meinungen und oft genug auch der Lebensstil werden vorgegeben. Wer aus der Rolle fällt, wird bestraft und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Aber so ist unser Gott eben nicht. Er gibt nicht alles vor. Gott ist kein Diktator.

Ist Gott also Demokrat? Wohl nicht im landläufigen Sinn. Gott fragt nicht jedes Mal, wer wofür ist und handelt nicht erst, wenn die Dinge ausdiskutiert und abgestimmt sind. Er richtet sich nicht nach Mehrheiten. Zum Glück nicht!

Die Begriffe Diktator und Demokrat treffen Gottes Weise, mit uns umzugehen, beide nicht. Vielleicht passt »Partner«.

Gott wählt im Umgang mit seinen Menschen einen partnerschaftlichen Leitungsstil, könnte man vielleicht sagen. Im Wort »Partner« finden wir das englische »part« = »Teil«. Gott gibt uns einen Teil. Er teilt sich und seine Gaben mit. Er teilt seine Verantwortung mit uns. Er lässt uns teilnehmen und teilgeben. Wir werden von ihm zu Partnern gemacht. Und das schließt die Freiheit ein, zu wählen und zu entscheiden.

Dafür bin ich sehr dankbar. Das ist ein riesiges Geschenk. Dafür lohnt es sich auch in Kirche und Gesellschaft mitzumachen, damit auch dort solche Freiräume entstehen.

Gott will freie Partner

Ja, natürlich können viele Menschen auch in einer Diktatur glücklich sein und wenn sie alles vorgesetzt bekommen. Es macht die Sache manchmal sogar leichter, wenn man nur zwischen wenigen Optionen entscheiden kann, allemal bei Anschaffungen und im Konsumverhalten.

Aber wünschenswert? Nein!

Ebenso ist der Ruf einiger Christen nach Gottes klarer Weisung, nach Eindeutigkeit und Schwarz oder Weiß, für mich verständlich. Eine solche Frömmigkeit führt nach meiner Überzeugung jedoch nicht zu Gott hin, sondern eher von ihm weg. Weil Gott Partner will, nicht Sklaven.

Eine westlich geprägte Demokratie, die zumindest teilweise von Konzernen, Banken und Medien regiert wird, hat ja durchaus manchen Luxus und Wohlstand zu bieten. Man kann in unsere freiheitliche Konsumwelt einfach und unreflektiert eintauchen und sich dabei, vorausgesetzt man hat Geld genug, rundum wohlfühlen. Aber ist das wirklich erstrebenswert? Für mich nicht.

Auch unsere Kirche, die bunter, liberaler und weltlicher nicht sein könnte, die fast jede »Sau durchs Dorf treibt«, in der alles gleichberechtigt nebeneinander steht und die entweder päpstlich im Top-down-System oder synodal durch Mehrheiten gelenkt wird, setzt meiner Meinung nach Gottes Partnerschaftsgedanken nicht wirklich um, jedenfalls nicht durch ihre Struktur. Ja, es gibt Ansätze dazu, aber wir können uns nicht auf Luthers Reformation vor fünfhundert Jahren ausruhen, sondern bedürfen immer wieder vor allem geistlicher Erneuerungen. Den Begriff »Partner Gottes« finde ich dabei inspirierend.

Anwälte sprechen von Senior- und Juniorpartnern. Die Seniorpartner haben mehr Rechte und mehr Verantwortung als die Juniorpartner. Ich finde, dies ist ein gutes Bild für Gottes Art, unser Partner zu sein. Er hat das letzte Wort. Er trägt die letzte Verantwortung. Er managt den gesamten Laden.

Aber er bezieht uns als seine Juniorpartner mit ein. Wir bekommen Freiräume im Rahmen der Regeln zu arbeiten und können uns darin entfalten. Unsere Mitarbeit bringt den ganzen Laden voran, unsere Entscheidungen dienen der Firma. Und die heißt nicht »Kirche«, sondern die heißt »Himmelreich auf Erden«. Es ist Gottes Unternehmen.

Die Freiheit, wählen zu dürfen, ist ein hohes Gut. Es beinhaltet Verantwortung und Entscheidungsfreiheit. Es gibt uns Würde und Auftrag. Dafür danke ich Gott.

Und dafür brauche ich Gott. Ich bin darauf angewiesen, dass ich den mir zugedachten Teil entdecke. Wenn ich vor einer Wahl stehe, brauche ich Kriterien, nach denen ich wählen kann. Und wenn ich dann gewählt habe, brauche ich den Mut, dazu zu stehen und manchmal auch, meine Wahl bei nächster Gelegenheit noch einmal zu korrigieren.

Zurzeit wird viel von »Werten« gesprochen. Die Staaten der Europäischen Union sollen ihren vereinbarten Werten folgen, wir sind eine Wertegemeinschaft, die Flüchtlinge haben sich unseren Werten unterzuordnen usw. Es wird deutlich, dass solche Wertorientierung nicht so einfach ist. Man muss sich immer wieder damit auseinandersetzen, was gemeint ist und wie es umgesetzt wird. In der Regel wird dies gemacht, indem man die entsprechenden Vereinbarungen durchackert, die Menschenrechte liest usw. und dann darüber diskutiert, wie es in der aktuellen Lage anzuwenden ist. Ich finde, wir können froh sein, dass wir solche Texte haben, auch wenn es mühsam ist, sie jeweils neu auszulegen und Einheit darüber zu finden.

Mit den Werten im »Himmelreich« ist es womöglich ähnlich. Nur dass ihnen nicht die 30 Artikel der Erklärung der Menschenrechte von 1948 oder Texte der Vereinten Nationen oder der EU zugrunde liegen, sondern die Bibel. (Übrigens: In die Menschenrechte, unser Grundgesetz usw. sind viele und maßgeblich Werte der Bibel eingeflossen.) Die Werte der Bibel sind der Entscheidungsrahmen meiner und unserer Wahlfreiheit, sind die Regeln in Gottes Garten Erde und in der Firma »Himmelreich«. Darauf hat der Seniorpartner uns alle verpflichtet. Nur so läuft der Laden.

Und natürlich kommt jetzt ein Rattenschwanz an Fragen und Themen: Was meint »Werte der Bibel«? Wer legt die Prioritäten fest? Gibt es eine Rangfolge? Sind alle Regeln dort verbindlich oder gibt es so etwas wie den »Geist der Bibel«?

Meine Entdeckung ist relativ einfach: Ich lese die Bibel. Ich frage Gott selbst in Gedanken und Gebet: »Gott, wie soll ich das verstehen? Wie würde Jesus es verstehen? Was würde er nun sagen oder tun? In welchem Geist hast du durch Jesus gehandelt?«

Ich umschiffe also umfangreiche theologische Exkurse zum Verständnis der Bibel? Richtig. Ich versuche, die Bibel als Wertequelle zu nutzen, sie jedoch nicht zum Regel- und Gesetzeswerk zu machen. Ich suche im Sinne Martin Luthers in der Bibel das, »was Christum treibet!« (Siehe 5. Kapitel)

✪»Gott sei Dank, dass Du mich wählen lässt, und danke für den Freiraum zu entscheiden, für die Würde der Verantwortung und dafür, dass Du mich zum Partner in Deinem Unternehmen gemacht hast! Und danke auch, dass ich bei Dir Orientierung finde, meine Entscheidungen in Deinem Sinn zu treffen und zu wählen, was gut und hilfreich ist.

Genau das, Gott, brauche ich unbedingt. Wie soll ich mich sonst in dieser komplizierten Welt zu Recht finden? Wie soll ich meine Meinung bilden? Klimawandel, Flüchtlinge, Schere zwischen Arm und Reich, erneutes Kriegsgeschrei, Hunger in Afrika ... das sind nur einige Fragen, in denen ich Orientierung brauche und jeweils zwischen vielen Positionen wählen kann. Gott, da brauche ich Dich!«

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