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1.3. persönlich

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Und noch ein Drittes. Sie haben ganz Recht: Der Vergleich mit der Nähe zum Partner von vorhin hinkt. Jedenfalls teilweise. Die meisten Vergleiche haben ja einen speziellen Vergleichspunkt und werden schief, wenn sie darüber hinaus angewendet werden. Räumliche Distanz erschwert eine Beziehung. Dies trifft auch bei Gott zu. Auch die zeitliche Komponente stimmt. Je länger ich getrennt bin, desto schwieriger.

Allerdings kommt es natürlich auf die Voraussetzung an. Wenn mir jemand fern ist, der wie meine Frau bereits mit mir verbunden war und ist, dann gestaltet sich die Distanz anders, als wenn wir noch nie etwas miteinander zu tun hatten.

Eine Distanz zwischen Liebenden fühlt sich völlig anders an, als ein räumlicher Abstand zwischen sich völlig unbekannten Menschen.

Es geht also bei der Frage nach Nähe und Distanz nicht nur um die räumliche Entfernung und es geht auch nicht nur um die Zeitdauer einer Distanz. Es geht natürlich auch um das persönliche Verhältnis zueinander, vielleicht sogar ganz besonders.

»Der steht mir nahe!« Wenn ich dies sage, ist von räumlicher oder zeitlicher Entfernung nicht die Rede. Da geht es vor allem um die persönliche Nähe, die Bedeutung füreinander, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die enge Beziehung zueinander.

Immanuel. Gott mit mir. Das ist für mich vor allem eine Aussage meiner persönlichen Nähe zu Gott und seiner Nähe zu mir. Gott steht mir nahe. Wie ein geliebter Mensch, wie mein Partner, wie meine Eltern, wie meine Kinder. Gott steht mir nahe – vielleicht wie niemand sonst.

Ich weiß, das kann nicht jeder sagen. Ich schon. Gott steht mir nahe. Auch wenn ich nicht ständig an ihn denke. Auch wenn ich ihn nicht höre oder spüre. Auch wenn ich mich nicht immerzu nach ihm sehne und von ihm träume. Er ist doch irgendwie ein Teil von mir.

Das war ja nicht immer so. Erst als ich neunzehn war, bin ich zum Glauben gekommen. Vorher waren da weder Einsicht noch Gefühl Gott gegenüber. Beides kam erst mit dem Ereignis des Glaubens. Ich habe weder mit Gott geredet noch nach ihm gefragt, geschweige denn auf ihn gehört. Auch das kam erst danach. Ja, ich war als »evangelisch« registriert und auch konfirmiert. Aber ich hätte nie gesagt, er stehe mir nahe. Im Gegenteil, er war mir völlig fremd, weit weg wie irgendein Mensch im fernen China (oder jener legendäre chinesische »Sack Reis«). Eine persönliche Beziehung fehlte völlig.

Ihr Mitarbeitenden in der Kirche, warum tun Sie so, als seien alle Menschen, mit denen Sie zu tun haben, auch Christen? »Liebe Gemeinde«, »Liebe Mitchristen«, wo es passt – okay! Aber oft sitzen dort doch Leute, die Gott niemals als nahestehend bezeichnen würden und denen der Glaube nicht nur mal so zwischendurch, sondern völlig fremd ist. Warum vereinnahmen Sie diese Leute ungefragt?

Das Neue Testament spricht immer wieder von »metanoia«, Umkehr. Im Leben der Menschen ereignet sich in der Begegnung mit dem Evangelium und den Christen so etwas wie bei den Jüngern und Jüngerinnen zu Ostern. Zuerst sind da nur Zweifel, Fragen und Unglaube. Dann aber begegnet Gott seinen Menschen. Vertrauen und Glaube ereignen sich. Sie werden nicht aus religiösen Seelen oder Gefühlen, sondern allein aus Gottes Gegenwart geboren. »Maria!« Erst als der Auferstandene sie anredet, erkennt Maria Jesus und dessen unmittelbare Nähe (Joh. 20,16). Vor dieser Anrede sieht sie nur den Gärtner. »Offenbarung« nennen Theologen diesen Vorgang. Gott selbst zeigt sich. Die Bibel spricht vom »Heiligen Geist« – und damit ist nichts anderes gemeint als Immanuel. Gott ist nahe!

Warum also kann ich sagen: »Gott steht mir nahe!?«

Weil Gott selbst sich als nah erwiesen hat. Nicht weil ich ihm so nahe gekommen bin – sondern weil er zu mir gekommen ist. Und das immer und immer wieder. Gott sucht die Nähe zu mir sogar dann noch, wenn ich ihm zu entwischen drohe, wenn ich weglaufe, mich verstecke, nicht auf ihn höre, ihn verleugne ... Gott hört nicht auf, mir nahe zu sein.

Eigentlich geht es im Glauben erst zweitrangig um meine persönliche Beziehung zu Gott. Es geht vor allem um seine persönliche Beziehung zu mir. Ich stehe ihm nahe. Ich habe einen Platz in seinem Herzen. Er will ohne mich nicht sein, er hält es ohne mich nicht aus.

Immanuel – Gott ist nahe

Das ist zuerst eine Aussage über das Wesen Gottes und seine Haltung zu uns Menschen. Gott sucht die persönliche Nähe zu uns. Er begegnet uns in Jesus Christus nicht als Energiefeld, als Glaubensbekenntnis oder Wertekatalog, sondern als lebendige Person. Er hat Sehnsucht nach uns, sucht meine und unsere Nähe, will mit uns reden, uns spüren, uns sehen und »mit uns gehen«. Deshalb reden wir ja von der »Liebe Gottes«. Sie ist kein Prinzip und auch keine moralische Instanz menschlicher Ethik – sie ist Leidenschaft für uns und Ausdruck der Sehnsucht Gottes zu seinen Menschen.

Ich habe verstanden. Ich kann nicht davon ausgehen, dass sich die Menschen um mich herum Gott nahe fühlen. Wenn nicht jemand so etwas wie eine eigene Ostererfahrung gemacht hat, kann er oder sie das gar nicht.

Aber ich kann davon ausgehen, dass Gott selbst die Nähe zu jedem und jeder sucht. Er sehnt sich nach seinen Menschen und danach, dass sie seine Nähe wahrnehmen, daraus leben und sie erwidern.

✪ Was ist Ihnen besonders wichtig? Ein Austausch mit anderen bereichert – und da zeichnen Sie meinen Einstieg gerne mit ein.

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